Jesuiten
Jesuiten sind die Mitglieder der katholischen Ordensgemeinschaft Gesellschaft Jesu (Societas Jesu, Ordenskürzel SJ), die aus einem Freundeskreis um Ignatius von Loyola entstand und im Jahre 1540 päpstlich anerkannt wurde. Neben den evangelischen Räten – Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam – verpflichten sich die Ordensangehörigen auch zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Die Bezeichnung Jesuiten wurde zunächst als Spottname gebraucht, später aber auch vom Orden selbst übernommen. Generaloberer ist seit 2016 Arturo Sosa; der Sitz der Ordensleitung ist in Rom.
Allgemeines
Die Jesuiten gehören zu den Regularklerikern. Sie haben keine besondere Ordenskleidung und kein gemeinsames Chorgebet.[1] Sie leben nicht in Klöstern, sondern in Kommunitäten ohne Klausur. Mitglieder des Ordens tragen hinter ihrem Nachnamen den Namenszusatz SJ (Abkürzung für Societas Jesu).[2]
Symbol des Ordens ist das in Majuskeln geschriebene Nomen sacrum IHS (die Anfangsbuchstaben lassen noch die Übernahme aus der griechischen Schrift erkennen), das oft auch als Iesum habemus socium (Wir haben Jesus als Gefährten) oder Iesus hominum Salvator (Jesus, der Erlöser der Menschen) gedeutet wurde. Motto des Ordens ist die lateinische Wendung: Omnia ad maiorem Dei gloriam (Alles zu größerer Ehre Gottes), oft abgekürzt OAMDG oder AMDG.
Die Exerzitien des Ignatius von Loyola bilden den Kern der Spiritualität des Ordens. In diesen 30-tägigen Geistlichen Übungen betrachtet der Exerzitant (derjenige, der die Übungen durchführt) im Gebet und in der Meditation sein Leben und das Leben Jesu und wird dabei von jenem, der die Exerzitien gibt, begleitet. Heutzutage werden ignatianische Exerzitien auch von Laien und anderen Orden angeboten und durchgeführt.
Die Zahl der Ordensangehörigen ging in den vergangenen Jahren zurück. Während der Orden Anfang 2017 noch 16.090 Mitglieder hatte,[3] zählte er Anfang 2021 nach eigenen Angaben 14.839 Mitglieder, davon 10.721 Priester, 894 Brüder, 2.593 junge Jesuiten in Ausbildung und 631 Novizen.[4] Der Orden ist weltweit in 75 Provinzen, 4 unabhängige und 6 abhängige Regionen gegliedert.[5] Eine große Zahl von Jesuiten weltweit arbeitet in Schulen und Universitäten. Wichtige andere Tätigkeitsfelder sind die Begleitung von Exerzitien, die Sozial- und Flüchtlingsarbeit und die Medienarbeit.
Geschichte
Ordensgründung
Der Orden der Jesuiten wurde von Ignatius von Loyola gegründet und wesentlich gestaltet. Ignatius (geboren 1491) stammte aus baskischem Adel und war zunächst Offizier, bis ihm im Alter von dreißig Jahren eine Kriegsverwundung den weiteren Aufstieg in dieser Karriere versperrte. Mystische Erfahrungen nach diesem Lebenseinschnitt brachten ihn auf einen religiösen Lebensweg. In seinem autobiographischen Pilgerbericht bezeichnet er sich als Pilger und beschreibt, wie ihn in allem Gott geführt habe. Nach teils abenteuerlichen, teils fruchtbaren Vorstufen studierte er an verschiedenen Orten, seit 1528 in Paris, wo er 1535 zum Magister artium promovierte. In Paris sammelte er auch Gefährten (wie Franz Xaver und Peter Faber) um sich und verband sich mit ihnen am 15. August 1534 (Tag Mariä Himmelfahrt) auf dem Montmartre durch gemeinsame Gelübde. Die beabsichtigte, gelobte Wallfahrt mit anschließender Seelsorgearbeit in Jerusalem erwies sich als undurchführbar. Stattdessen stellte sich die Gruppe Ende 1537 in Rom Papst Paul III. zur Verfügung. Dieser genehmigte zwei Jahre später das Grundstatut der Gemeinschaft (Formula Instituti) und bestätigte mit der Bulle Regimini militantis ecclesiae vom 27. September 1540 die Gemeinschaft als Orden. Ignatius wurde zum ersten Oberen gewählt und leitete den rasch wachsenden Orden von Rom aus bis zu seinem Lebensende am 31. Juli 1556. Die detaillierten Satzungen (Constitutiones, an Stelle einer Ordensregel) wurden erst nach der Ordensgründung hauptsächlich von Ignatius erarbeitet und 1558 in Kraft gesetzt. Aufgrund des stark betonten Gehorsams, seiner straffen Hierarchie und einer größtmöglichen persönlichen Flexibilität und Unabhängigkeit (ignatianisch: Indifferenz) konnte der Orden schnell wachsen und in vielen Ländern aktiv werden.
Die Ordensgründung war Teil einer katholischen Erneuerungsbewegung, die eine Reform der Kirche von der inneren Erneuerung und einer persönlichen Christusbeziehung erwartete, ähnlich wie dies auch Martin Luther wollte. Diese persönliche Christusbeziehung ermöglichte in den Anfangsjahren auch eine für die damalige Kirche ungewohnte Offenheit gegenüber Menschen, die (wie Jesus) jüdischer Abstammung waren. Von Ignatius ist der Satz überliefert, dass er gerne aus dem Volk Jesu stammen würde.[6] Mehrere frühe Jesuiten stammten aus zum Christentum konvertierten jüdischen Familien (Marranen), unter anderem Diego Laínez, der Nachfolger von Ignatius im Amt des Generaloberen, und der erste Jesuitenkardinal Francisco de Toledo. Dennoch wurden ab 1593 Christen jüdischer Abstammung am Ordenseintritt gehindert. Diese Regelung wurde wiederholt modifiziert, in Einzelfällen von ihr auch dispensiert; aber erst 1946 wurde sie endgültig abgeschafft.
Gegenreformation und Barock
In Europa hatten Jesuiten einen bedeutsamen Anteil an der Gegenreformation, der katholischen Erneuerung in Reaktion auf den von ihr als Häresie betrachteten Protestantismus. Der Orden gründete dazu in für den katholischen Glauben gefährdeten Ländern zunächst Ordenshäuser. Wo dies nicht möglich war, wie in Irland, England oder in einer Anzahl deutscher Territorien, wurde das entsprechende Ordenshaus in Rom eröffnet, und die Patres reisten zum Teil illegal ins Land. Da der Orden keine verbindliche Tracht hatte, konnte das oft unbemerkt gelingen.
Von den Ordenshäusern aus entfalteten die Jesuiten eine rege Tätigkeit, die vor allem die Predigt und die Seelsorge einschließlich der Beichte umfasste. Hier entwickelten sie eine besondere Kasuistik, die bei der Zumessung von Bußen für Sünden auch die mildernden Umstände bei der Begehung berücksichtigten. Da sie häufig die Seelsorger und Beichtväter von Königen und Fürsten waren, übten sie auch einen gewissen politischen Einfluss aus.
Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld der Jesuiten war ihrem Gelübde gemäß die Bildung der Jugend: Die von den Jesuiten gegründeten Schulen und Universitäten wie die Universität in Dillingen und im damals polnisch-litauischen Wilna sollten Gewähr dafür bieten, dass kommende Generationen fest verwurzelt im katholischen Glauben heranwuchsen.
Die Jesuiten setzten sich dafür ein, den katholischen Glauben durch prunkvolle Zeremonien zu zelebrieren, förderten in diesem Kontext auch die barocke Baukunst. Im Zuge der gegenreformatorischen Propaganda förderten sie das Barocktheater und entwickelten mit dem Jesuitentheater eine eigene Tradition.
Als größter Erfolg der gegenreformatorischen Anstrengungen des Ordens wird Polen angesehen. Die adelige Oberschicht des Landes, die Szlachta, hatte sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in nicht unbedeutendem Maße dem Protestantismus zugewandt, die Bürger einiger Städte waren sogar mehrheitlich evangelisch geworden, wenngleich die Zersplitterung zwischen Lutheranern, Calvinisten, Böhmischen Brüdern und Unitariern groß war. Hierbei hatte die traditionelle polnische Toleranz ebenso eine Rolle gespielt wie der Einfluss der Hussiten hundert Jahre zuvor. Gleichwohl hielten insbesondere die polnischen Könige am katholischen Glauben fest. König Stephan Báthory (1533–1586) gestattete die Errichtung jesuitischer Ordenshäuser im heutigen Polen, angefangen 1564 mit Braunsberg in Preußen, im exemten Bistum Ermland, dann 1567 in Vilnius, 1574 in Posen. Von hier begannen die Jesuiten, die durch ihren höheren Bildungsstand und ihre straffere Disziplin den anderen Orden und den Weltgeistlichen überlegen waren, mit Predigten, Seelsorge, Armenpflege und nicht zuletzt durch ihre Bildungsarbeit gerade in der Oberschicht die Rekatholisierung des Landes. Stephans Nachfolger König Sigismund III. Wasa (1586–1632) war bereits von Jesuiten erzogen worden, tolerierte ihre immer aggressivere gegenreformatorische Arbeit und ernannte nur noch Katholiken zu Senatoren. Beim Erfolg der Gegenreformation in Polen spielte neben den jesuitischen Bemühungen aber auch eine Rolle, dass die Landbevölkerung vom Protestantismus nur zu geringen Teilen erfasst worden war und Sigismunds Kriege gegen das protestantische Schweden und das orthodoxe Russland den Katholizismus quasi als Nationalreligion erscheinen ließen. In dieser Zeit kam es auch zu gelegentlichen Brandstiftungen und Zerstörungen evangelischer Kirchen, die ein durch jesuitische Predigten aufgestachelter Mob verübte, zum Beispiel 1603–1616 in Posen, 1591 in Krakau, 1611 in Vilnius. Diese zunehmend intolerante Religionspolitik fand ihren Abschluss, als der Sejm 1717 den Neubau evangelischer Kirchen verbot und alle seit 1632 erbauten niederzureißen befahl; für den Abfall vom katholischen Glauben war nun die Todesstrafe vorgesehen. Den Jesuiten war es in gerade einmal einem halben Jahrhundert gelungen, den Katholizismus dauerhaft im Land zu verankern.
Mission
Jesuiten arbeiteten als Missionare in China, Japan, Indien, Amerika. Die Briefe des Jesuitenmissionars Franz Xaver fanden weite Verbreitung und weckten bei vielen Katholiken eine neue Begeisterung für die Mission. Im 18. Jahrhundert prägten Jesuiten in erheblichem Maße das kulturelle Leben am chinesischen Kaiserhof, wo diese unter anderem als Maler und Astronomen tätig waren.
In Paraguay bestand von 1610 bis 1767 ein Jesuitenstaat, in welchem die Jesuiten unter den indigenen Völkern ein christliches Sozialsystem eingeführt hatten. Auf diese Art konnten die Indianer in so genannten Reduktionen unabhängig von den spanischen und portugiesischen Kolonialherren und in relativer Sicherheit leben. Die Jesuiten setzten dabei Musik – liturgische Lieder, Gesänge in einheimischen Sprachen, komponierte Messen, Lamentationen, Passionen sowie Opern- und Theateraufführungen – als Mittel der Missionierung ein.[7] Da aus den Guaraní auch eine bis zu mehreren tausend Mann starke Armee rekrutiert wurde, welche zeitweise die einzige Verteidigung der Kolonisten gegen feindliche Indianer und Angriffe anderer Kolonialmächte bildete, hatten die jesuitischen Reduktionen auch eine stark stabilisierende Wirkung auf das spanische Kolonialreich.
Die jesuitische Mission in Lateinamerika wurde in Europa kontrovers beurteilt, besonders von Spanien und Portugal, wo man sie als Behinderung für die kolonialen Unternehmungen der eigenen Regierungen ansah. 1767 wurden die Jesuiten von den Spaniern aus Paraguay vertrieben.
Kritik kam auch aus dem Klerus. Der Bischof von Puebla, Juan de Palafox, berichtete an den Papst mit Abscheu vom materialistischen Profitstreben jesuitischer Unternehmungen. Er beschwerte sich über riesige Haziendas, mehrere große Zuckerplantagen sowie Fabriken und Läden, welche vom Handel mit den Philippinen profitierten und mit Hilfe schwarzer Sklavenarbeit betrieben wurden. Zugute kam den Jesuiten dabei auch die Steuerbefreiung durch das spanische Kolonialreich. Nach Ansicht des britischen Historikers Henry Kamen zählten die Jesuiten zu den größten Sklavenhaltern Südamerikas in der Mitte des 18. Jahrhunderts.[8]
Der Orden als Bildungsinstitution
Die Jesuiten spielten lange eine große Rolle im Bildungssystem Europas. Die Anregung zur Einrichtung von jesuitischen Bildungsstätten ging auf Ignatius von Loyola selbst zurück, der 1551 vorschlug, dort außer Theologie, auch Logik und die antiken Klassiker zu lehren; später kamen noch Mathematik, Astronomie, Physik und Philosophie hinzu. Im 17. Jahrhundert verbreitete der Orden das Thesenblatt, die großformatige und in Kupfer gestochene Ankündigung der akademischen Disputation, im gehobenen katholischen Bildungswesen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es in ganz Europa zahlreiche Schulen, an denen zum Beispiel die Söhne von Adligen, aber auch Angehörige niedrigerer sozialer Klassen unterrichtet wurden. Aus den Reihen der Schüler kamen u. a. Rugjer Josip Bošković, René Descartes, Voltaire, Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet, Denis Diderot und Henry Humphrey Evans Lloyd. Ein weiterer wichtiger Beitrag war, dass in Publikationen des Ordens, etwa dem Journal de Trévoux, öffentlich zeitgenössische Literatur diskutiert werden konnte, ohne dabei Inquisition oder Zensur fürchten zu müssen. Aus diesem Grund bedauerte selbst der Vordenker der Aufklärung Voltaire den Niedergang des Ordens im späteren Verlauf des 18. Jahrhunderts. – Andererseits gehörten Jesuiten an vorderster Front zu denjenigen, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für das Verbot des Werks von René Descartes eintraten, als nach seinem Tod Klagen aufkamen, er habe bei seinen naturwissenschaftlichen Studien keinen Raum für Gott gelassen.[9] Der Mathematikhistoriker Amir Alexander nennt den weltanschaulich geprägten Kampf der Jesuiten gegen die Verwendung von Infinitesimalzahlen als wesentlichen Grund für den Niedergang der Jahrhunderte alten Mathematiktradition in Italien Ende des 17. Jahrhunderts, und die Verlagerung der Hauptzentren des mathematischen Fortschritts in Gebiete nördlich der Alpen, wo die Jesuiten weniger Einfluss hatten.[10]
Weltweit führen die Jesuiten heutzutage Hochschulen, Schulen und Internate, in denen sie insgesamt mehr als zwei Millionen jungen Menschen allgemeine Bildungsinhalte vermitteln. Der Orden verfolgt dabei die Absicht, sie zugleich auf ihr späteres Leben nach den Grundsätzen des christlichen Menschenbildes vorzubereiten: zu Menschen für andere heranzureifen.
Verfolgungen im 17.–20. Jahrhundert
Grundlage: Die Monita Secreta
Der Jesuitenorden war lange Zeit starken Anfeindungen ausgesetzt, da er häufig von seinen Gegnern zahlreicher Verschwörungen verdächtigt wurde: Das Bild eines finsteren, romhörigen Jesuiten, der im Geheimen Intrigen spinnt, um nationale, protestantische oder aufklärerische Bestrebungen zu torpedieren, steht am Anfang der Geschichte der politischen Verschwörungstheorien der Neuzeit. Der Hintergrund dieser Verschwörungstheorien liegt in der von den Ordensmitgliedern geforderten Unterwerfung unter die Lehre der katholischen Kirche. So erklärte Ignatius zwar nicht in der Ordensregel, aber im Exerzitienbuch: „Wir müssen, um in allem das Rechte zu treffen, immer festhalten: ich glaube, dass das Weiße, das ich sehe, schwarz ist, wenn die Hierarchische Kirche es so definiert.“[11]
Ihren Ausgangspunkt nahm die Jesuitenfeindschaft in einem gescheiterten Mordanschlag auf König Heinrich IV. von Frankreich am 27. Dezember 1594. Der Attentäter Jean Châtel war ein Jesuitenschüler, was den Verdacht aufkommen ließ, die Societas Jesu stecke dahinter.[12] Die klassische Textgrundlage dieser Verschwörungstheorie lieferten die Monita Secreta (Latein für geheime Ermahnungen), die 1614 in Krakau erschienen. Sie gelten als „eine der wichtigsten Fälschungen in der Geschichte der Neuzeit“.[13] Sie wurden von dem Ex-Jesuiten Hieronymus Zahorowski verfasst, der vorgab, sie enthielten Instruktionen des fünften Ordensgenerals Claudio Acquaviva an die Patres. Bis ins 20. Jahrhundert wurde der Text immer wieder als Beleg für angebliche Verschwörungstätigkeit des Jesuitenordens nachgedruckt.[14] Die Monita secreta sollen angeblich von Herzog Christian von Braunschweig entdeckt worden sein, der jedoch zum Zeitpunkt ihres ersten Auftauchens gerade einmal zwölf Jahre alt war. Auch widersprechen sich die Angaben des Fundortes. Genannt werden Paderborn, Prag, Lüttich, Antwerpen, Glatz sowie ein gekaperter Ostindiensegler. Den Monita Secreta zufolge seien die Jesuiten aufgefordert, buchstäblich jedes Mittel anzuwenden, um Macht und Wohlstand des Ordens zu vermehren, wobei diese wahren Ziele strikt geheim zu halten wären. So wird zum Beispiel empfohlen, Einfluss auf die Großen und Mächtigen dieser Welt zu gewinnen, indem man sich als Beichtvater großzügiger zeigt als Geistliche anderer Orden, die man durch Verleumdungen und andere Mittel von einflussreichen kirchlichen Ämtern möglichst fernhalten solle; politische und private Geheimnisse der Fürsten gelte es durch Bestechung ihrer Günstlinge und Diener herauszubekommen; reiche Witwen solle man dazu bewegen, nicht wieder zu heiraten, damit sie ihr Vermögen dem Orden vermachen können; ihre Kinder sollten aus dem gleichen Grund dazu gebracht werden, dem Orden beizutreten; dringend wird dazu geraten, die wahren Vermögensverhältnisse des Ordens nicht an den Papst zu melden, sondern sich stattdessen ihm gegenüber und in der Öffentlichkeit stets als bedürftig, gegenüber den Armen aber als großzügig hinzustellen.
Damit sind bereits die zentralen Vorwürfe der darauf folgenden Geschichte umrissen: Die Jesuiten seien habgierig und machtlüstern, sie würden Intrigen spinnen und konspirativ arbeiten, sie würden auf unrechtmäßige Weise Einfluss auf die Politik ausüben und geheime Anweisungen aus dem Ausland bekommen, sie seien bedenkenlos in der Wahl ihrer Mittel und lax in ihrer Moral. Diese Stereotype, die vor allem im England vor der Glorious Revolution weit verbreitet waren und in der vorgeblichen Papisten-Verschwörung von 1678 ihren blutigen Höhepunkt fanden, gingen im 18. Jahrhundert auch in den Diskurs der Aufklärung ein, etwa in der Encyclopédie und bei dem radikal antiklerikalen Voltaire, die dabei den Vorwurf moralischer Laxheit gegen den des religiösen Fanatismus austauschten.[15]
Die Aufhebung des Ordens im 18. Jahrhundert
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzten verstärkte Angriffe auf den Jesuitenorden ein, bei denen die Verschwörungstheorien jeweils aktualisiert und auf die spezifische Situation des Landes zugeschnitten wurden. Vor allem die Vertreter des Absolutismus in Portugal, Frankreich und Spanien störten sich an der autonomen Stellung des international tätigen Ordens:
- In Portugal wurde den Jesuiten vorgeworfen, die Indios in ihren Reduktionen zum Aufstand angestachelt (1750) und einen Mordanschlag auf König Joseph I. (1758) geplant zu haben. Im Januar 1759 ordnete daraufhin der König an, den Ordensbesitz zu beschlagnahmen. Schließlich wurden auf der Basis eines Ausweisungsgesetzes vom September 1759 die Jesuiten im Oktober aus Portugal vertrieben.
- In Frankreich wurde der Orden von den Vertretern des Gallikanismus, der Aufklärung und des Jansenismus angefeindet. Der Bankrott des Generaloberen der Jesuitenmissionen in Lateinamerika führte 1764 zu einem Prozess vor dem jansenistisch dominierten Parlement de Paris, welches den Ordensbesitz in Frankreich einzog. Aufgrund der Enthüllung der bisher geheimen Constitutiones des Ordens, einschließlich des absoluten Gehorsams gegenüber dem Papst, verwies König Ludwig XV. jene Jesuiten, die den Treueeid auf ihn verweigerten, des Landes.
- Auch in Spanien, welches von einer Nebenlinie der französischen Bourbonen regiert wurde, blickte man argwöhnisch auf die Reduktionen und machte den Orden für den Madrider Hutaufstand (1766) verantwortlich, woraufhin die Jesuiten im Februar 1767 aus Spanien vertrieben und ihr Besitz beschlagnahmt wurde.
Ein Territorialkonflikt zwischen dem ebenfalls bourbonisch regierten Herzogtum Parma und dem Kirchenstaat bot schließlich Spanien, Frankreich und Portugal einen Hebel, um verstärkten Druck auf die päpstliche Kurie auszuüben, den verhassten Orden gänzlich aufheben zu lassen. Nach zähen Verhandlungen fügte sich Clemens XIV. und hob am 21. Juli 1773 durch das Breve Dominus ac Redemptor den Orden auf. Im Jahr darauf wurden dem Kirchenstaat drei kleinere Territorien zurückgegeben, die von bourbonischen Mächten besetzt worden waren, um Druck auf die Kurie auszuüben.
In den Niederlanden (Republik der Sieben Vereinigten Provinzen) konnten die Jesuiten – ungeachtet des päpstlichen Breves – ihre Arbeit auch nach 1773 fortführen.[16] In den Österreichischen Niederlanden wurden die Jesuiten hingegen unter strenge behördliche und kirchliche Aufsicht gestellt.[17]
In Russland und in Preußen, wo die nicht-katholischen Regierungen die päpstliche Autorität sowieso nicht anerkannten, fanden einige der Jesuiten Zuflucht, vor allem weil die Zarin Katharina II. und König Friedrich II. die Vorteile des jesuitischen Schulsystems nicht aufgeben wollten und weil beide Herrscher für die katholische Bevölkerung Polens, welches zwischen Russland und Preußen aufgeteilt worden war, Seelsorger benötigten.[18]
Verfolgungen im 19. und 20. Jahrhundert
1814 wurde die Gesellschaft Jesu von Papst Pius VII. kraft der Bulle Sollicitudo omnium ecclesiarum vom 7. August 1814 wieder zugelassen. Trotz immer neuer Vertreibungen und Verbote wuchs der Orden schnell wieder zu alter Größe.
In Deutschland wurden jesuitische Einrichtungen kurz nach der Reichsgründung während des Kulturkampfes am 4. Juli 1872 aufgehoben und ausländische Ordensangehörige des Landes verwiesen. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurden 1917 diese Jesuitengesetze wieder aufgehoben. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Jesuiten wie die Freimaurer unter die „Volksschädlinge“ gerechnet. Mehrere Patres wurden mit Predigtverboten belegt, in ihrer Tätigkeit eingeschränkt, verfolgt und in Konzentrationslagern interniert. Pater Rupert Mayer, ein bedeutender Männerseelsorger und Prediger an der Münchener Jesuitenkirche St. Michael, wurde in Ettal isoliert. Pater Alfred Delp wurde als Mitglied des Kreisauer Kreises inhaftiert und in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Zahlreiche weitere Ordensmitglieder aus ganz Europa waren im sogenannten Pfarrerblock im KZ Dachau interniert. Der Jesuitenpater Vincent A. Lapomarda[19] listet die Namen von 30 Jesuiten auf, die allein im Pfarrerblock ihren Tod fanden (insgesamt 43 Jesuiten starben in Konzentrationslagern).[20][21]
In der Schweiz wurde 1844 die Forderung nach Vertreibung der Jesuiten laut. Die Berufung der Jesuiten nach Luzern gab Anlass zu heftigen Reaktionen und führte zu den Freischarenzügen und dem Sonderbund. Nach dem Sonderbundskrieg wurden alle Jesuiten aus der Schweiz ausgewiesen und die Tätigkeit des Ordens in der Bundesverfassung von 1848 verboten. 1874 wurde das Verbot erweitert, so dass allen Jesuiten jede Tätigkeit in Staat und Kirche untersagt war. Der sogenannte Jesuitenartikel wurde 1973 aufgehoben.
In Spanien wurde die Gesellschaft Jesu mehrmals verboten, so etwa unter Isabella II. im Zuge des Ersten Carlistenkriegs und später erneut in der Zweiten Republik, die im Spanischen Bürgerkrieg unterging.
In San Salvador ermordeten im Jahre 1989 Militärangehörige acht Angehörige der zentralamerikanischen Universität José Simeón Cañas (UCA), darunter Studenten, Bedienstete und den Rektor Ignacio Ellacuría. Die UCA ist eine 1965 von Jesuiten gegründete Universität.
Congregatio Jesu: Frauenorden
Ignatius erwirkte 1547 unter dem Druck der kirchenpolitischen Umstände und einiger Mitbrüder von Papst Paul III. ein Dekret, das einen weiblichen Zweig des Jesuitenordens verhindern sollte (siehe auch Enzyklika Regimini militantis ecclesiae). Mary Ward gründete gleichwohl 1609 das Institut der Englischen Fräulein, und zwar von vornherein mit der Absicht, für diesen Orden die Konstitutionen zu übernehmen, die Ignatius für die Gesellschaft Jesu verfasst hatte. Dies wurde ihrem Orden jedoch erst nach langem Bemühen im Jahr 2003 vom Vatikan gestattet. Der Orden, der bis dahin im kirchenamtlichen Sprachgebrauch „Institutum Beatae Mariae Virginis“ (Abkürzung IBMV), „Institut der Seligen Jungfrau Maria“, hieß, ist seither als weiblicher Zweig anerkannt. Seit 2004 trägt er den Namen Congregatio Jesu, der sich an die Selbstbezeichnung der Jesuiten, Societas Jesu, anlehnt. Die neue Abkürzung ‘CJ’ wurde in Analogie zu derjenigen der Jesuiten, SJ, gewählt.
Entwicklungen im 20. Jahrhundert
Theologisch war der Orden zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter seinem Generaloberen Franz Xaver Wernz in den Modernismus-Streit verwickelt, der sich um die Frage nach der Berechtigung der historisch-kritischen Bibel-Auslegung drehte. Papst Pius X. hatte in der Enzyklika Pascendi neuere rationalistische Tendenzen in der Exegese und der Dogmengeschichte verworfen und 1910 einen für alle Priester verpflichtenden Anti-Modernisten-Eid eingeführt. Der Streit führte zur Gründung des Päpstlichen Bibelinstituts Biblicum, das unter jesuitischer Leitung stand. Unter Kardinal Augustin Bea gingen später aber auch maßgebliche Impulse aus, mit der übrigen, von der historisch-kritischen Methode geprägten Forschung in einen Dialog einzutreten.
Zu den bedeutenden Mitgliedern des Ordens in Mittel- und Nordwesteuropa gehörten im 20. Jahrhundert der Philosoph Erich Przywara und die Theologen Jean Daniélou, Henri de Lubac und Karl Rahner, deren Arbeiten das Zweite Vatikanische Konzil maßgeblich beeinflussten. Sie waren bemüht, die seit dem 19. Jahrhundert in der katholischen Kirche herrschende neuscholastische Schultheologie aufzubrechen, indem sie an die zeitgenössische Philosophie anknüpften. Der Paläontologe, Geologe und Theologe Pierre Teilhard de Chardin versuchte, das biblische Schöpfungsverständnis mit der naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie zu verbinden. Im Bereich der Sozialwissenschaften vertieften Heinrich Pesch, Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning die Ansätze der katholischen Soziallehre. Pesch und Gundlach übten bis etwa 1950/60 einen wichtigen Einfluss auf den politischen Katholizismus aus; der Einfluss von Nell-Breuning auf sozialpolitische Positionen deutscher Politiker, nicht nur solcher katholischer Konfession, ist bis heute spürbar.
Papst Paul VI. erteilte dem Orden den speziellen Auftrag, den Atheismus zu bekämpfen, während Pedro Arrupe als Pater General den Orden prägte und gleichzeitig reformierte. Erstmals wurden neue Akzente in der Option für die Armen, des Zusammenhangs von Glaube und Gerechtigkeit und einer konstruktiv kirchenkritischen Linie gesetzt. So formulierte die 32. Generalkongregation (1974/75): «Der Auftrag der Gesellschaft Jesu heute besteht im Dienst am Glauben, zu dem die Förderung der Gerechtigkeit notwendig dazugehört.»[22]
Seit Pedro Arrupe als Generaloberer besonders soziale Anliegen in den Orden einbrachte und auf Erneuerung drängte – wie andere auch schon zuvor – gab und gibt es unter den Jesuiten auch kirchenkritische Positionen. Die Betonung der Anliegen wie Option für die Armen stießen allerdings bei einigen im Orden auf weniger Verständnis. Besonders in der Zeit von 1981 bis 1983 waren interne Spannungen offenkundig, als Arrupe krankheitsbedingt sein Generalat nicht mehr weiterführte und Papst Johannes Paul II. mit Paolo Dezza SJ (zusammen mit Giuseppe Pittau SJ als Koadjutor) erstmals eine Ordensleitung einsetzte, die nicht von den Mitgliedern gewählt worden war. Es war das Verdienst des Generaloberen Peter Hans Kolvenbach, diese Spannungen mit dem Vatikan wieder auszugleichen.
1995 fand die 34. Generalkongregation seit der Ordensgründung in Rom statt. Sie verabschiedete 26 Dekrete, die aktuelle Schwerpunkte im Orden beschreiben.
Zahlreiche Prominente besuchten Jesuitenschulen, darunter James Joyce, Fidel Castro, Mario Draghi, Peter Scholl-Latour und Heiner Geißler. Von den Mitgliedern des US-Kongresses hat 2013 ein Zehntel eine jesuitische Schule oder ein jesuitisches College besucht.[23]
Entwicklungen im 21. Jahrhundert
Vor der 35. Generalkongregation schrieb Papst Benedikt XVI. am 10. Januar 2008 in einem Schreiben an Pater General Kolvenbach u. a.:
„Um der ganzen Gesellschaft Jesu eine klare Ausrichtung zu geben, die Unterstützung ist für eine großzügige und treue apostolische Hingabe, wäre es heute wie noch nie nützlich, wenn die Generalkongregation, im Geist des Hl. Ignatius, ihr vollständiges Festhalten an der katholischen Lehre bestätigt, besonders in einigen neuralgischen Punkten, die heute von der säkularen Kultur sehr stark angegriffen werden, wie zum Beispiel das Verhältnis von Christus und den Religionen, einige Aspekte der Theologie der Befreiung sowie verschiedene Punkte der Sexualmoral, besonders, was die Frage der Unauflöslichkeit der Ehe und die Pastoral für die homosexuellen Personen betrifft.“[24]
Derselbe Papst bestätigte in einer Ansprache an die Generalkongregation am 21. Februar 2008 zugleich die besondere Sendung der Jesuiten an die Grenzen der heutigen Welt und Kultur:
„Die Kirche braucht euch, sie zählt auf euch und wendet sich weiterhin voll Vertrauen an euch, besonders um jene physischen und geistigen Orte zu erreichen, wo andere nicht oder nur schwer hingelangen. Eurem Herzen eingeprägt haben sich die Worte Pauls VI.: ‚Überall in der Kirche, an den schwierigsten und vordersten Fronten, bei ideologischen Auseinandersetzungen, dort, wo soziale Konflikte aufbrechen, wo die tiefsten menschlichen Wünsche und die ewige Botschaft des Evangeliums aufeinanderstoßen, da waren immer und sind Jesuiten.‘“[25]
Am 19. Januar 2008 wählte die 35. Generalkongregation Adolfo Nicolás zum neuen Generaloberen, der Kolvenbach ablöste. Neben Fragen der inneren Struktur zeigt sich auch die stetig an Bedeutung gewinnende Zusammenarbeit mit den Laien als wichtiges Thema der Gegenwart.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der internationalen Ordenstätigkeit liegen vorwiegend in folgenden Bereichen: Afrika, China, Spiritualität, Migration und interreligiöser Dialog.
Mit insgesamt 16.090 Brüdern und Priestern (Anfang 2017) ist der Jesuitenorden zahlenmäßig der größte Orden der katholischen Kirche. Dieser ist heute Teil eines ignatianischen Netzwerkes verschiedener Ordens- und Laiengemeinschaften, das sich auf die ignatianische Spiritualität beruft. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller in der gemeinsamen Sendung für die Nöte der Zeit ist das große Anliegen der Gegenwart geworden.
Die interne Vielfalt der Meinungen hinsichtlich der großen und aktuellen Themen in der Kirche blieb aber bestehen. Die Generation der 30- und 40-Jährigen vertritt in der westlichen Welt eine teils konservativere Linie, sowohl in der Ordenspolitik als auch in allgemeinen kirchlichen Fragen. Seit den 1970er Jahren verlor der Orden etwa ein Drittel seiner Mitglieder und ist derzeit in Sorge um seine zahlenmäßige Vorrangstellung unter den Orden und im kirchlichen Einflussbereich. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Zusammenarbeit mit Laien wichtig geworden. Deshalb versucht der Orden verschiedene Gruppierungen zu fördern, die in seinen Werken mitarbeiten oder auch andere inhaltliche Schwerpunkte des Ordens teilen. Zu diesen Gruppierungen gehören die Gemeinschaft Christlichen Lebens, die ignatianischen Assoziierten, die Jesuit Volunteers (ein Freiwilligendienst für Erwachsene ab 18 Jahren) und weitere.
Erstmals steht seit dem 13. März 2013 mit Papst Franziskus ein Jesuit an der Spitze der Katholischen Kirche. Auf fast allen Auslandsreisen trifft er sich immer wieder mit Jesuiten vor Ort.[26]
Vom 2. Oktober bis 14. November 2016 fand in Rom die 36. Generalkongregation statt.[27] Sie wählte am 14. Oktober 2016 den Venezolaner P. Arturo Sosa Abascal zum Generaloberen.[28] Papst Franziskus besuchte am 24. Oktober als erster Papst eine Generalkongregation und ermutigte den Orden, gemeinsam weiter voranzugehen „frei und gehorsam – bis an die Ränder gehen[,] an die andere nicht gelangen“.[29]
Am 27. April 2021 schlossen sich die Deutsche Provinz (mit Schweden), die Österreichische Provinz, die Schweizerische Provinz und die Litauisch-Lettische Provinz zur Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten (Europa Centralis) zusammen.[30] Die zentraleuropäische Provinz umfasst 36 Kommunitäten, zu ihr gehören 442 Jesuiten.[31] Diese Provinzen hatten bereits in verschiedenen Bereichen zusammengearbeitet, so wurden ungarische und litauische Novizen seit 1989 in Nürnberg ausgebildet.[32] Zum Provinzial der neuen Provinz bestimmte Ordensgeneral P. Arturo Sosa am 31. Juli 2020 den Provinzial der Österreichischen Provinz, P. Bernhard Bürgler.[33] Ab dem 31. Juli 2024 wird der Deutsche P. Thomas Hollweck sein Nachfolger, bis dahin Novizenmeister und Delegat des Provinzials für Junge Menschen und Berufung. Er wurde im Januar 2024 nach einem Beratungsverfahren vom Generaloberen P. Sosa ernannt.[34] Sitz der Provinz Zentraleuropa ist München.
Im August 2023 entzog die autoritäre Regierung Nicaraguas dem Jesuitenorden den Rechtsstatus als zivile Organisation und beschlagnahmte das Vermögen der Gemeinschaft. Dem Orden wurde vorgeworfen, in den vergangenen drei Jahren keine Finanzberichte vorgelegt zu haben, zu denen sie als gemeinnützige Organisation verpflichtet sei.[35] Zuvor wurde die von Jesuiten geleitete Universität von Zentralamerika in Nicaragua (Universidad Centroamericana) beschlagnahmt mit der Begründung, ein „Zentrum des Terrorismus“ zu sein. Der Jesuitenorden sprach in einer Stellungnahme von einem „nationalen Kontext systematischer Unterdrückung“, den auch die UN-Expertengruppe für Menschenrechte als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ durch das Ortega-Regime bezeichnet habe.[36]
Ausbildung
Die Ausbildung der Jesuiten gliedert sich in mehrere Bereiche: Kandidatur, Noviziat, gegebenenfalls Scholastikat und Terziat. Der Prozess der Bildung dauert den Impulsen des Zweiten Vatikanischen Konzils zur formatio continua entsprechend wie auch in den meisten anderen Orden ein Leben lang. Die Ausbildung ist auf den verschiedenen Kontinenten je nach Bedarf und Vorbildung der eintretenden Interessenten unterschiedlich entfaltet und akzentuiert. Für Interessenten, die zu Beginn der Ausbildung schon über bestimmte Qualifikationen oder Erfahrungen verfügen, verkürzt sich das Programm entsprechend.
Am Anfang stehen meist dreitägige Kurzexerzitien (Triduum), in denen die Kandidaten das Noviziatsversprechen ablegen. Im Noviziat muss sich der Interessent dafür entscheiden, ob er Jesuitenbruder oder Priester werden will. Unterbrochen wird die Zeit im Noviziatshaus von den verschiedenen Experimenten in pastoralen oder sozialen Tätigkeiten. Zentrales Experiment sind die 30-tägigen Exerzitien. Zum Abschluss dieser zweijährigen Prüfungszeit werden die ersten Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgelegt. Für alle Jesuiten, die Priester werden wollen, schließt sich nun die Zeit als Scholastiker an. Sie umfasst das Studium der Philosophie und der Theologie, unterbrochen von einer etwa zweijährigen praktischen Tätigkeit, dem sogenannten Magisterium oder Interstiz. Zahlreiche Jesuiten haben außer dem Philosophie- und Theologiestudium noch ein Vollstudium in einem anderen Hauptfach absolviert, zum Beispiel in einer sprach-, literatur- oder religionswissenschaftlichen Disziplin, in Medizin oder einer der Naturwissenschaften. Andere verfügen über theologische Zusatzqualifikationen von wissenschaftlicher oder praktischer Relevanz, zum Beispiel eine Promotion in einem Teilfach der Theologie oder ein pastoralpsychologisches Aufbaustudium.
Das Terziat, das nach etwa zehn Jahren stattfindet, ist eine etwa halbjährige Sabbat- und Studienzeit, während der zum zweiten Mal die 30-tägigen Exerzitien durchgeführt werden. Nach dem Terziat lädt der Generalobere den Jesuiten ein, die „Letzten“ Gelübde abzulegen: die drei Evangelischen Räte sowie (meist) auch als viertes Gelübde den besonderen Gehorsam gegenüber dem Papst in Bezug auf Sendungen und Missionen. Dieses Gelübde ist ein Merkmal des Jesuitenordens und seit 2004 auch der Congregatio Jesu.
Jesuiten in Zentraleuropa
Deutschland
Peter Faber und vor allem Petrus Canisius, der erste deutsche Jesuit, prägten die Anfangsjahre. 1544 entstand in Köln die erste Jesuitenniederlassung Deutschlands, hier wurde die erst abfällige Bezeichnung „Jesuiten“ für die Mitglieder der Gesellschaft Jesu zuerst benutzt. 1556 wurden die ersten beiden deutschen Provinzen gegründet (die Niederdeutsche, darin das heutige Holland und Belgien, und die Oberdeutsche, darin die österreichischen Territorien). Nach weiteren Teilungen gab es (ohne die habsburgischen Länder) drei deutsche Provinzen: die Niederrheinische (unter Köln), Oberrheinische (Mainz) und Oberdeutsche (München), zu der auch die Schweiz und Tirol gehörten. Der in Süddeutschland aktive Canisius legte als erster deutscher Ordensprovinzial (1556–1569) den Grundstein für die Gegenreformation in Deutschland.[37] Mit dem Neuen Welt-Bott unterhielten sie im 18. Jahrhundert eine eigenständige Missionszeitschrift. Nach der Gründung vieler höherer Schulen, die oft bis heute Bestand haben, hatten Jesuiten lange eine zentrale Stellung in der Bildung inne, die 1773 mit der Ordensaufhebung vorerst endete (Beispiele: Wilhelmsgymnasium München, Dreikönigsgymnasium Köln, Rabanus-Maurus-Gymnasium Mainz).
1849 begannen die Jesuiten, die in der Schweiz ihre Arbeit einstellen mussten, wieder in Deutschland zu wirken. Aber 1872 vertrieb das im Kulturkampf erlassene Jesuitengesetz sie erneut aus dem Deutschen Reich ins „Exil“: Ausbildungshäuser befanden sich in den Niederlanden (Theologische Hochschule 1895–1942 in Valkenburg), z. T. auch in Großbritannien (Ditton Hall),[38] in den Missionen tat über die Hälfte der ausgebildeten Jesuiten ihren Dienst. Sie lagen in den skandinavischen Ländern (seit 1873 Dänemark, seit 1879 Schweden), außerhalb Europas vor allem in den für deutsche Auswanderer gegründeten Missionen in den USA (Canisius-College) und Südbrasilien,[39] besonders in Rio Grande del Sul. Schließlich gab es die Bombay-Pune-Mission in Indien, die Missionen in Rhodesien (Bischof Helmut Reckter) und (seit 1908) Japan, wo sie die heutige Sophia-Universität gründeten.[40] Das Jesuitenverbot wurde 1904 gemildert und 1917 (noch vor dem Ende des Kaiserreiches) aufgehoben.[41] Die bis dahin eine Deutsche Provinz wurde 1921 in die Niederdeutsche (Sitz Köln) und Oberdeutsche (Sitz München), zu welcher auch noch die Schweiz gehörte, geteilt.[42] Der erste oberdeutsche Provinzial Augustin Bea wurde später Kurienkardinal und prägte das Zweite Vatikanische Konzil mit. Jesuitische Hochschulen bestanden nun in der Weimarer Zeit in St. Georgen und Pullach. 1931 entstand als dritte die Ostdeutsche Provinz (Sitz Berlin). Der bekannteste Jesuit in der Zeit des Nationalsozialismus ist heute der Widerständler Alfred Delp (s. Verfolgungen). Bundeskanzler Konrad Adenauer pflegte ein enges Verhältnis zu mehreren Jesuiten, darunter zum Klassenkameraden Max Pribilla und zum Sozialphilosophen Gustav Gundlach.[43]
Zum 31. Juli 2004 schlossen sich die Oberdeutsche und die Norddeutsche Provinz zur Deutschen Provinz der Jesuiten zusammen, der auch Schweden zugeordnet war. Sie zählte Anfang 2019 323 Mitglieder. Der Sitz des Provinzialates der Deutschen Provinz war in München. Pater Stefan Dartmann SJ leitete seit 2004 als erster Provinzial die vereinte Deutsche Provinz der Jesuiten mit Sitz in München. Sein Nachfolger war von 2010 bis 2017 Pater Stefan Kiechle SJ. Seit dem 1. Juni 2017 war Pater Johannes Siebner SJ Provinzial. Wegen einer schweren Erkrankung wurde er ab Anfang 2020 vertreten und starb am 16. Juli 2020.[44] Zu seinem Nachfolger ernannte der Generalobere Arturo Sosa am 31. Juli 2020 Pater Jan Roser SJ.[45]
Seit dem 27. April 2021 gehören die Jesuiten in Deutschland zur Provinz Zentraleuropa (siehe oben). Kommunitäten bestehen in München, Nürnberg, Mannheim und Ludwigshafen, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Bonn-Bad Godesberg und St. Blasien.[46] Das Noviziat befindet sich in Innsbruck.[47]
Der Orden unterhält diverse Einrichtungen im Bildungsbereich. Dazu gehören die Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen mit Priesterseminar in Frankfurt am Main, die Hochschule für Philosophie München sowie Gymnasien in Berlin (Canisius-Kolleg Berlin), Hamburg (Sankt-Ansgar-Schule), St. Blasien (eine Internatsschule, Kolleg St. Blasien) und Bonn-Bad Godesberg (Aloisiuskolleg). In Ludwigshafen (Heinrich-Pesch-Haus) und Nürnberg (Caritas-Pirckheimer-Haus) gibt es katholische Akademien, an denen Jesuiten mitarbeiten und die teils auch von ihnen geleitet werden. Sie bieten eine breite Palette von Bildungsangeboten, die außer Themen aus den Bereichen Theologie und Spiritualität auch aktuelle Fragen aus Politik, Gesellschaft und Kultur aufgreifen.
Der zweite Schwerpunkt liegt im Bereich der Geistlichen Begleitung und der Exerzitienarbeit. Dazu gehören die Exerzitienhäuser des Ordens in Dresden (Haus HohenEichen), Elten am Niederrhein (Haus Hoch-Elten) und Wilhelmsthal in Oberfranken (Haus Gries). Darüber hinaus arbeiten Jesuiten in Exerzitienhäusern anderer Träger mit, zum Beispiel in München (Schloss Fürstenried), oder bieten Exerzitienkurse an anderen Einrichtungen des Ordens an.[48] Außerdem gibt es seit 2000 ein Angebot ohne feste Häuser: Exerzitien auf der Straße.[49][50] Einige Jesuiten arbeiten auch als Spiritual an Priesterseminaren und in Ordenshäusern.
Die unter Leitung des Ordens stehende Pfarrgemeinde und Kunststation St. Peter in Köln hat sich auf die Vermittlung moderner Kunst und die Förderung zeitgenössischer Orgelmusik spezialisiert. Weitere aktive Jesuitenkirchen befinden sich zum Beispiel in Berlin (St. Canisius), Frankfurt (St. Ignatius), Göttingen (St. Michael), Hamburg (Kleiner Michel), Nürnberg (St. Klara) und München (St. Michael, jetzt Meditationskirche). Viele dieser Kirchen sind sogenannte Citykirchen; sie versuchen mit einem speziellen geistlichen und kulturellen Programm die urbane Bevölkerung auch jenseits der klassischen Pfarreien anzusprechen.
Die deutschen Jesuiten geben drei Zeitschriften heraus: Jesuiten,[51] Stimmen der Zeit sowie Geist und Leben.
Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland[52] ist ein Teil des weltweiten Flüchtlingsdienstes der Jesuiten (Jesuit Refugee Service, JRS), der seit 1980 besteht.[53] Er macht beispielsweise Besuche in Anstalten für die Abschiebungshaft; Flüchtlinge und Migranten werden begleitet und unterstützt.
Jesuiten in Deutschland arbeiten auch in der Hochschulseelsorge, in der Krankenhaus- und Gefängnispastoral. Neben den klassischen Aufgabenfeldern gibt es aber auch vielfältige alternative Projekte wie zum Beispiel bis 2016 Jesuiten als Arbeiter in der Industrie, in deren multikulturellen Gemeinschaft in Berlin-Kreuzberg die „Exerzitien auf der Straße“ entstanden sind.[54] In Leipzig-Grünau leitet der Jesuitenpater Bernd Knüfer seit 1998 ein Diskussionsforum namens Club der Nachdenklichen.[55][56]
Ferner gibt es zahlreiche ehemalige Jesuitenkirchen, die nicht mehr vom Orden genutzt werden, zum Beispiel
- in Aschaffenburg die Städtische Galerie „Kunsthalle Jesuitenkirche“,
- in Bonn die Namen-Jesu-Kirche,
- in Büren die Kirche Maria Immaculata,
- in Düsseldorf St. Andreas,
- in Eichstätt die Schutzengelkirche,
- in Ellwangen die heutige Evangelische Stadtkirche,
- in Heidelberg die Jesuitenkirche,
- in Hof die St.-Konrad-Kirche,
- in Konstanz die Christuskirche,
- in Münster (Westfalen) St. Petri,
- in Meppen die Gymnasialkirche,
- in Köln die St.-Mariä-Himmelfahrt-Kirche,
- die Jesuitenkirche St. Ignatius in Landshut,
- in Landsberg am Lech die Heilig-Kreuz-Kirche,
- die Marktkirche in Paderborn
- sowie Kirchen in Trier und Freiburg im Breisgau.[57]
- Das Canisianum im saarländischen Saarlouis wird inzwischen von der Petrusbruderschaft genutzt.
Litauen
Die litauisch-lettische Provinz hatte bis 2021 ihren Sitz in Vilnius, der litauischen Hauptstadt. Vom Orden werden neben den Jesuitenkirchen St. Ignatius und St. Kasimir das dortige Jesuitengymnasium wie auch Jesuitengymnasium Kaunas und die Jesuitenschule in Šiauliai unterhalten.
Österreich
Österreich gehörte mit 69 Jesuiten (1. November 2017) zu den kleinen Provinzen des Ordens. Zentren der Präsenz des Ordens sind Wien, wo sich das Provinzialat befindet, und Innsbruck. Letzter Provinzial war seit dem 31. Juli 2014 Pater Bernhard Bürgler SJ.
In Wien arbeiten Jesuiten unter anderem an der Jesuitenkirche und am Kardinal König Haus (Bildungs- und Exerzitienhaus) Wien-Lainz. In Innsbruck betreut der Orden vor allem das internationale Theologenkonvikt Canisianum sowie in Kooperation mit Nichtjesuiten die Theologische Fakultät der Universität. Weitere Standorte sind Graz und Linz. Einzelne Jesuiten arbeiten auch in diözesanen Einrichtungen (zum Beispiel Exerzitienreferat, Ordensvikariat), in Priesterseminaren, in der Gefängnis-, Hochschul- und Pfarrseelsorge. Die Ausbildung des Ordensnachwuchses findet im Noviziat in Innsbruck statt, die Studien an verschiedenen europäischen Studienorten des Ordens.
Einrichtungen (teilweise in Kooperation mit anderen Trägern):
- Provinzialat und Missionsprokur der Jesuitenmission, Wien
- Jesuiten- und Universitätskirche Wien
- Kardinal König Haus Wien (gemeinsam mit der Caritas)
- Konzilsgedächtniskirche Lainz-Speising und Pfarre Wien Lainz
- Ruprechtskirche (Wien)
- Theologische Fakultät der Universität Innsbruck
- Zeitschrift für katholische Theologie (Innsbruck)
- Theologenkonvikt Canisianum (Innsbruck)
- Jesuitenkirche (Innsbruck)
- Jugendzentrum Marianische Kongregation (mk) Innsbruck
- Jesuitenkirche Alter Dom (Linz)
Frühere Einrichtungen der Jesuiten (Auswahl):
- Exerzitienhaus Schloss Kollegg, St. Andrä im Lavanttal
- Zeitschrift Entschluss (bis 1999)
- Gymnasium Kollegium Aloisianum, Linz
- Kollegium Kalksburg, Wien
- St.-Anna-Hof (Wien): Jesuitennoviziat im 17. und 18. Jahrhundert
- Canisiuskirche (Wien)
- Jesuitengymnasium Krems: gegründet 1616, 1776 von den Piaristen übernommen, seit 1876 staatliches Gymnasium
Schweiz
Die Schweiz gehörte mit 48 Jesuiten (1. November 2017) zu den kleinen Provinzen des Ordens. Letzter Provinzial war seit dem 31. Juli 2012 Pater Christian Rutishauser SJ.
Standorte sind die jesuitischen Gemeinschaften in Bad Schönbrunn ob Zug, Basel, Genf, Luzern und Zürich (Provinzialat). Schweizer Jesuiten wirken auch in China, Deutschland und Italien. Die Schweizer Jesuiten engagieren sich in zwei Bildungshäusern (Lassalle-Haus mit Lassalle-Institut in Bad Schönbrunn sowie Notre-Dame de la Route in Villars-sur-Glâne), fünf Hochschulgemeinden und als Herausgeber von einer Zeitschrift (Zeitschrift Revue Choisir).
Ab 1848 waren die Jesuiten in der Schweiz in der Verfassung verboten.[58] Erst mit der Volksabstimmung von 1973 wurden die Jesuitenartikel aufgehoben.[59]
Einer der bedeutendsten Jesuiten Europas, Petrus Canisius, liegt in der Schweiz begraben (in Freiburg im Uechtland).[60]
Wahrnehmung
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde den Jesuiten vorgeworfen, sie seien ausführendes Organ der „Weltherrschaftsabsicht der römischen Curie“[61] und „Werkzeug des kirchlichen Absolutismus“.[62] Wegen der in der Ausbildung angelegten stark intellektuellen Ausrichtung des Ordens (bzw. des Jesuitismus[63]) und der dessen Mitgliedern nachgesagten Bereitschaft, die Realität aus theologischen Erwägungen umzudeuten, sind Jesuiten seit jeher als stark polarisierend wahrgenommen worden.[64] Das Kürzel SJ (für Societas Jesu) hinter dem Namen wird im Volksmund auch als „schlaue Jungs“ interpretiert.
Jesuiten in leitenden kirchlichen Ämtern
Jesuiten verpflichten sich nach der Weisung ihres Ordensgründers am Tag ihrer Letzten Gelübde auch, kein Bischofsamt anzustreben. Da sie zugleich dem Papst besonderen Gehorsam „de missionibus“ geloben, d. h. sich dazu verpflichten, sich vom Papst überallhin senden zu lassen, können sie sich jedoch auch nicht verweigern, wenn der Papst beschließt, sie auf einen Bischofsstuhl zu berufen. Deshalb gab und gibt es auch Bischöfe aus dem Jesuitenorden, wenngleich nicht viele. So war zum Beispiel der frühere Erzbischof von Mailand und Kardinal Carlo Maria Martini, einer der Favoriten bei der Papstwahl nach dem Tode von Johannes Paul II., Jesuit. Mit Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien wurde am 13. März 2013 erstmals ein Jesuit zum Papst gewählt (Papstname Franziskus).
Sexueller Missbrauch durch Jesuiten
In mehreren Ländern verübten auch Mitglieder des Jesuitenordens sexuelle Missbrauchshandlungen an Kindern und Jugendlichen. Der deutsch-amerikanische Historiker Ulrich L. Lehner hat festgestellt, dass es auch vor 1773 sexuellen Missbrauch in der Gesellschaft gab und diesen detailliert dargestellt.[65]
Vereinigte Staaten
Die Jesuitenprovinz Oregon im Nordwesten der USA, die Einrichtungen in den US-Bundesstaaten Oregon, Washington State, Idaho, Montana und Alaska unterhält, einigte sich 2009 mit einem Teil der betroffenen Missbrauchsopfer. Anschließend meldete sie Insolvenz nach Chapter 11 an und beugte damit einer möglichen Sammelklage von weiteren Missbrauchsopfern auf finanzielle Entschädigung vor.[66] Nachdem die Opfer argumentiert hatten, dass diese Jesuitenprovinz immer noch wohlhabend sei, weil sie mehrere Universitäten, Schulen und Grundstücke besitze, einigte sich die Nordwest-Provinz im März 2011 mit etwa 500 Missbrauchsopfern auf Entschädigungszahlungen in Höhe von etwa 166 Millionen US-Dollar. Viele der Betroffenen waren Indianer oder Ureinwohner Alaskas. Die Missbrauchsopfer warfen den Jesuiten vor, die Region als Abschiebeplatz für Problempriester missbraucht zu haben.[67]
Deutschland
In Deutschland löste ein Brief des Jesuiten Klaus Mertes Anfang 2010 eine gesamtgesellschaftliche Debatte über Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche sowie in Bildungseinrichtungen aus. Der vom Jesuitenorden beauftragte Untersuchungsbericht zu Missbrauch in deutschen Einrichtungen des Jesuitenordens sprach im Mai 2010 von mindestens 205 Opfern, die körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht worden waren, unter anderem am Canisius-Kolleg Berlin, am Kolleg St. Blasien und am Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg. Der Bericht kritisierte unter anderem auch, dass die Taten durch Angehörige des Ordens systematisch vertuscht worden waren. Den Opfern bot der Jesuitenorden Anfang 2011 – anders als später die deutschen Bistümer mit gestaffelten Beträgen bis maximal 5000 Euro – eine pauschale Anerkennungszahlung von jeweils 5000 Euro an, was von Vertretern der Opfer als zu niedrig zurückgewiesen wurde.
IHS
Das Iota-Eta-Sigma. „IHS“ oder „IHC“ wäre der Name von Jesus, im Altgriechischen wäre es ΙΗΣΟΥΣ oder ΙΗΣ. Tatsächlich steht das Christogramm „IHS“ für „Isis, Horus und Seth“.
‘Der schwarze Papst’ hat keine Autorität über irgendjemanden außer den Jesuiten, dem Templerorden, der SMOM.
Schwarzer Papst, Weißer Papst und Grauer Papst
‘Black Pope, White Pope and Grey Pope’
Der weiße Papst PP Jorge Mario Bergoglio und der schwarze Papst SJ Arturo Sosa.
Generaloberer der Gesellschaft Jesu ‘Black Pope’
‘Father General’
IHS = Iesum Habemus Socium, ‚Wir haben Jesus als Gefährten‘ (Logo der Jesuiten)
Generaloberer der Gesellschaft Jesu (spanisch Prepósito General de la Compañía de Jesús; lat. Præpositus Generalis), der „Allgemeine Vorgesetzte“ (praepositus generalis), ist der deutschsprachige Titel für das Oberhaupt der Gesellschaft Jesu (Societas Jesu, Ordenskürzel: SJ), einer weltweit operierenden katholischen Ordensgemeinschaft, die allgemein als Jesuiten bekannt ist. Innerhalb des Ordens wird er Pater General genannt. Ein volkstümlicher Beiname ist „Schwarzer Papst“ (spanisch Papa negro; italienisch Papa nero), ein Name, der sich teilweise aus der Farbe der nüchternen Soutane herleitet, die von all seinen Mitgliedern getragen wird (im Gegensatz zum weißen Gewand des Papstes) und auf die Befehlsgewalt, die der Generalobere über den Orden hat.[1] Der Leiter wird von der nur selten einberufenen Generalkongregation[2] des Ordens auf Lebenszeit gewählt, es besteht aber die Möglichkeit des Rücktrittes. Seit der 36. Generalkongregation im Jahr 2016 in Rom ist der Generalobere der Venezolaner Arturo Sosa.[3] Seine beiden Vorgänger – Peter Hans Kolvenbach und zuletzt Adolfo Nicolás – waren zurückgetreten.
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Ignatius von Loyola (Ordensgründer)
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Peter Hans Kolvenbach (zurückgetreten 2008)
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Adolfo Nicolás (zurückgetreten 2016)
Franziskus (Papst) ‘White Pope’
‘Bishop of Rome’
‘Head of state of the Papal State’
‘Roman pontiff’
‘Supreme pontiff’
‘Sovereign pontiff’
Papst Franziskus (2021)
Papst Franziskus (lateinisch Franciscus PP.; bürgerlich Jorge Mario Bergoglio SJ [ ]; * 17. Dezember 1936 in Buenos Aires, Argentinien) ist seit dem 13. März 2013 der 266. Bischof von Rom und damit Papst, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und Souverän des Vatikanstaats. Als Argentinier ist Franziskus der erste gebürtige Nichteuropäer im Papstamt seit dem im 8. Jahrhundert amtierenden Gregor III.[1] Zudem ist er der erste Papst, der dem Orden der Jesuiten angehört.
Als junger Mann arbeitete Jorge Mario Bergoglio eine Zeit lang als Türsteher und Hausmeister, bevor er eine Ausbildung zum Chemietechniker absolvierte und als Techniker in einem lebensmittelwissenschaftlichen Labor arbeitete. Nachdem er sich von einer schweren Krankheit erholt hatte, fühlte er sich 1958 dazu inspiriert, dem Jesuitenorden beizutreten. 1969 wurde er zum katholischen Priester geweiht und war von 1973 bis 1979 Provinzoberer der Jesuiten in Argentinien. 1998 wurde er Erzbischof von Buenos Aires und 2001 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt. Er leitete die argentinische Kirche während der Unruhen im Dezember 2001 in Argentinien. Die Regierungen von Néstor Kirchner und Cristina Fernández de Kirchner betrachteten ihn als politischen Rivalen.
Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. am 28. Februar 2013 wählte ein päpstliches Konklave am 13. März Bergoglio zu seinem Nachfolger. Er wählte Franziskus als seinen päpstlichen Namen zu Ehren des Heiligen Franz von Assisi. Während seines gesamten öffentlichen Lebens war Franziskus bekannt für seine Demut, seine Betonung der Barmherzigkeit Gottes, seine internationale Sichtbarkeit als Papst, seine Sorge um die Armen und sein Engagement für den interreligiösen Dialog. Ihm wird eine weniger formelle Herangehensweise an das Papsttum zugeschrieben als seinen Vorgängern, zum Beispiel entschied er sich dafür, im Gästehaus Domus Sanctae Marthae zu wohnen, anstatt in den päpstlichen Gemächern des Apostolischen Palastes, die von früheren Päpsten genutzt wurden, und er möchte außerhalb des Vatikans beerdigt werden.
Franziskus hält an den Ansichten der Kirche zu dem Schwangerschaftsabbruch, Zölibat und der Frauenordination fest, hat jedoch einen Dialog über die Möglichkeit von Diakonissen initiiert und Frauen zu Vollmitgliedern von Dikasterien in der Römischen Kurie zu machen. Franziskus ist ein ausgesprochener Kritiker des unreglementierten Kapitalismus und des Wirtschaftsliberalismus, des Konsumismus und der Überentwicklung;[2] er befürwortet Maßnahmen gegen die globale Erwärmung[3], ein Schwerpunkt seines Papsttums wird der Verkündung der Enzyklika Laudato si’ im Jahr 2015 zuteil. In der internationalen Diplomatie half er bei der Wiederherstellung voller diplomatischer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba, unterstützte die Sache der Flüchtlinge während der europäischen und zentralamerikanischen Migrantenkrisen und schloss ein Abkommen mit der Volksrepublik China, um festzulegen, wie viel Einfluss die Volksrepublik bei der Ernennung ihrer katholischen Bischöfe hat. Von Konservativen wird Franziskus in vielen theologischen Fragen kritisiert, insbesondere in das, was jene Konservativen in seinen Vorschlag in einer Fußnote von Amoris Laetitia hineininterpretieren; dass geschiedene und wiederverheiratete Katholiken zum Empfang der Eucharistie zugelassen werden könnten.
Herkunft und Ausbildung
Bergoglio im Alter von zwölf Jahren in der Klasse einer Salesianer-Schule (Vierter von links, dritte Reihe von oben)
Bergoglios Vater, José Mario Francisco Bergoglio (1908–1959), stammte aus der piemontesischen Ortschaft Portacomaro nahe Asti in Italien. Seine Familie zog jedoch nach Turin, wo Bergoglios Großeltern eine Konditorei führten, während sein Vater eine Anstellung als Buchhalter in einer Bank fand. Weil dessen Mutter eine Gegnerin des Faschismus war, wanderte die Familie nach Argentinien aus, wo ein Onkel eine Pflastersteinfabrik betrieb und es zu beachtlichem Wohlstand gebracht hatte. Während der Wirtschaftskrise 1932 ging der Betrieb bankrott und Bergoglios Großeltern und sein Vater zogen nach Buenos Aires, wo sie einen Lebensmittelhandel eröffneten.[5] Dort heiratete der Vater am 12. Dezember 1935 die in Buenos Aires geborene Regina Maria Sivori (1911–1981), deren Eltern ebenfalls aus Italien stammten.[6] Später arbeitete der Vater als Buchhalter in einer Miederwarenfabrik. Jorge Mario Bergoglio hat vier jüngere Geschwister: Óscar Adrián (* 1938), Marta Regina (* 1940), Alberto Horacio (* 1942) und María Elena (* 1949), von denen allein Letztere noch lebt.
Bergoglio erlangte einen Berufsabschluss als Chemietechniker.[7] Er trat 1958 in den Jesuitenorden ein und studierte zunächst Geisteswissenschaften in Chile, nach seiner Rückkehr nach Buenos Aires an der Theologischen Fakultät des Colegio Máximo San José in San Miguel Philosophie (Abschluss 1960) und Katholische Theologie (Abschluss 1970). Theologisch geprägt wurde er unter anderen von Lucio Gera, dem Begründer der „Theologie des Volkes“, einer argentinischen Variante der Befreiungstheologie. Von ihm übernahm Bergoglio die Überzeugung, dass die Kirche eindeutig an der Seite der Armen zu stehen und solidarisch deren Rechte und Teilhabe in Kirche und Gesellschaft einzufordern habe. 2012 ließ er Gera in der ansonsten den Bischöfen vorbehaltenen Krypta der Kathedrale von Buenos Aires bestatten.[8] Spirituell steht Bergoglio nach eigener Aussage auch der mystischen Strömung der Jesuiten Louis Lallemant, Jean-Joseph Surin und Peter Faber nahe.[9]
Bergoglio spricht fließend Italienisch und soll den italienischen Dialekt der Gegend um Portacomaro und die Lieder der Auswanderer beherrschen.[10] Ferner spricht er Spanisch (die Amtssprache Argentiniens), Deutsch, etwas Englisch, Französisch und Portugiesisch.[11] Während seines Universitätsstudiums lernte er auch Latein und Altgriechisch.[12] Bergoglio besitzt die argentinische und die italienische Staatsangehörigkeit.[13]
Priester und Provinzial
Am 13. Dezember 1969 empfing Bergoglio durch den Erzbischof von Córdoba, Ramón José Castellano, die Priesterweihe. Für sein Tertiat ging er für ein Jahr nach Spanien. Von 1973 bis 1979 war er Provinzial (Leiter) der argentinischen Provinz des Jesuitenordens. Damit war er auch für die Ämtervergabe an der Universidad del Salvador von San Miguel zuständig, wo er als Novizenmeister und Theologiedozent arbeitete. Gegen Ende seiner Amtszeit als Provinzial suchte der nunmehr 42-Jährige ein halbes Jahr lang regelmäßig eine Psychoanalytikerin auf.[14][15]
Nach verschiedenen argentinischen Quellen gehörte Bergoglio von 1972 bis 1974 zur nationalistisch-peronistischen Organisation Guardia de Hierro („Eiserne Garde“), die bis 1973 mit Waffengewalt gegen die autoritären Militärregierungen und für die Rückkehr Juan Domingo Peróns ins Präsidentenamt kämpfte.[16] Er berief mehrere Mitglieder dieser Organisation in Führungsämter an der Jesuitenhochschule, darunter Francisco José Piñón. Dieser verlieh dem Junta-Mitglied Admiral Emilio Massera 1977 eine Ehrendoktorwürde.[17] Bergoglio gab 2010 an, er habe die Guardiamitglieder deswegen aufgefordert, ihre Hochschulämter abzugeben. Er sei nicht mit dieser Gruppe verbunden gewesen.[18]
Von 1980 bis 1986 war Bergoglio Rektor der Theologischen Fakultät von San Miguel. Nach Aussagen eines seiner damaligen Studenten, des ehemaligen Jesuiten Miguel Ignacio Mom Debussy, lehnte er die Befreiungstheologie damals ab und behandelte die Bücher ihrer Hauptvertreter nicht.[19] Zwar kritisierte er Priester, die dieser Richtung zuneigten, teilte aber ihre Kritik an sozialer Ungleichheit in vielen Gesellschaften Lateinamerikas.[20]
1986 ging er an die vom Jesuitenorden getragene Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, um zu promovieren. Seine Dissertation über Romano Guardinis philosophisches Hauptwerk Der Gegensatz blieb unvollendet.[21] Als Besucher eines Deutschkurses am Goethe-Institut lebte er von August bis Oktober 1986 in Rothenburg ob der Tauber.[22] Eine Ordensschwester, die er in Deutschland kennen gelernt hatte, schickte ihm eine Grußkarte mit dem Gnadenbild Maria Knotenlöserin und begründete damit deren Verehrung in Buenos Aires.[23] Nach seiner Rückkehr wirkte er als geistlicher Begleiter in Córdoba.[7]
Verhältnis zur argentinischen Militärdiktatur
Während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 wurden im „Schmutzigen Krieg“ bis zu 30.000 mutmaßlich oppositionelle Argentinier von Todesschwadronen entführt, gefoltert und ermordet und den Müttern unter den Opfern bis zu 500 in der Haft geborene Kinder geraubt. Bergoglio war als damaliger Leiter des Jesuitenordens nicht für kirchliche Stellungnahmen zuständig, aber zum Schutz der Ordensmitglieder verpflichtet. Sein Verhalten wird bis heute diskutiert.[24]
Der Fall Jalics und Yorio
1974 erlaubte Bergoglio den Jesuitenpriestern Franz Jalics und Orlando Yorio, einem Mitglied der „Bewegung der Priester für die Dritte Welt“,[25] im größten Elendsviertel von Buenos Aires Bajo Flores zu arbeiten.[26] Nationalkonservative Ordensbrüder lehnten diese Arbeit ab.[27] Im Februar 1976 forderte der Generalobere der Jesuiten Pedro Arrupe die beiden Priester auf, ihre Arbeit im Slum zu beenden. Daraufhin beantragten sie nach Rücksprache mit Bergoglio erfolglos ihre Versetzung in ein anderes Bistum.[28]
Am 23. Mai 1976 entführten Marinesoldaten Yorio und Jalics neben weiteren Jesuiten in die Escuela de Mecánica de la Armada (ESMA),[29] die Admiral Massera in ein Folter-Zentrum hatte umwandeln lassen.[30] Dort wurden sie fünf Tage lang verhört und gefoltert, weil sie als Mitglieder oder Kontaktpersonen der Montoneros betrachtet wurden. Danach wurden sie fünf Monate lang angekettet mit verbundenen Augen gefangen gehalten. Im Oktober 1976 kamen sie frei.[31] Danach verließen sie Argentinien und versuchten, die Ursachen ihrer Folterhaft herauszufinden.
Seit November 1977 warfen sie Bergoglio vor, er habe ihre Haft verschuldet, indem er ihnen den Schutz der Kirche entzogen oder sie sogar selbst beim Militär angezeigt habe. Er habe Yorio am 20. Mai 1976 aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen, dies ihnen aber damals nicht mitgeteilt; erst im Juni 1977 hätten sie dies vom Vizegeneraloberen der Jesuiten, Pater Moura, erfahren.[32] Ferner habe er ihr Leben gefährdende Gerüchte im Jesuitenorden, sie gehörten zur Guerilla,[17] nicht unterbunden und dem Militär dann ihre Unschuld nicht bezeugt, obwohl er dies Jalics im Dezember 1975 versprochen habe. Stattdessen habe er dem Bischof von Moron, Miguel Raspanti, bei dem sie Aufnahme beantragt hatten, die Gerüchte erläutert.[33] Nach Aussage der Katechetin Marina Rubino (2010) soll Raspanti die Nichtaufnahme von Jalics und Yorio mit Bergoglios schlechten Referenzen begründet haben.[34]
1978 legten Jalics und Yorio Arrupe Dokumente vor, die beweisen sollten, dass Bergoglio sie 1976 beim Militär als Terroristen denunziert habe. 1994 schrieb Jalics, er habe diese Dokumente 1980 verbrannt, weil er keine Aufklärung im Jesuitenorden erreicht habe und das Vergangene verzeihen wollte. Vier Jahre später habe er sich in Rom mit dem Generaloberen ausgesprochen und dann das Vorgefallene endgültig verziehen. Verantwortlich für die Verleumdungen sei ein ihm bekannter „Mann“ gewesen.[35] Nach Angaben seiner Familie meinte er Bergoglio, den er privat mehrfach beschuldigt habe.[36]
Der argentinische Menschenrechtsanwalt Emilio Mignone machte die Vorwürfe der Priester gegen Bergoglio 1986 publik. Dessen Entscheidung, das Armenviertelprojekt von Jalics und Yorio nicht länger zu unterstützen, habe die Militärs zu ihrem Vorgehen ermuntert. Er sei „einer der Hirten“ gewesen, „die ihre Schafe dem Feind auslieferten, ohne sie zu verteidigen oder zu retten.“[37]
1999 veröffentlichte der argentinische Journalist Horacio Verbitsky be- und entlastende Zeugenaussagen zu Bergoglios Verhalten 1976. Der Menschenrechtlerin Alicia Oliveira zufolge erreichte Bergoglio die Freilassung von Jalics und Yorio, indem er Admiral Massera in einem Gespräch drohte, andernfalls werde er den Fall publik machen. Laut dem 1975 gefolterten Jesuiten Juan Luis Moyano[38] machte Bergoglio wegen seiner Kontakte mit Massera keine Entführungen von Jesuiten bekannt, forderte zwei weitere Priester zum Verlassen des Armenviertels auf und wies das Militär darauf hin, so dass man sie entführt habe.[39]
Yorio bekräftigte seine Vorwürfe 1999 in einem Interview mit Verbitsky. Bergoglio habe ihnen im Februar 1976 geraten, ihre Versetzung zu beantragen, aber heimlich mehrere argentinische Bischöfe, darunter Juan Carlos Aramburu, abgehalten, sie aufzunehmen. Auf Versuche Aramburus, sie unbefristet zu suspendieren, habe er ihnen private Messen im Slum zu feiern erlaubt. Während ihrer Haft habe er ihren Verwandten von ihrer mutmaßlichen Erschießung berichtet; man habe bereits Totenmessen für sie gehalten.[28] Den dem Orden genannten Festnahmegrund, „dass mindestens einer von uns Guerillero sei“, müsse Bergoglio dem Militär gegeben haben.[40] Diese von Admiral Massera geäußerte Behauptung habe ihm dann wiederum als Entschuldigung dafür gedient, sich nicht für ihre Freilassung einzusetzen. Er habe nicht abgewartet, ob sie lebend freikämen.[41] Yorio erhielt die Vorwürfe bis zu seinem Tod im Jahr 2000 aufrecht.[42] Seine Schwester bekräftigte sie als Zeugin vor Gericht am 20. April 2013.[43]
2005 schrieb Verbitsky in seinem Buch El Silencio: Bergoglio habe Arrupe 1976 während der Haft der beiden Priester ihren Ausschluss aus dem Orden brieflich mitgeteilt und sie damit dem Militär ausgeliefert.[44] Im April 2005 erstattete der argentinische Menschenrechtsanwalt Marcelo Parrilli in Buenos Aires Anzeige gegen Bergoglio: Er sei in das Verschwindenlassen der Jesuiten verwickelt gewesen und habe sie eventuell bei der Junta angezeigt. Parrilli ergänzte 2013: Bergoglio habe sich nicht für die bereits inhaftierten Ordensbrüder eingesetzt. Die Verhörer hätten Details gewusst, die sie nur vom Jesuitenorden hätten erfahren können.[45]
Bergoglio schrieb schon im September 1976 an Angehörige von Jalics, dass er sich erfolglos für die Freilassung der beiden Priester eingesetzt habe. Am Tag nach der Freilassung schrieb er ihnen: Er habe nie geglaubt, dass man Jalics ermordet habe, „da ich Auskunft über beide Patres hatte“.[36] 1999 teilte er Verbitsky seine Version der Ereignisse mit: Er habe Diktator Jorge Rafael Videla und Admiral Massera wegen Jalics und Yorio je zweimal aufgesucht; beim ersten Treffen hätten beide behauptet, sie wüssten nichts über den Fall, würden aber nachforschen. Beim zweiten Treffen mit Massera habe er auf der Freilassung der Priester bestanden; er wisse, wo sie seien.[17] Laut einem Interview von 2010 habe er Yorio und Jalics niemals als Mitglieder der Guerilla verdächtigt. Weil sie 1975 für ihr Projekt eigene Richtlinien verfasst hätten, habe Pedro Arrupe sie aufgefordert, sich dazwischen und dem Jesuitenorden zu entscheiden. Daraufhin hätten sie um Entlassung aus dem Orden gebeten. Weil Jalics schon seine letzten Ordensgelübde abgelegt hatte, sei sein Gesuch abgelehnt, das von Yorio im März 1976 aber akzeptiert worden. Bergoglio habe den beiden Jesuiten 1976 wenige Tage vor dem Putsch angeboten, im Jesuitenhaus Schutz vor der drohenden Gefahr zu suchen. Doch sie hätten das Angebot abgelehnt. Nach ihrer Gefangennahme habe er sich sofort intensiv und kontinuierlich für ihre Freilassung eingesetzt. Deswegen und weil ihnen nichts nachgewiesen werden konnte, seien sie schließlich freigekommen.[46] „Ich habe getan, was ich konnte, um mich für die Entführten einzusetzen, mit dem Alter, das ich hatte, und den wenigen Verbindungen, auf die ich zählen konnte.“[47] 2010 sagte er als Zeuge in einem Prozess gegen argentinische Folterer: Er habe sich dem Streben kirchlicher Gegner widersetzt, die Gemeinde im Armenviertel aufzulösen und Jalics und Yorio zu versetzen. Entgegen anderen Behauptungen habe er sie bestärkt, dort gegebenenfalls auch ohne offizielle Erlaubnis weiter Messen zu feiern. Unmittelbar nach ihrer Inhaftierung habe er den Ort ihrer Haft herauszufinden versucht und sich dazu mit Massera getroffen. Er habe diesem bezeugt, sie seien an keinerlei „ungewöhnlichen“ Aktivitäten beteiligt, und verlangt, sie zu sehen. Durch allgemein umlaufende Gerüchte (Namen von Informanten nannte er nicht) habe er erfahren, dass sie in der ESMA gefangen waren. Nach ihrer Freilassung habe er sich sofort für ihre Sicherheit und Ausreise eingesetzt. Er räumte ein, dass er keine Strafanzeigen gestellt und nicht öffentlich über den Fall geredet habe. Jalics und Yorio hätten ihm persönlich kein Fehlverhalten vorgeworfen. Yorios Vorwürfe von 1999 seien durch sein Leiden in der Haft zu erklären.[41] Der frühere Chauffeur Bergoglios bezeugte im selben Prozess dessen Engagement für den Jesuitenorden gegenüber Massera.[48] Der ermittelnde Richter German Castelli folgerte, Bergoglio habe sich juristisch nicht strafbar gemacht. Historiker weisen auf bisher fehlende Akteneinsicht zur Zeit der Militärdiktatur hin.[49]
Ein Austrittsgesuch von Jalics aus dem Jesuitenorden hält dessen Familie für unglaubwürdig.[36] Laut dem Jesuitenorden (15. März 2013) wurden die beiden Jesuiten nie ausgeschlossen; Yorio sei nach seiner Freilassung freiwillig ausgetreten.[50] Jalics erklärte am 15. März 2013: Welche Rolle Bergoglio beim Zustandekommen der fünfmonatigen Haft gehabt habe, könne er nicht sagen. Nach 1998 habe er sich mit ihm ausgesprochen und bei einer Messe versöhnt. Er betrachte den Vorfall als abgeschlossen.[51] Am 20. März ergänzte er: Bergoglio habe sie damals nicht angezeigt. Man habe sie damals nicht wegen einer Denunziation festgenommen, sondern wegen falscher Informationen in „kirchlichen Kreisen“, dass sie zur Guerilla gehört hätten, und wegen ihrer Kontakte zu einer Katechetin, die sich der Guerilla angeschlossen hatte.[52]
1979 beschied ein Beamter aus dem Außenministerium Argentiniens einen Antrag Bergoglios für Jalics, diesem einen neuen Pass auszustellen, negativ. Als Gründe nannte er Auskünfte Bergoglios, wonach die Gemeinde im Armenviertel im Februar 1976 aufgelöst worden und Jalics wegen Kontakten zur Guerilla im Gefängnis ESMA inhaftiert gewesen sei. Bergoglio habe empfohlen, den abgelaufenen Pass von Jalics nicht zu verlängern.[53] Verbitsky veröffentlichte das Dokument 2010 als Beleg für ein „Doppelspiel“ Bergoglios. Dieser sagte im Prozess, er habe dem Beamten mitgeteilt, dass Jalics unschuldig verhaftet worden sei.[36] Laut Vatikanhistoriker Matteo Luigi Napolitano (20. März 2013) belegt die Beamtennotiz von 1979 nicht, dass Bergoglio Jalics bei der Regierung als „subversiv“ denunzierte, sondern dass Jalics und Yorio aus dem Jesuitenorden austreten wollten.[54]
Weitere Vorwürfe
In seinem Buch El Silencio von 2005 warf Verbitsky Bergoglio auch vor, dieser habe vom systematischen Raub von Neugeborenen gewusst, aber nichts dagegen getan. Bergoglio erhielt 2010 eine gerichtliche Aufforderung zur Zeugenaussage, was er über den Raub von 500 Kindern verschwundener Regimegegner gewusst habe. Er antwortete schriftlich: Er habe sich erst Ende der 1980er Jahre näher mit diesem Thema befasst und bis dahin nichts von massenhaftem Kindesraub gewusst.[55]
Im Mai 2011 fand in Argentinien ein Prozess gegen Militärangehörige statt, die wegen Entführungen Schwangerer, Kindesraubs und Mordes angeklagt waren. Die Zeugin der Anklage Estela de la Cuadra legte einen Brief Bergoglios von 1977 vor: Der Absender war von Arrupe beauftragt worden, Cuadras’ entführte Schwester und deren in Haft geborenes Kind ausfindig zu machen. Er hatte daraufhin einen anderen Bischof dazu um Hilfe gebeten. Cuadra warf ihm vor, er müsse demnach schon 1977 von massenhaftem Kindesraub gewusst haben, sei aber inaktiv geblieben und habe sein damaliges Wissen später geleugnet.[55] Cuadra erhielt diese Vorwürfe nach der Papstwahl 2013 aufrecht.[56]
2011 beantragte ein französisches Gericht bei argentinischen Justizbehörden, Bergoglio als Zeugen zum Fall der ermordeten Priester Gabriel Longueville und Carlos Murias vorladen zu dürfen. Beide waren am 17. Juli 1976 entführt, gefoltert und am Folgetag erschossen aufgefunden worden. Bergoglio sollte Kenntnisse über etwaige Archivdokumente der Kirche zu dem Fall aufdecken. Er äußerte sich nicht dazu. Das Gesuch blieb bisher unbeantwortet.[57] Ebenfalls 2011 wurde bekannt, dass Bergoglio die Seligsprechung dieser ermordeten Priester und weiterer Mordopfer der Junta von 1976 auch gegenüber konservativen Bischofskollegen vorantrieb.[58]
2005 hatte Verbitsky als Beispiel für kirchliche Zusammenarbeit mit der Junta angeführt, dass die Marine Argentiniens 60 Gefangene der ESMA vor einem Besuch einer interamerikanischen Menschenrechtskommission in einer Villa bei Buenos Aires versteckt hatte. Ein britischer Medienbericht von 2011 behauptete, die Villa sei Bergoglios Ferienhaus gewesen; er habe das Versteck arrangiert.[59] Daraufhin gab Bergoglio Verbitsky einen präzisen Hinweis auf Prozessakten, aus denen hervorging, dass die Villa dem damaligen Erzbischof Aramburu gehört hatte und von diesem genutzt worden war. Am 14. März 2013 gab Verbitsky dies bekannt und betonte: Bergoglio habe ihm entscheidend dabei geholfen, den Vorgang aufzuklären.[60]
Positive Aussagen Verfolgter
- 2006 sagte Juan Luis Moyano, Bergoglio habe damals beim Militär für inhaftierte Jesuiten gekämpft.[61]
- Bei der Papstwahl 2013 wurden die Vorwürfe gegen ihn erneut öffentlich diskutiert. Der argentinische Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, den die Militärjunta verfolgt hatte, erklärte am 14. März, viele argentinische Bischöfe hätten sich vergeblich für inhaftierte Priester eingesetzt. Zwar seien manche Kirchenvertreter Komplizen der Diktatur gewesen, „aber Bergoglio nicht.“[62]
- Auch der Befreiungstheologe Leonardo Boff betonte: „Er hat viele gerettet und versteckt, die von der Militärdiktatur verfolgt wurden.“[63]
- Die Menschenrechtsaktivistin Graciela Fernández Meijide erklärte am 15. März 2013 in der Tageszeitung Clarín, bei ihrer Arbeit für eine argentinische Menschenrechtsorganisation habe sie Hunderte von Zeugenaussagen erhalten, aber niemand habe Bergoglio erwähnt.[64]
- Der Brite Robert Cox hatte 1976 als erster Journalist in Argentinien Verbrechen der Junta aufgedeckt, war deshalb 1977 selbst inhaftiert worden und hatte die Konflikte um Bergoglios Verhalten in Argentinien mitverfolgt. Er resümierte am 17. März 2013: Bergoglio sei in den 1970er Jahren weder Held noch Komplize gewesen. Er habe sich während der Diktatur nie gegen diese geäußert und erst später herausgestellt, dass er das Leben einiger Priester gerettet habe. Dieses Versagen werde ihm sicher als Papst bewusst bleiben.[65]
- Am 17. März 2013 betonte die Juristin Alicia Oliveira: „Als die Junta hinter mir her war, hat er sich auf meine Seite gestellt. Ich bin von Jorges Standfestigkeit überzeugt.“[66]
- Am 19. März 2013 sagte der Priester Miguel La Civita: Bergoglio habe ihn und weitere Mitarbeiter des Bischofs Enrique Angelelli 1976 nach dessen Ermordung durch Junta-Anhänger unter seinen Schutz gestellt und sie in einer von ihm geleiteten Jesuitenschule versteckt.[67]
- Am 22. März 2013 erklärte der spanische Priester Jose Luis Caravias: Er habe seit 1972 in den Slums von Buenos Aires gearbeitet. Bergoglio habe ihn 1976 vor Mordabsichten der Alianza Anticomunista Argentina gewarnt, so dass er die Stadt rechtzeitig habe verlassen können. So habe er sein Leben gerettet. Nach seiner Kenntnis habe Bergoglio durch seinen unermüdlichen Einsatz auch Jalics und Yorio gerettet.[68]
- Am 24. März 2013 bezeugte Gonzalo Mosca, ein früherer Gegner der Diktatur: Bergoglio habe ihm 1977 bei der Flucht über Argentinien nach Brasilien durch Planung des Grenzübertritts und Fahrerdienste geholfen.[69]
Bischof und Kardinal
Jorge Mario Kardinal Bergoglio (2008)
Am 20. Mai 1992 ernannte Papst Johannes Paul II. Bergoglio zum Weihbischof in Buenos Aires und Titularbischof von Auca. Am 27. Juni spendete ihm der Erzbischof von Buenos Aires Antonio Quarracino die Bischofsweihe. Mitkonsekratoren waren Emilio Ogñénovich, Bischof von Mercedes-Luján, und Ubaldo Calabresi, Apostolischer Nuntius in Argentinien.
Am 3. Juni 1997 wurde Bergoglio zum Koadjutorerzbischof von Buenos Aires ernannt. Nach dem Tod von Kardinal Quarracino am 28. Februar 1998 trat er dessen Nachfolge als Erzbischof von Buenos Aires an. Zugleich wurde er zum Ordinarius für die Gläubigen der Katholischen Ostkirchen in Argentinien ernannt. Laut Bergoglios damaligem Sprecher Federico Wals war die Erzdiözese in einen Finanzskandal verwickelt und verschuldet. Bergoglio habe ihre Aktienanteile bei einer insolventen Kreditbank verkauft und in gewöhnliche Konten bei zwei internationalen Banken transferiert.[70] Während seiner Zeit als Bischof in Buenos Aires gibt Bergoglio ein Gutachten über den pädophilen Ordenspriester Julio César Grassi SDB in Auftrag.[71]
1999 ließ Bergoglio den Leichnam des Priesters Carlos Mugica, der für die Armen eingetreten und 1974 bei einer Messe von der Alianza Anticomunista Argentina ermordet worden war, feierlich in dessen Elendsviertel überführen.[72] Er trat seit 2000 öfter bei Jahrestreffen der antimarxistischen, spirituellen Freiwilligenbewegung Comunione e Liberazione auf und warb für ein programmatisches Buch ihres Gründers Luigi Giussani. Deshalb galt er als dieser Bewegung nahestehend.[73]
Nach Aussage von Clelia Luro-Podesta (2013) besuchte Bergoglio 2001 als einziger katholischer Amtsträger Argentiniens ihren Mann, den ehemaligen Bischof Jerónimo José Podestá, als dieser im Sterben lag. Podesta war wegen seiner Befürwortung der Priesterehe und Frauenordination sowie seiner regimekritischen Haltung von allen kirchlichen Ämtern suspendiert worden.[74] Nach seinem Tod war Bergoglio wiederum der einzige argentinische Bischof, der Podestas Verdienste für die Kirche öffentlich würdigte.[75]
Als Erzbischof warb Bergoglio erfolgreich Priester für die Arbeit in den Armenvierteln von Buenos Aires an, ließ sie paarweise zusammenarbeiten und verdoppelte so die Zahl der dort seit etwa 1960 bestehenden katholischen Gemeinden auf 20. Er erschien oft unangemeldet in den Slums, initiierte Hilfsprojekte für Drogensüchtige und versuchte, sie vor Todesdrohungen von Drogendealern zu schützen.[76] Damit gewann er enorme Sympathien bei argentinischen Slumbewohnern.[77] In der Wirtschaftskrise Argentiniens von 2001, bei der etwa 40 Prozent der Bevölkerung verarmten, stellte Bergoglio die freie Marktwirtschaft und die zunehmende Globalisierung in Frage und rief die Politik dazu auf, Differenzen zugunsten eines sozialen Wiederaufbaus der Wirtschaft zurückzustellen. Er wurde für einen bescheidenen Lebensstil und Einsatz für die Armen bekannt.[78]
Papst Johannes Paul II. ernannte Bergoglio am 21. Februar 2001 zum Kardinal und nahm ihn als Kardinalpriester in das Kardinalskollegium auf (Titelkirche San Roberto Bellarmino).[79] Nach Berichten von 2002 untersagte Bergoglio Spendensammlungen in Buenos Aires für Reisekosten zu seiner Amtseinführung in Rom und forderte die Argentinier auf, zuhause zu bleiben und die bisherigen Spenden unter den Armen zu verteilen. Seitdem wurde er als möglicher Kandidat für das Papstamt betrachtet. Fragen danach wies er stets zurück.[80] In der römischen Kurie war er Mitglied der Kongregation für den Klerus, der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und der päpstlichen Kommission für Lateinamerika.[81] Im Konklave 2005 soll Bergoglio laut Tagebuchaufzeichnungen eines anonymen Kardinals im dritten Wahlgang 40 Stimmen erhalten haben.[82] Danach soll er auf die Kandidatur verzichtet und so die Wahl Joseph Ratzingers zum Papst ermöglicht haben.[83]
Seit 2001 hatte Bergoglio mehrere öffentliche Konflikte mit den Regierungen Argentiniens. 2001 kritisierte er einen gewaltsamen Polizeieinsatz gegen die Großmütter vom Plaza de Mayo. 2004 warf er Néstor Kirchner in einer Predigt „Exhibitionismus“ vor.[84] 2007 lehnte er die Einstellung staatlicher Hilfen für die Bauern ab. Er geißelte Korruption und fortschreitende Verarmung und traf sich mit prominenten Oppositionellen.[85]
Am 8. November 2005 wurde Bergoglio für drei Jahre zum Vorsitzenden der argentinischen Bischofskonferenz gewählt und am 11. November 2008 für weitere drei Jahre im Amt bestätigt. Bei der 5. Generalversammlung des CELAM, des Rats aller Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik, 2007 in Aparecida leitete er die Redaktionskommission zur Abfassung des Schlussdokuments.[86] Er bezeichnete dieses lehramtliche Dokument als „Evangelii nuntiandi Lateinamerikas“[87] und erklärte: „Wir leben im Teil der Welt mit der größten Ungleichheit, der am meisten gewachsen ist und das Elend am wenigsten verringert hat. Die ungerechte Verteilung der Güter dauert an und hat eine Situation der sozialen Sünde entstehen lassen, die zum Himmel schreit und die Möglichkeiten eines erfüllteren Lebens für so viele unserer Brüder begrenzt.“[88] Seit 2008 arbeitete Bergoglio mit Fundacion Alameida zusammen, einer Hilfsorganisation für von Menschenhandel und Zwangsprostitution bedrohte Frauen. Mehrfach klagte er Polizei und Justiz von Buenos Aires öffentlich der Korruption an.[89]
Bei Gedenkfeiern zum Falklandkrieg von 1982 vertrat Bergoglio 2009 und 2012 die Auffassung seines Staates, dass die unter britischer Hoheit stehenden Falklandinseln rechtmäßig zu Argentinien gehörten. Er nannte sie gegenüber Angehörigen gefallener Soldaten „unser Land“ und „Heimatland“, das „usurpiert“ worden sei.[90]
2010 kritisierte Bergoglio das Verlagern von Unternehmensgewinnen ins Ausland als Sünde. Sowohl Kapitalismus als auch Kommunismus bewirkten eine Herrschaft des Geldes, der Vetternwirtschaft und des Hedonismus. Hilfe für die Armen sollte nicht institutionalisiert, sondern durch persönliche Kontakte gegeben werden. Nächstenliebe werde oft instrumentalisiert. Am besten sei Hilfe von Armen für Arme.[91]
Papst Franziskus mit der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner bei einer Audienz am 18. März 2013
2010 beschloss die argentinische Regierung unter Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die gesetzliche Erlaubnis der gleichgeschlechtlichen Ehe. Bergoglio sah darin „echten und bitteren anthropologischen Rückfall“[92] und erklärte gegenüber kirchlichen Kreisen, es sei „eine destruktive Anmaßung gegen den Plan Gottes“ und „eine Intrige vom Vater der Lügen, welche die Kinder Gottes zu verwirren oder zu täuschen versucht“.[93] Kirchner fühlte sich dadurch an das „Mittelalter und die Inquisition“ erinnert.[94] Bergoglio bejahte stattdessen eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft und schlug den argentinischen Bischöfen kurz vor der Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes überraschend vor, der Regierung dieses Kompromissangebot zu machen. Die Bischöfe lehnten es jedoch mehrheitlich ab. Das war die einzige Abstimmungsniederlage Bergoglios als Leiter der Bischofskonferenz.[95]
Im selben Jahr räumte Bergoglio als Sprecher der Bischöfe Argentiniens erstmals „Fehler“ während der Militärdiktatur ein und kritisierte die gegenseitige Gewalt der Junta und ihrer politischen Gegner.[96] Ebenfalls 2012 kritisierte er Priester, die alleinstehenden Müttern die Taufe ihrer Kinder verweigerten. Sakramente dürften nicht benutzt werden, um verletzbare Menschen auszugrenzen, weil sie angeblich dogmatische oder moralische Bedingungen nicht erfüllten. Das widerspreche der Menschwerdung und Lebensweise Jesu Christi. Die Kirche sei keine Nichtregierungsorganisation oder Abteilung einer multinationalen Firma; dieser „Neoklerikalismus“ sei zu beenden.[97]
Kardinalswappen von Jorge Mario Kardinal Bergoglio
2006 soll Guillermo Marco, der damalige Sprecher Bergoglios, in einem Interview das Papstzitat von Regensburg kritisiert haben: „Sobald man auf doktrinären Differenzen besteht, kommt es zwangsläufig zur Konfrontation. Als Papst Benedikt sich auf das Feld einer Diskussion über die Wahrheit begab, wurde seine Erklärung unglücklich, egal ob sie richtig oder falsch war.“ Diese Kritik soll im Vatikan Empörung und Rufe nach einer Absetzung Bergoglios als Kardinal ausgelöst haben.[98] Bergoglio soll daraufhin eine geplante Reise zum Vatikan kurzfristig abgesagt haben.[99] Nach Bergoglios Wahl zum Papst behauptete eine britische Zeitung, er habe durch seinen Sprecher kritisiert: Die Aussage Benedikts sei geeignet, die von Papst Johannes Paul II. in 20 Jahren sorgfältig aufgebaute Beziehung zum Islam in 20 Sekunden zu zerstören. Mit der Emeritierung eines anderen argentinischen Erzbischofs habe der Vatikan Bergoglios Absetzung angedroht.[100]
Wahl zum Papst
Konklave 2013
Papst Franziskus nach der Verkündigung des Habemus Papam auf der Benediktionsloggia des Petersdomes, 13. März 2013
Nachdem Papst Benedikt XVI. am 28. Februar 2013 auf sein Amt verzichtet hatte, begann am 12. März das Konklave, an dem 115 Kardinäle teilnahmen. Bergoglios Wahlchance galt wegen seines Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit als gering.[83] Doch am zweiten Tag des Konklaves erhielt er im fünften Wahlgang die nötige Zweidrittelmehrheit und wurde zum 266. Nachfolger Petri gewählt.[101]
Franziskus wurde somit zum ersten nicht in Europa geborenen Papst seit Gregor III. (amtierte 731–741).[102] Zudem wurde mit ihm erstmals ein Jesuit und damit 167 Jahre nach dem Tod des Kamaldulensers Gregor XVI. (amtierte 1831–1846) wieder ein Ordensangehöriger Papst.[103] Dies werteten Beobachter als bedeutsam, da Päpste im Hochmittelalter häufiger aus großen katholischen Männerorden stammten, aber heute nur noch knapp 15 Prozent der Kardinäle einem Orden angehören.[104]
Name
Bergoglio nahm als erster Papst den lateinischen Papstnamen Franciscus an. Laut Vatikansprecher Federico Lombardi ist die nachgestellte Ordnungszahl I., anders als bei Johannes Paul I., so lange nicht zu verwenden, bis ein weiterer Papst diesen Namen wählt.[105] Es ist das erste Mal seit 1100 Jahren (Papst Lando, 913, letzter Gegenpapst Albertus 1102), dass ein Papst einen Namen trägt, den noch kein Papst vor ihm verwendet hat. (Bei Johannes Paul I. wurden beide Namen bereits einzeln genutzt.)
Am 16. März 2013 erklärte der Papst, er habe sich nach Franz von Assisi benannt, weil Cláudio Hummes ihn nach seiner Wahl im Konklave gebeten habe: „Vergiss die Armen nicht!“ Franziskus sei für ihn der Mann der Armut, des Friedens, der die Schöpfung liebe und bewahre. Anzustreben sei eine „arme Kirche für die Armen“, ihre materielle Zurückhaltung und mehr Hilfe für Bedürftige. Das Verhältnis der Menschen zur Schöpfung sei „nicht sehr gut“.[106]
Der im Februar 2014 von Franziskus kreierte Kardinal Loris Francesco Capovilla verriet am 13. März 2014 in einem Interview mit der Zeitung Eco di Bergamo, dass Franziskus kurz nach seiner Wahl auch mit dem Gedanken gespielt habe, sich Johannes XXIV. zu nennen, in Erinnerung an Johannes XXIII., den Initiator des Zweiten Vatikanischen Konzils.[107] Auch hatte das Kardinalskollegium dem neu gewählten Papst andere Namen vorgeschlagen. So hätte er sich Hadrian VII. nennen können, in Erinnerung an Hadrian VI., ebenfalls ein Papst der Reformbestrebungen seiner Zeit. Eine weitere Option wäre der Papstname Clemens XV. gewesen. Der Name Clemens wäre für den Jesuiten Bergoglio eine Art „Rache“ gewesen, da Papst Clemens XIV. 1773 den Orden der Jesuiten verboten habe, und nun ein Jesuit Papst geworden sei.[108]
Wappen
Papstwappen von Franziskus
Wappen in den Vatikanischen Gärten
Franziskus greift auf die Grundform des Wappens Benedikts XVI. zurück, das anstelle der Tiara eine einfache bischöfliche Mitra zeigt. Sie ist ähnlich den Kronreifen der Tiara mit drei goldenen, in der Mitte vertikal miteinander verbundenen Bändern geschmückt. Sie stehen für die Einheit von Weiheamt, Jurisdiktion und Lehramt des Papstes in derselben Person.[109]
Der Schild trägt das Symbol der Jesuiten: eine goldene Sonne mit dem roten Christusmonogramm IHS, dessen H von einem roten Kreuz überragt wird.[110] Die drei schwarzen Nägel darunter symbolisieren die jesuitischen Ordensgelübde der freiwilligen Armut, ehelosen Keuschheit und des Gehorsams.[111]
Die weiteren Symbole gleichen denen des erzbischöflichen Wappens Bergoglios, jedoch mit einigen Unterschieden: Stern und Narden-Blüten sind golden statt silbern; der Stern ist acht- statt fünfzackig. Er symbolisiert Maria (Mutter Jesu), die Narde den heiligen Josef, den Schutzpatron der Kirche.[112] Diese vatikanische Deutung wurde vereinzelt bezweifelt und als Übersetzungsfehler erklärt; die vermeintliche Narde sei eine Tuberose.[113]
Anders als bei Benedikt enthält das Wappen kein Pallium, aber den Wahlspruch des Erzbischofs Bergoglio: Miserando atque eligendo („mit Erbarmen und Erwählen“). Er bezieht sich auf die Berufung des Matthäus und stammt aus einer Predigt des Beda Venerabilis.[114]
Amtseinführung
Am 15. März 2013 rief Franziskus das Kardinalskollegium im Apostolischen Palast mit „Liebe Brüder, los!“ zur brüderlichen, geeinten Verkündigung des Evangeliums auf: „Die christliche Wahrheit ist anziehend und gewinnend, denn sie antwortet auf die tiefen Bedürfnisse des menschlichen Daseins.“[115]
Beim Gottesdienst zur Amtseinführung am 19. März 2013 erhielt er den Fischerring und das Pallium als Zeichen des Petrusdienstes. In seiner Predigt betonte er: „Jesus hat an Petrus auch Macht verliehen. Aber um welche Macht handelt es sich da? […] Er muss das Volk behüten, beschützen, gerade die Armen, die Fremden, die Obdachlosen, die Nackten und die Kranken. Nur wer mit Liebe dient, kann behüten und beschützen.“ Er appellierte an die Verantwortungsträger in Wirtschaft und Politik: „Lasst uns ‚Hüter‘ der Schöpfung, des in die Natur hineingelegten Planes Gottes sein, Hüter des anderen, der Umwelt; lassen wir nicht zu, dass Zeichen der Zerstörung und des Todes den Weg dieser unserer Welt begleiten.“[116] Solidarität mit den Armen und Bewahrung der Schöpfung wurden als Hauptanliegen der Predigt berichtet.[117]
Teilnehmer waren ohne besondere vatikanische Einladung Vertreter von 180 Staaten, 33 anderen Kirchen und Konfessionen sowie weitere aus anderen Religionen.[118] Erstmals nahm mit Bartholomäus I. ein griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, der alle orientalischen Kirchen vertritt, an der Amtseinführung eines Papstes teil.[119]
Am 23. März 2013 traf sich Franziskus privat mit Benedikt XVI. in Castel Gandolfo. Gesprächsinhalte gaben sie nicht bekannt. Ein solches Päpstetreffen hatte es seit über 700 Jahren nicht gegeben.[120]
Pontifikat
Franziskus trat seit seinem Amtsantritt mit besonderen Anliegen, Verhalten und Positionen hervor. Er betont soziale Gerechtigkeit und hat eine Reform der Vatikanbank (Istituto per le Opere di Religione) eingeleitet, vertritt aber in Fragen der Sexualität die konservative Linie seiner Vorgänger.
Auftreten und Lebensweise
Franziskus gilt als bescheiden, aber auch als entschlossen und durchsetzungsstark.[121] Vor seiner Wahl zum Papst wurde er als „asketischer Mann Gottes“,[122] „eher stiller Intellektueller“,[123] „wortkarg und medienscheu“ und gegenüber der Tagespolitik distanziert beschrieben.[124]
Einige Verhaltensweisen von Franziskus nach seiner Wahl wurden als Zeichen von Demut, Abkehr vom Stil seines Vorgängers sowie der Absicht, ein Papst der Armen zu sein und die Kurie zu reformieren, gedeutet. Bei seinem ersten Auftritt auf der Benediktionsloggia des Petersdoms verzichtete er auf das Tragen von Stola und Mozetta, grüßte mit „Brüder und Schwestern, guten Abend“ und bat vor dem Segen Urbi et orbi: „Ehe der Bischof das Volk segnet, bitte ich euch, den Herrn anzurufen, dass er mich segne.“[125] Er benutzte nicht den vorgesehenen Mercedes mit Chauffeur, sondern einen Bus für die Fahrt zum Abendessen, setzte sich dabei nicht auf den Thronsessel, holte sein Gepäck in der Unterkunft, in der er vor dem Konklave übernachtet hatte, selbst ab, bezahlte sein Zimmer und ging zu Fuß zum Apostolischen Palast.[72]
Anstatt in den Apostolischen Palast umzuziehen, befindet sich seine Privatwohnung weiterhin im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Dort lädt er täglich Gäste zu einer Morgenandacht und einem gemeinsamen Frühstück ein, bevor er zu Fuß in den Palast geht. Die dortige Papstsuite soll für repräsentative Zwecke genutzt werden.[126][127] Eigenen Angaben zufolge möchte er wie seine Vorbilder Jesus und Franz von Assisi nicht als Hausherr gelten, sondern als einer, der nie ein eigenes Haus bewohne – als Gast. Nach seiner Wahl zum Papst erklärte Franziskus, dass er die Einsamkeit im Apostolischen Palast fürchte und lieber in Gemeinschaft lebe. Außerdem möchte er keine Verhaltensvorgaben der Kirchenverwaltung oktroyiert bekommen, die es im Palast gebe.[127] Als Papst bezieht Franziskus kein Gehalt. Seine Ausgaben werden von der Kirche gedeckt.[128]
Er trägt weiterhin das Brustkreuz aus Eisen aus seiner Kardinalszeit, nicht eins aus Edelmetall. Statt der päpstlichen roten Schuhe trägt er orthopädische schwarze Schuhe. Er ließ den von Papst Paul VI. eingeführten, zwischenzeitlich entfernten Volksaltar am 14. März 2013 wieder in der Sixtinischen Kapelle aufstellen[129] und feierte die Messe somit zur Gemeinde gewandt. Vor seiner Amtseinführung fuhr er im offenen Wagen über den Petersplatz.[130] Sein Fischerring besteht nicht aus Gold, sondern aus vergoldetem Silber.[131] Vor dem Empfang der akkreditierten Vatikanbotschafter am 22. März 2013 feierte er mit Reinigungskräften, Gärtnern und Angestellten des Vatikans eine Messe.[132] Er verzichtete mehrfach auf ein erst kurz vor seinem Amtsantritt mit kugelsicherem Panzerglas ausgestattetes Papamobil,[133] benutzte einen geschenkten gebrauchten Renault 4,[134] ruft per Telefon Briefschreiber an, besucht Obdachlose, nahm spontan einen Bekannten im Papamobil mit[135] und umarmte minutenlang einen unheilbar an Neurofibromatose leidenden Mann.[136] Im November 2014 ordnete er an, für die Obdachlosen auf den Straßen rund um den Petersplatz drei Duschen zu bauen. Anlässlich seines 78. Geburtstags ließ Papst Franziskus Hunderte Schlafsäcke an Obdachlose in Rom verteilen. Freiwillige Helfer, unter ihnen Mitglieder der Schweizergarde, verteilten demnach 300 mit dem Papst-Wappen bedruckte Schlafsäcke in der italienischen Hauptstadt.[137]
Des Weiteren gibt es als Ergänzung zu anderen Angeboten für Obdachlose, die Papst Franziskus ins Leben gerufen hat, seit Pfingsten 2020 einen Krankenwagen mit vatikanischem Autokennzeichen, der allein für Bedürftige rund um den Vatikan abgestellt ist.[138] Franziskus lud außerdem mehrfach Häftlinge zum Essen ins Gästehaus Santa Maria ein.[127][139]
Franziskus ist seit seiner Bischofszeit Ehrenmitglied des argentinischen Fußball-Erstligisten CA San Lorenzo de Almagro und seit 2014 des deutschen Fußball-Drittligisten TSV 1860 München.[140] Seine literarischen Vorlieben gelten Friedrich Hölderlin, Jorge Luis Borges und Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Er schätzt die Filme des italienischen Neorealismus.[141] Er mag die Oper und gilt als guter Schwimmer, Tangotänzer und Koch.[142]
Im Dezember 2023 wurde bekannt, dass Franziskus ohne große Zeremonien und außerhalb des Vatikans beerdigt werden möchte, und zwar wegen seiner Verehrung für Maria in der Basilika Santa Maria Maggiore, der größten der Gottesmutter gewidmeten Kirche in Rom.[143]
Bischof von Rom
Direkt nach seiner Papstwahl hob Franziskus mit dem Satz „Die Diözese Rom hat nun ihren Bischof“ sein Amt als „Bischof von Rom“ hervor, das er zugleich mit dem Papstamt bekleidet und das dieses kirchenrechtlich begründet.[144] Er unterstrich dies durch eine Fürbitte in Santa Maria Maggiore in der römischen Innenstadt.[145]
Am 8. April 2013 nahm er die Lateranbasilika, seinen Bischofssitz, mit dem Kreuzstab Pauls VI. in Besitz, den Benedikt XVI. seit 2008 nicht mehr verwendet hatte.[146] Dabei ließ er sich als Nachfolger Petri begrüßen, der alle Brüder in der Glaubenswahrheit stärke, in „Liebe“ allen Kirchen vorsitze und mit „sicherer Sanftheit“ alle auf den Weg der Heiligkeit führe. Er sprach das Hochgebet in der Ortssprache Italienisch. Dies wurde als sein Selbstverständnis gedeutet, Macht und Lehrautorität anders als frühere Päpste, aber ähnlich wie Paul VI. nicht in den Vordergrund zu rücken.[147] Franziskus stellt den Primat des Papstes jedoch nicht in Frage: Er verstehe sich nicht als erster Bischof unter Gleichen (primus inter pares), wolle aber mit dem Titel „Bischof von Rom“ die Ökumene fördern.[148]
Am 23. Mai 2013 bestätigte er den von Benedikt XVI. ernannten Kardinal Agostino Vallini als Kardinalvikar der Diözese Rom.[149] Am 28. September 2013 setzte er einen achtköpfigen „Kardinalsrat“ ein, der ihm bei der „Regierung der Weltkirche“ helfen und mit ihm ein „Revisionsprojekt für die apostolische Konstitution Pastor Bonus über die römische Kurie“ ausarbeiten solle.[150] Der Kardinalsrat unter Leitung von Óscar Rodríguez Maradiaga tagte erstmals vom 1. bis 3. Oktober 2013.[151] Am 31. August 2013 nahm Franziskus das Rücktrittsgesuch des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone zum 16. Oktober 2013 an und ernannte den Vatikandiplomaten Pietro Parolin zu dessen Nachfolger.
Reformen im Vatikan
Am 20. April 2013 kürzte Franziskus den Jahreszuschuss für die fünf Kardinäle, die das Istituto per le Opere di Religione (IOR, „Vatikanbank“) verwalten, und Sondergratifikationen für Vatikanangestellte zum Pontifikatswechsel. Der eingesparte Betrag soll für soziale Projekte verwendet werden.[152] Er entließ den wegen Geldwäsche– und Korruptionsverdachts verhafteten Leiter der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls, Nunzio Scarano, ersetzte den zurückgetretenen Chef des IOR Paolo Cipriani übergangsweise durch Ernst von Freyberg und setzte eine Kommission ein, die die Bank bis Oktober 2013 reformieren sollte.[153] Das Finanzberatungsunternehmen Promontory Financial Group wurde beauftragt, eine umfassende Untersuchung aller Kundenkontakte des IOR auf Geldwäsche durchzuführen.[154] Anfang August 2013 stellte der Staatsanwalt des Heiligen Stuhls wegen dieser Geldwäscheaffäre zum ersten Mal in der Geschichte ein Rechtshilfeersuchen an die Republik Italien.[155]
Im Januar 2014 beendete Franziskus die Vergabe der päpstlichen Ehrentitel Apostolischer Protonotar und Ehrenprälat Seiner Heiligkeit, die er seit seiner Wahl zum Papst ausgesetzt hatte. Zudem begrenzte er die Vergabe des Titels Ehrenkaplan Seiner Heiligkeit bzw. Monsignore auf verdiente, mindestens 65 Jahre alte Geistliche. Die bereits vergebenen Titel blieben erhalten.[156]
Am 24. Februar 2014 ließ Franziskus einen fünfzehnköpfigen, von einem Kardinal geleiteten „Wirtschaftsrat“ für die finanziellen und administrativen Aktivitäten der Kurie, des Heiligen Stuhls und der Vatikanstadt sowie ein ihm direkt unterstelltes „Wirtschaftssekretariat“ zu dessen Kontrolle einrichten. Zudem kündigte er die Ernennung eines „Generalrevisors“ an, der die Rechnungsprüfung des Wirtschaftsrates durchzuführen habe.[157]
Mit der Einrichtung des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben zum 1. September 2016 sowie des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen zum 1. Januar 2017 löste Franziskus insgesamt sechs vorher bestehende päpstliche Räte auf. Ihre Aufgabenbereiche wurden in die neuen Dikasterien eingegliedert.[158][159]
Am 19. März 2022 veröffentlichte Franziskus die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium, die am Pfingstsonntag, 5. Juni 2022 in Kraft trat. Sie regelt die Struktur der Kurie, darunter die Zuschnitte der Dikasterien, Justiz- und Wirtschaftsorgane sowie der Büros des Heiligens Stuhls und ersetzt die seit 1988 geltende Apostolische Konstitution Pastor Bonus. Die Dikasterien können künftig auch von Laien beiderlei Geschlechts geleitet werden.[160]
Im Jahr 2023 setzte Franziskus der vier Jahrzehnte langen, ab 1981 bestandenen, konservativen Führung des Dikasteriums für die Glaubenslehre ein Ende, indem er den als liberal beschriebenen Víctor Fernández zum Präfekten des Dikasteriums ernannte. Laut Franziskus habe das Dikasterium in der Vergangenheit „unmoralische Methoden verwendet“ und zu sehr „mögliche Abweichungen von der Doktrin verfolgt“.[161][162]
Kirche
Franziskus kritisierte in der Generalkongregation vor dem Konklave „kirchliche Selbstbezogenheit“ und „theologischen Narzissmus“. Die Kirche habe das Evangelium zu verkündigen; Jesus Christus selbst bewege sie dazu. Die Evangelisierung setze „apostolischen Eifer“ und „kühne Redefreiheit“ voraus, damit die Kirche „aus sich selbst herausgeht“ bis an die „Grenzen menschlicher Existenz“: „die des Mysteriums der Sünde, des Schmerzes, der Ungerechtigkeit, der Ignoranz, der fehlenden religiösen Praxis, des Denkens und jeglichen Elends“. Eine egozentrische Kirche beanspruche „Jesus für ihr Eigenleben und lässt ihn nicht nach außen treten“. Eine Kirche, die glaube, dass sie schon das eigentliche Licht sei, höre auf, „das Geheimnis des Lichts“ zu sein, und lebe nur noch, „um die einen oder anderen zu beweihräuchern“.[163] Am 17. März 2013 bekräftigte er: „Ich möchte eine arme Kirche für die Armen.“ Die Kirche sei aber nicht politisch, sondern im Kern spirituell.[164] Die Katholiken müssten missionarisch sein, sich auch um das Wohl der Menschen kümmern und „wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht“ zuerst die „sozialen Wunden“ heilen. Dies müsse durchgehend Vorrang vor engen sexualethischen Fragen erhalten. Die Gläubigen wollten Hirten, keine „Funktionäre oder Staatskleriker“: Dies wurde als Kritik an der Kurie und Reformabsicht an ihr verstanden.[165]
Als Kardinal hatte Bergoglio 2010 den Zölibat, die pflichtgemäße Ehelosigkeit katholischer Priester, nicht als Glaubensartikel, sondern als untergeordnete Norm bezeichnet. Er hielt eine Erlaubnis für regionale Ausnahmen vom Zölibat aus kulturellen Gründen für denkbar, schloss aber eine allgemeine Aufhebung aus.[166] Als Papst bekräftigte er im Juli 2013, dass er wie sein Vorgänger die Frauenordination ablehne. Er wolle aber die Rolle der Frauen in der Kirche theologisch stärken.[167] Am 8. Oktober 2013 berief er eine Bischofssynode zum Thema „pastorale Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung“ vom 5. bis 19. Oktober 2014 ein.[168]
Am 28. März 2014 beichtete Franziskus wie ein einfacher Gläubiger im Petersdom und nahm dann zusammen mit 60 anderen Priestern Gläubigen die Beichte ab. In einer Predigt ermutigte er die Katholiken angesichts der rückläufigen Beichtpraxis zur regelmäßigen Beichte und mahnte die Priester, ihre Rolle zur Heilung und Lossprechung wahrzunehmen und Hemmnisse ihnen gegenüber abzubauen.[169]
Am 27. April 2014 erhob Franziskus auf dem Petersplatz in Rom seine Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul II. zur Ehre der Altäre. Er würdigte Johannes XXIII. für seinen Mut, das Zweite Vatikanische Konzil durchzusetzen, und Johannes Paul II. als „Papst der Familie“. Beide hätten die „Kirche entsprechend ihrer ursprünglichen Gestalt“ wiederhergestellt und aktualisiert.[170]
Am 13. März 2015 kündigte Franziskus ein außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit an, das vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 gefeiert wurde.[171]
Franziskus hat die kirchliche Mitwirkung an Hexenverfolgungen und Ketzerverbrennungen als Unrecht angeprangert.[172][173] Oft seien in der Geschichte Menschen getötet und verurteilt worden, „obwohl sie unschuldig waren: verurteilt mit dem Wort Gottes gegen das Wort Gottes“, sagte er am Montag in seiner Morgenmesse am 11. April 2016 im Vatikan. Die Beschuldigten seien verbrannt worden, weil sie sich nach Meinung der Richter nicht dem Wort Gottes anpassten.
Vom 21. bis 24. Februar 2019 hatte Papst Franziskus erstmals[174] alle Vorsitzenden der 114 Bischofskonferenzen weltweit und weitere rund 70 Teilnehmer[174] zu einer Konferenz über den sexuellen Missbrauch in der Kirche einberufen. Zweck des Treffens war es, das gemeinsame Bewusstsein dafür zu schärfen,[174] dass es sich bei sexuellem Missbrauch um ein Verbrechen[175] handelt. Zum Abschluss der viertägigen Konferenz sagte der Papst: „Kein Missbrauch darf jemals mehr vertuscht werden, wie dies in der Vergangenheit üblich war.“[176]
Im Oktober 2021 eröffnet Franziskus eine bis 2024 stattfindende Weltbischofssynode.[177]
Im Konsistorium am 27. August 2022 ernannte Franziskus nach Einschätzung von Journalisten „reformorientierte“ Bischöfe zu Kardinälen; bei der Auswahl der Bischöfe habe Franziskus außerdem Wert darauf gelegt, dass die römisch-katholische Kirche durch die Ernennungen internationaler wird. So ernannte Franziskus erstmals Bischöfe aus vergleichsweise kleinen römisch-katholischen Diözesen in Ost-Timor, Paraguay, Singapur und Korea zu Kardinälen, dazu den Apostolischen Präfekten von Ulaanbaatar (Mongolei). Mit der Ernennung im August 2022 hat Franziskus einen Großteil der papstwahlberechtigten (unter 80-jährigen) Kardinäle selbst ernannt.[178]
Am 3. September 2022 nahm Franziskus personelle Änderungen in der Führung des Malteserordens vor.[179]
Im November 2022 fand der turnusmäßige Ad-limina-Besuch der etwa 70 deutschen Bischöfe und Kardinäle statt.[180] Zuvor hatte er die Reformideen der deutschen Katholiken ablehnend kommentiert: „Deutschland hat bereits eine große evangelische Kirche, ich möchte keine weitere.“[181]
Im November 2022 entband Franziskus die gesamte Führungsebene von Caritas Internationalis von deren Aufgaben und setzte eine kommissarische Leitung an die Spitze der Hilfsorganisation. Als Begründung seines Dekrets wurde angegeben, Managementnormen und -verfahren verbessern zu wollen.[182][183]
Franziskus hat 2022 die Personalprälatur Opus Dei herabgestuft, indem sie dem Dikasterium für den Klerus unterstellt und die Überarbeitung der Statuten angeordnet wurde. Ihr Leiter erhält künftig keine Bischofsweihe mehr. Auch darf Opus Dei seine Arbeit in den Diözesen nicht mehr ohne die Zustimmung des dortigen Bischofs aufnehmen.[184]
Staat
Franziskus bejaht eine Laizität des Staates, sofern dieser sich nicht feindlich gegenüber der Religiosität verhalte und Religionen nicht aus dem sozialen Bereich ausschließe.[185] Staatliche Laizität begünstige das friedliche Miteinander der Religionen, wenn der Staat die religiöse Dimension in der Gesellschaft achte und ihre konkreten Äußerungen fördere, ohne sich mit einer bestimmten Konfession zu identifizieren.[186]
Armut und soziale Gerechtigkeit
Wegen seines jahrzehntelangen Eintretens für die Armen erwarteten Befreiungstheologen, Vertreter kirchlicher Hilfswerke und Historiker von Franziskus erhebliche Kirchenreformen, starke Solidarität mit Randgruppen und eine scharfe Kritik am neoliberalen Wirtschaftsmodell.[187] Er sei aber „kein Vertreter einer Strömung, die tiefgreifende Veränderungen der sozialen Strukturen vorantreiben möchte“.[188]
Im Juli 2013 besuchte Franziskus bei seiner ersten Fernreise und als erster Papst die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa und das dortige Aufnahmelager für Armutsflüchtlinge aus Afrika. Er bat um Vergebung für die im Jahresdurchschnitt 1500 bei Überfahrten ertrunkenen Bootsflüchtlinge und kritisierte die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gegenüber diesem Elend.[189]
Beim Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro rief er in einer Favela zur Überwindung von sozialer Ausgrenzung auf, lehnte die Legalisierung von Drogen ab und kritisierte Polizeieinsätze zur gewaltsamen Befriedung von Protesten.[190] In Gottesdiensten rief er kirchliche Amtsträger mit einem Zitat Mutter Teresas dazu auf, „Christus in den Armen zu dienen“, Elendsviertel aufzusuchen, Jugendliche einzuladen, Christus auch an den Rändern der Gesellschaft zu folgen und eine „Kultur der Begegnung“ statt der von „Wegwerfmentalität“ geprägten Kultur aufzubauen.[191] Die Jugend rief er dazu auf, sich einzumischen, als christliche Antwort auf die sozialen und politischen Unruhen eine gerechte, solidarische Welt zu bauen und dazu notfalls auch in ihren Diözesen für Unruhe zu sorgen.[192]
Am 4. Oktober 2013 besuchte Franziskus Assisi. Im Bischofshaus forderte er im Beisein des Kardinalrats von der Kirche, wie Franz von Assisi einen „Weg der Armut“ zu gehen. Nicht zum Verzicht bereite Gläubige seien „Zuckerbäcker-Christen mit schönen Torten, aber keine wahren Christen“. Die Kirche müsse alles Handeln unterlassen, das nicht „für Gott und von Gott“ sei, also Angst loswerden, Tore öffnen und den Ärmsten begegnen. Er erinnerte dabei auch an den Einsatz von Bischof Giuseppe Placido Nicolini für verfolgte Juden Assisis in der NS-Zeit. Vor 50.000 Besuchern, darunter dem italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta, erinnerte er: Die Begegnung mit Jesus habe Franz von Assisi zur Aufgabe seines „gutsituierten Lebens ohne Sorgen“ gebracht, um radikal „Christus nachzuahmen“. Sein Friede sei „keine Gefühlsduselei“ und keine pantheistische Harmonie. Er bat um ein Ende aller bewaffneten Konflikte und forderte dazu auf, die Schreie der Leidenden und Sterbenden, etwa im Nahen Osten, zu hören.[193]
In seinem Lehrschreiben Evangelii Gaudium (Abschnitte 53–60) entfaltete Franziskus eine Kritik der gegenwärtigen freien Marktwirtschaft: „Diese Wirtschaft tötet.“ Gemäß Gottes Gebot „Du sollst nicht töten“ müsse die Kirche dem Grenzen setzen: „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung“, „Nein zur neuen Vergötterung des Geldes“, „Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen“, „Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt“. Die Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und das „Gesetz des Stärkeren“ hätten große Bevölkerungsanteile von Arbeit und Lebensperspektiven ausgeschlossen. Der Mensch werde nur noch als Konsumgut behandelt und daher nicht bloß ausgebeutet und unterdrückt, sondern wie Müll weggeworfen. Die „Überlauf“-Theorie, wonach Wirtschaftswachstum von allein mehr Gleichheit und soziale Einbindung bewirke, sei empirisch nie bestätigt worden. Die entstandene „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ mache unfähig zum Mitgefühl gegenüber dem Leiden anderer und zur Fürsorge. Die tiefste Ursache der gegenwärtigen Finanzkrise sei, dass die Vorherrschaft des Geldes akzeptiert und der Vorrang des Menschen geleugnet werde. Ideologien, die die absolute Autonomie der Märkte und Finanzspekulation verteidigen und jede staatliche Kontrolle ablehnten, hätten eine wachsende Kluft zwischen den Einkommen und eine neue unsichtbare Tyrannei erzeugt. Schulden, deren Zinsen, Korruption und Steuerhinterziehung hätten weltweite Ausmaße angenommen. In diesem System sei „alles Schwache wie die Umwelt wehrlos gegenüber den Interessen des vergötterten Marktes, die zur absoluten Regel werden.“ Dahinter stehe die Ablehnung Gottes, weil Gott nicht von den Marktgesetzen kontrollierbar und manipulierbar sei, „da er den Menschen zu seiner vollen Verwirklichung ruft und zur Unabhängigkeit von jeder Art von Unterjochung“. Die ökonomisch erzeugte soziale Ungleichheit bewirke ihrerseits Gewalt, „weil das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht ist“: „Das in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen kristallisierte Böse ist der Grund, warum man sich keine bessere Zukunft erwarten kann.“[194] Diese Passagen lösten eine Debatte in einigen westlichen Gesellschaften aus.[195]
Franziskus hat sich, genauso wie Johannes Paul II., offen gegen die Mafia gestellt. Bei einem Besuch in Kalabrien im März 2014 hat er gegen Italiens Mafiosi ein Zeichen gesetzt.[196] Im Juni 2014 bekräftigte Franziskus erneut seine diesbezügliche Haltung mit markanten Worten.[197]
Umwelt, Klima und Bewahrung der Schöpfung
Zum Weltumwelttag der Vereinten Nationen am 5. Juni 2013 appellierte Franziskus, der „Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln Einhalt zu gewähren“.[198] Er kritisierte die allgemeine Denkweise der „Wegwerfkultur“ und die Macht des Geldes – nicht der Mensch, sondern das Geld regiert. Er appellierte, der Kultur des Verschwendens und Wegwerfens entgegenzuwirken.[199] In einer Rede vor brasilianischen Verantwortungsträgern aus Politik und Gesellschaft rief Franziskus im Juli 2013 zum Schutz des Amazonas auf.[200]
Am 18. Juni 2015 veröffentlichte der Vatikan die Enzyklika Laudato si’,[201] die sich maßgeblich mit dem Umwelt- und Klimaschutz befasst sowie mit Problemen, die durch Ignorieren ökologischer Zusammenhänge verschärft werden wie sozialer Ungerechtigkeit oder Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse nannte er den Menschen als Hauptverursacher der globalen Erwärmung und vieler weiterer Umweltprobleme. Er forderte einen Ausstieg aus der Nutzung Fossiler Energieträger, insbesondere Kohle und Erdöl, und erklärte die Energiewende, d. h. den Übergang zu nachhaltigen Energiegewinnung in Form von erneuerbaren Energien, zu einer moralischen Notwendigkeit. Zugleich sprach er sich gegen marktbasierte Klimaschutzinstrumente wie den Emissionsrechtehandel aus, da er sie für ungeeignet hält, den grundlegenden Wandel zu bewirken, den die gegenwärtigen Probleme erforderten. Zudem kritisiert er die Plünderung von wertvollen Ressourcen für wirtschaftliche Tätigkeiten und kritisiert den hierdurch verursachten Verlust an Biodiversität, wodurch Spezies und ihre Gene, die in Zukunft wertvolle Ressourcen z. B. für medizinische Zwecke darstellen könnten, unwiederbringlich verloren gingen.[202]
Im September 2017, kurz nachdem die Hurrikans Irma und Harvey große Verwüstungen in der Karibik und den USA verursacht hatten, kritisierte Franziskus Leugner des menschengemachten Klimawandels. Klimawandelleugner sollten „bitte zu den Wissenschaftlern gehen und sich bei ihnen informieren“, diese würden sich „sehr klar und präzise“ ausdrücken. Zudem äußerte er, man müsse schon „dumm“ und „stur“ sein, um den Klimawandel zu leugnen, was als indirekte Anspielung auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump interpretiert wurde.[203]
Im Juni 2019 hat Franziskus den globalen „Klimanotstand“ ausgerufen und erklärt, dass ein Versäumnis zur Treibhausgas-Reduzierung beizutragen, „ein brutaler Akt der Ungerechtigkeit gegenüber den Armen und künftigen Generationen“ wäre.[204]
In einem Fernsehinterview forderte Franziskus im Februar 2022 den Stopp der Vermüllung der Ozeane und berichtete von italienischen Fischern, die ihn auf dieses Problem hingewiesen hätten.[205]
Franziskus veröffentlichte im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Dubai 2023 das Apostolische Schreiben Laudate Deum, in welchem er sich gegen die Klimawandelleugnung und für eine wirksame Bekämpfung der Klimakrise ausspricht.[206] Anfang November 2023 kündigte er seine Teilnahme an der Weltklimakonferenz an – als erster Papst.[207]
Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft
Franziskus ist prinzipieller Gegner des Schwangerschaftsabbruches.[208] Als Kardinal widersprach er 2012 öffentlich einem Urteil des obersten Gerichtshofs Argentiniens, das Schwangerschaftsabbrüche nach einer Vergewaltigung straffrei gestellt hatte, und entsprechenden Anschlussregelungen in Buenos Aires.[209] Er vertritt die katholische Unzulässigkeit des Gebrauchs von Methoden der künstlichen Verhütungsmittel. Nach einem Bericht soll er aber Präservative zur Verhinderung von epidemischen Krankheiten wie HIV ausnahmsweise erlauben (wie bereits Benedikt XVI.).[210]
Am 10. Oktober 2018 verglich Papst Franziskus während seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz den Schwangerschaftsabbruch mit einem Auftragsmord: „Einen Menschen zu beseitigen ist wie die Inanspruchnahme eines Auftragsmörders, um ein Problem zu lösen“, so der Papst.[211] Diese Meinung wiederholte er Anfang Juli 2022 nach dem Urteil des Supreme Court.[212]
Im Juni 2022 und bei einer Audienz zum neuen Jahr 2024 im Vatikan vor akkreditierten Botschaftern nannte Franziskus Leihmutterschaft unmenschlich bzw. verwerflich und forderte ein weltweites Verbot: „Ein Kind ist immer ein Geschenk und niemals ein Vertragsgegenstand. Ich plädiere daher dafür, dass sich die internationale Gemeinschaft für ein weltweites Verbot dieser Praxis einsetzt.“[213]
Sexualität
Franziskus setzt die Maßnahmen Benedikts XVI. gegen katholische Kleriker fort, die sexuellen Missbrauch begangen haben: Wie bisher sollen Priester unter den Tätern nicht nur versetzt, sondern aus dem kirchlichen Dienst entlassen werden. Dazu wies er den Präfekten der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller im April 2013 an.[214] Diese Linie hatte er schon 2012 vertreten.[215] Im Jahr 2014 setzte er die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen ein.[216]
Bergoglio war seit 2010 als strikter Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe[92] und Befürworter der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft[217] bekannt. Er lehnt die Adoption von Kindern durch homosexuelle Partner als „Diskriminierung“ dieser Kinder ab.[218] Im Juli 2013 erklärte er auf die Frage, wie er mit der „Gay-Lobby“ umgehen wolle: „Wenn einer Gay ist und den Herrn sucht und guten Willen hat – wer bin dann ich, ihn zu verurteilen?“ Nach dem Katechismus der Katholischen Kirche dürften solche Personen nie ausgegrenzt, sondern müssten in die Gesellschaft integriert werden; „sie sollen Brüder sein“. Nicht eine homosexuelle Neigung, sondern die Lobbybildung Homosexueller sei für ihn ein ernstes Problem. Lobbys seien schlecht.[167] Kenner erwarteten deshalb einen toleranteren Umgang der katholischen Kirche mit homosexuellen Priestern, aber keine Änderung der kirchlichen Lehre, wonach praktizierte Homosexualität Sünde sei.[219] Im März 2014 erklärte Franziskus, die Kirche müsse staatliche Regelungen im Hinblick auf homosexuelle Lebenspartnerschaften evaluieren (z. B. im Hinblick auf Krankenversicherung). Ihre Gleichstellung im Eherecht lehnte er weiterhin ab.[220]
Im September 2013 erklärte Franziskus: „Wir können uns nicht nur mit der Frage um den Schwangerschaftsabbruch befassen, mit homosexuellen Ehen, mit den Verhütungsmethoden. […] Die Kirche hat sich manchmal in kleine Dinge einschließen lassen, in kleine Vorschriften. Diener dieser Kirche sollten aber vor allem Diener der Barmherzigkeit sein.“ Damit betonte er den Vorrang sozialethischer vor sexualethischen Fragen in der Kirche.[165]
Während des Rückflugs von seiner Philippinen-Reise wurde der Papst unter anderem auf das Thema Kontrazeption angesprochen. Franziskus’ Antwort auf diese Frage lautete: „Einige glauben – entschuldigt den Ausdruck – dass wir, um gute Katholiken zu sein, wie die Kaninchen sein müssen. Nein. Verantwortliche Elternschaft, die muss man suchen. Und ich kenne viele erlaubte Methoden, die dabei geholfen haben.“[221]
Im Januar 2015 traf sich Franziskus in einer inoffiziellen Audienz als erster Papst mit einem Transmann, dem Spanier Diego Neria Lejárraga,[222][223] und kurze Zeit später auch mit einer von der Ordensschwester Jeannine Gramick geleiteten Pilgergruppe von ca. 50 amerikanischen homosexuellen Katholiken.[224][225][226]
Im Juni 2016 forderte Franziskus seine Kirche auf, sich für die Ausgrenzung und Diskriminierung Homosexueller zu entschuldigen.[227] Im Oktober 2016 erklärte er, Transgeschlechtliche dürften nicht ausgegrenzt werden, sie sollten „… von den Gemeinden integriert, begleitet und ‚näher zu Gott‘ geführt werden. … Genau das würde Jesus heutzutage tun.“[228] In dem im Oktober 2020 uraufgeführten Dokumentarfilm Francesco des Regisseurs Jewgeni Afinejewski über Leben und Wirken des Papstes sprach sich Franziskus für eingetragene Partnerschaften und die damit verbundene rechtliche Anerkennung und Absicherung homosexueller Paare aus: „Sie sind Kinder Gottes und haben das Recht auf eine Familie. Niemand sollte wegen so etwas ausgeschlossen oder unglücklich werden.“[229] Im Januar 2023 sprach sich der Papst gegen die Kriminalisierung von Homosexualität aus; die Kirche müsse sich für die Abschaffung von Gesetzen einsetzen, die Homosexualität kriminalisieren. Homosexualität sei keine Straftat. Man müsse zwischen Straftat und Sünde unterscheiden. Es sei jedoch auch Sünde, Nächstenliebe vermissen zu lassen.[230][231] Im Dezember 2023 genehmigte Franziskus einen Entscheid des Dikasteriums für die Glaubenslehre, die Segnung unverheirateter und homosexueller Paare außerhalb des Gottesdienstes zu erlauben.[232][233]
Ökumene und interreligiöser Dialog
Vor Vertretern anderer Kirchen und Religionen am 19. März 2013 bekräftigte Franziskus, er werde den ökumenischen und interreligiösen Dialog im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils fortsetzen. Die Anhänger aller Religionen könnten gemeinsam viel zur Bewahrung der Schöpfung, für die Armen und den Weltfrieden tun.[234]
Am 22. März 2013 betonte Franziskus gegenüber dem Diplomatischen Korps: Seine Kirche erstrebe das Wohl jedes Menschen, Hilfe für Notleidende in jedem Winkel der Erde. Die besonders in reichen Staaten verbreitete „Diktatur des Relativismus“ (Benedikt XVI.) gefährde das Zusammenleben. Ohne Wahrheit gebe es keinen Frieden, weil dann jeder nur sein Recht fordere, ohne sich um das gemeinsame Wohl allen Lebens zu kümmern. Er wolle durch den Dialog „Brücken zu Gott und zwischen den Menschen“ bauen, um Feindschaft und Konkurrenz durch Brüderlichkeit zu überwinden. Dafür sei der Dialog zwischen den Religionen, besonders mit dem Islam und Nichtgläubigen, zu verstärken.[235]
Beim 2013 stattgefundenen Empfang des Erzbischofs von Canterbury Justin Welby in Rom sprach der Papst von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Katholiken und Anglikanern, obwohl die Schwierigkeiten im ökumenischen Dialog größer geworden sind.[236] Zur nach Rom angereisten Delegation des Weltkirchenrats, angeführt von Olav Fykse Tveit, sprach Franziskus davon, dass die Trennung der Christen nicht einfach als historische Tatsache akzeptiert werden dürfe.[237]
Der erste Auslandsbesuch des Patriarchen von Alexandrien und koptisch-orthodoxen Papsts Tawadros II. führte 2013 in den Vatikan. Die beiden Kirchenoberhäupter würdigten den 40. Jahrestag der Konsenserklärung von 1973, mit der die rund 1500 Jahre währende gegenseitige Verurteilung von katholischen und koptischen Christen als Häretiker aufgehoben wurde.[238]
Anlässlich des Gedenkjahres „125 Jahre Utrechter Union“ empfing Papst Franziskus im Oktober 2014 die Bischofskonferenz der Altkatholischen Kirche unter Vorsitz des Erzbischofs von Utrecht Joris Vercammen in einer Privataudienz.[239] Der Heilige Vater hob in seiner Ansprache die Rolle der Internationalen Römisch-Katholisch – Altkatholischen Dialogkommission (IRAD) positiv hervor und rief dazu auf, dass Katholiken und Altkatholiken angesichts der spirituellen Krise in Europa vermehrt zusammenarbeiten sollten.[240]
Im November 2014 besuchte Papst Franziskus den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomeos I. anlässlich des Andreasfestes in dessen Istanbuler Amtssitz Phanar, im persönlichen Gespräch wurde die große Verbundenheit von katholischer und orthodoxer Kirche betont. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass seit der 1965 erfolgten Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikation große Fortschritte in der Verständigung erzielt werden konnten, wenngleich einige Themen noch nicht konsensfähig sind. In den laufenden Gesprächen der bilateralen Kommission gibt es unter anderem über die Frage des päpstlichen Primats unterschiedliche Ansichten.[241]
Der ehemalige Vorsitzende des Lutherischen Weltbundes Christian Krause überbrachte im November 2014 die persönliche Einladung zu den gemeinsamen Feiern des Reformationsjubiläums.[242] Ende 2014 lud der Papst erstmals die Heilsarmee in den Vatikan ein.[243]
Mit Papst Franziskus haben sich auch die Beziehungen zur Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) vertieft. Seit Beginn seiner Amtszeit hat sich Franziskus immer wieder mit Vertretern der WEA getroffen.[244] Der derzeitige Generalsekretär der WEA, Thomas Schirrmacher, gilt seit Amtsantritt des Papstes als enger Vertrauter und Freund des Papstes.[245]
Am 12. Februar 2016 traf sich Franziskus auf neutralem Boden (Flughafen von Havanna) mit dem Patriarchen von Moskau, Kyrill I. Es war die erste Begegnung der Oberhäupter beider Kirchen seit der Gründung des Moskauer Patriarchats 1589/90 bzw. seit dem Zusammentreffen von Papst Eugen IV. mit dem Moskauer Metropoliten Isidor von Kiew auf dem Konzil von Ferrara 1438/39.[246][247] Bei dem Treffen wurde eine Gemeinsame Erklärung abgegeben.[248] An jedem Jahrestag des historischen Treffens fand reihum ein Gedenken statt. Jeweils stand ein besonderer Aspekt im Mittelpunkt der Reflexion. Am fünften Jahrestag war es Die Kirche und die Pandemie.[249][250]
Am 9. März 2019 traf sich Franziskus mit dem Präsidenten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Russell M. Nelson, im Vatikan. Dies war das erste Treffen zwischen einem Präsidenten der HLT-Kirche und einem Papst in der Geschichte dieser beiden Kirchen.[251]
Judentum
Bergoglio pflegte als Erzbischof gute Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft in Argentinien. Nach Bombenanschlägen auf das Gebäude der Asociación Mutual Israelita Argentina (AMIA) 1994 unterzeichnete er als Erster eine Petition, die den Anschlag verurteilte und forderte, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Er nahm 2007 an den Feiern zum jüdischen Fest Rosch ha-Schana teil.[252] Er erlaubte der argentinischen Abteilung der jüdischen Organisation B’nai B’rith, ihre jährliche Gedenkfeier zur „Reichskristallnacht“ 1938 und zum Holocaust in katholischen Kirchen der Erzdiözese Buenos Aires abzuhalten. Bergoglio nahm wiederholt an diesen Feiern teil und trat am 12. November 2012 in der Kathedrale von Buenos Aires als Hauptredner dabei auf.[253]
Dem Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse Zusammenarbeit (IJCIC) sagte Franziskus am 24. Juni 2013, aufgrund der Wurzeln des Christentums im Judentum könne „kein Christ Antisemit sein“. Er bezog sich dabei auf die vatikanische Erklärung Nostra aetate von 1965, die Christen zur Bekämpfung des Antisemitismus verpflichtet. Er nannte diese einen „Schlüssel für die Beziehungen zum jüdischen Volk“. Die jüdische Delegation bat, die Heiligsprechung von Pius XII. (Papst von 1939 bis 1958) bis zur für 2014 erwarteten vollständigen Öffnung der Vatikanarchive für die NS-Zeit auszusetzen.[254]
Islam
Würdenträger des Islam in Argentinien begrüßten öffentlich Bergoglios Wahl zum Papst.[255] Bei seiner Amtseinführung würdigte Franziskus vor dem diplomatischen Corps am 22. März 2013 die vielen Vertreter der islamischen Welt.[256] Großscheich Ahmed el-Tayeb, Vertreter der Sunna, bot ihm am 26. März 2013 brieflich „volle Zusammenarbeit und Liebe“ an, „um gemeinsame Werte zu sichern und der Kultur des Hasses und der Ungleichheit ein Ende zu setzen“.[257]
Zum Ramadan 2013 sandte Franziskus den Muslimen eine Grußbotschaft, in der er zu einer Erziehung der Jugend beider Religionen zu gegenseitigem Respekt aufrief. Unfaire Kritik und Verleumdung, Lächerlichmachen und Herabsetzen seien überall zu vermeiden; man wisse, wie schmerzhaft dies für andere sei. So könne dauerhafte Freundschaft wachsen.[258]
In Evangelii gaudium (seinem ersten apostolischen Schreiben; promulgiert am 24. November 2013) betont Franziskus, der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Koran stünden jeder Gewalt entgegen.[259]
Am 4. Februar 2019 unterzeichneten der Papst und Ahmad al-Tayyib, der Scheich der Azhar, gemeinsam in Abu Dhabi das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt.[260] Im folgenden November traf man sich im Vatikan, um zu erörtern, wie die Ziele des Dokuments erreicht werden können.[261] Die päpstliche Enzyklika Fratelli tutti ist von dem Dokument der Brüderlichkeit inspiriert. Am 21. Dezember 2020 bestimmte eine Resolution der Vereinten Nationen den 4. Februar zum Internationalen Tag der menschlichen Geschwisterlichkeit.[262][263]
Im März 2021 traf sich Franziskus in Nadschaf mit dem bedeutendsten schiitischen Geistlichen im heutigen Irak, Ali as-Sistani. Sistani sagte nach dem Treffen, Christen sollten in Frieden leben und hätten gleiche Rechte wie alle anderen Iraker.[264] Franziskus’ Irakreise war die erste Reise eines Papstes dorthin.[264]
Todesstrafe
Im Juni 2016 verurteilte Franziskus die Todesstrafe unter jeglichen Umständen. Im Oktober 2017 setzte er sich für die ausnahmslose Ablehnung der Todesstrafe auch im Rahmen des Katechismus ein.[265] Dieser wurde am 2. August 2018 entsprechend geändert.[266]
Atomwaffen, Kernenergie und Krieg
Bei seiner Reise nach Japan im November 2019, wo er auch Hiroshima und Nagasaki besuchte, forderte er die weltweite Abschaffung von Kernwaffen, deren Besitz er für unmoralisch erklärte. Atomwaffen und andere Massenvernichtungsmittel seien keine geeignete Antwort auf den Wunsch nach Frieden; das Wettrüsten bezeichnete er als Vergeudung wertvoller Ressourcen, die stattdessen für Entwicklungsaufgaben und den Umweltschutz verwandt werden könnten.[267][268] In seiner Enzyklika Laudato si’ beurteilt Franziskus die Nutzung der Kernenergie als ein riskantes Projekt, das „zutiefst die Lebensqualität […] schädigen“ könne.[269] Der gefährliche Atommüll trage dazu bei, dass sich die Erde „immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie“ verwandle.[270] Bei einem Treffen mit Opfern der Atomkatastrophe in Fukushima äußerte er Sorge über die fortdauernde Nutzung der Kernenergie.[271]
Der russische Präsident Wladimir Putin wurde bis 2019 bereits dreimal von Franziskus zur Audienz empfangen.[272] Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 besuchte Franziskus die Russische Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom, was als „beispielloser Schritt“ bezeichnet wurde.[273] Franziskus telefonierte mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und brachte seine „Trauer“ zum Ausdruck, während der Vatikan versuche, „Raum für Verhandlungen“ zu finden.[274] „Der Heilige Stuhl ist bereit, alles zu tun, um sich in den Dienst des Friedens zu stellen“, sagte der Papst und kündigte an, Anfang März zwei hochrangige Kardinäle, den Leiter der Apostolischen Almosenverwaltung, Konrad Krajewski, und Michael Czerny, Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen mit Hilfsgütern in die Ukraine zu schicken.[275] Diese Mission, die mehrere Reisen umfasste,[276][277] wurde als höchst ungewöhnlicher Schritt der vatikanischen Diplomatie angesehen.[278] Am folgenden Hochfest Mariä Verkündigung (25. März) weihte Franziskus Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens, um beiden Ländern einen noch engeren Beistand der Mutter Jesu zuteilwerden zu lassen.[279] Widerspruch rief der Papst im Mai 2022 mit einem Interview der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera hervor, in dem er sagte, das „Bellen der Nato vor den Toren Russlands“ habe zu dem Krieg beigetragen. Er erklärte einen Monat später zu der Kontroverse, dass es sich bei dem umstrittenen Satz um ein Zitat gehandelt habe, er stamme von einem „weisen Staatschef“, dessen Namen er allerdings nicht nannte.[280] Am 2. Oktober 2022 appellierte Franziskus an Russlands Präsidenten Putin, »diese Spirale von Gewalt und Tod zu stoppen, auch zum Wohl seines Volkes«, und verurteilte die wenige Tage zuvor erfolgte Annexion der ukrainischen Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson durch Russland. Gleichzeitig appellierte der Papst an den ukrainischen Präsidenten Selenskyj, »für ernsthafte Friedensvorschläge offen zu sein«.[281]
Kontroversen
Den Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo im Januar 2015 verurteilte Franziskus,[282] zugleich wies er Satire über Religion in die Schranken: „Viele Menschen ziehen über Religion her, das kann passieren, hat aber Grenzen“, sagte Franziskus. Jede Religion habe eine Würde, über die man sich nicht lustig machen dürfe. Um die Grenzen der Meinungsfreiheit zu erläutern, nannte er als anschauliche Parallele die Beleidigung der eigenen Mutter.[283] Dies wurde als Angriff auf die Meinungsfreiheit gedeutet.[284] Der Chefredakteur von Charlie Hebdo, Gérard Biard, stufte die Äußerungen als eine Einschränkung der Pressefreiheit und Unsinn ein.[285] Alexander Kissler warf Franziskus in diesem Zusammenhang ein latentes Verständnis für die Attentäter vor: „Auf jeden Fall schwingt im Witz ein gerüttelt Maß Verständnis für die vermeintlichen Motive der Mörder mit (…).“[286]
Frauenordination
In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ bezeichnete er das „den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt“, als „eine Frage, die nicht zur Diskussion steht.“[287]
Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Querida Amazonia“ erklärte er wörtlich: „Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters.“[288] Damit schloss er – entgegen den Erwartungen mancher Kreise – die Weihe von Frauen zu Priesterinnen weiterhin aus, nachdem dieses Thema bei der Amazonas-Synode im Vorjahr zur Diskussion gestanden hatte.[289] Neben Zustimmung und Ratlosigkeit hat der Frauenausschluss vom Priesteramt in Querida Amazonia erhebliche Kritik ausgelöst.[290][291] Insbesondere im Hinblick auf das zugrunde liegende Frauenbild wird ihm „purer“ und „unerträglicher Paternalismus“ vorgeworfen, da er das „sakramentale Priestertum nur für Männer reserviert, um Frauen vor Klerikalismus zu schützen“.[292] Die Argumentation offenbare, wofür der Papst stünde, nämlich „für den inneren Widerspruch einer vormodernen Kirche in einer nachmodernen Welt“.[293] Die vom Papst geäußerte hohe Wertschätzung der Frauen sei ein „vergiftetes Lob“, das von vielen als „Verhöhnung“ empfunden werden könnte.[294]
Anfang April 2020 richtete er eine neue Studienkommission ein, welche die Möglichkeit der Zulassung von Frauen zum Diakonat erneut zu prüfen hat. Unter Leitung von Kardinal Giuseppe Petrocchi arbeiten zehn Mitglieder des Gremiums. Fünf der Kommissionsmitglieder sind Frauen, die in der theologischen Wissenschaft tätig sind.[295]
Das Priesteramt für Frauen lehnt er aber unverändert ab. Allerdings macht er in seinem am 2. Oktober 2023 veröffentlichten Schreiben deutlich, dass das letzte Wort im Streit über die Priesterweihe für Frauen noch nicht gesprochen sei.[296][297]
Zugang zum Lektoren- und Akolythendienst
Mit dem Motu proprio Spiritus Domini eröffnete Franziskus am 10. Januar 2021 Frauen kirchenrechtlich die dauerhafte Beauftragung zum Lektorendienst und zum Akolythendienst. Diese Dienstämter („ministeria“) waren Frauen zuvor nur zeitlich befristet zugänglich.[298]
Auslandsreisen
Vorwürfe und Rücktrittsforderung
Der britische Vatikan-Journalist Christopher Lamb schreibt 2020 von mehr als 100 öffentlichen Versuchen, „Franziskus zu unterminieren – einen Außenseiter, der vor seiner Wahl nie in Rom gelebt oder gearbeitet hatte und der sein Wirken den Außenseitern und von der Gesellschaft abgeschriebenen und vergessenen Menschen gewidmet hat“. Er benennt zwei Gruppen von Gegnern des Papstes:
- katholische Traditionalisten oder Ultra-Konservative, die den Papst wegen angeblicher „Brüche“ mit der Kirchenlehre ablehnen, ihm vorwerfen, nicht effektiv genug gegen gleichgeschlechtliche Ehe, Abtreibung und Empfängnisverhütung einzutreten, und den „unpäpstlichen“ Stil seiner Amtsführung kritisieren;
- populistische und nationalistische Politiker (Lamb nennt den Italiener Matteo Salvini, den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro), die keinen Papst mögen, „der immer wieder mahnt, Migranten willkommen zu heißen und die Umwelt zu schützen“; der ehemaligen Stratege Präsident Trumps, Steve Bannon, habe Franziskus 2016 als den „Feind“ bezeichnet.[299]
Als einer der lautstärksten und militantesten Kritiker und Gegner von Papst Franziskus gilt der emeritierte italienische Kurienbischof Carlo Maria Viganò.[300] Im Zusammenhang mit dem wegen sexuellen Missbrauchs aus dem Kardinalsstand zurückgetretenen Washingtoner Alterzbischof Theodore McCarrick und dem Vertuschungsskandal um seine Vergehen wurde am Abend des 25. August 2018 in den USA ein elfseitiges Schreiben von Erzbischof Viganò veröffentlicht, in dem er behauptet, dass Papst Benedikt XVI. strenge kanonische Sanktionen gegen McCarrick verhängt und ihm ein Leben in Gebet und Buße auferlegt habe, und dessen Nachfolger Papst Franziskus beschuldigt, diese 2013 wieder aufgehoben und McCarrick zu einem seiner Berater gemacht zu haben, obwohl er von ihm selbst über die Vergehen McCarricks informiert worden sei. Viganò war zwischen 2011 und 2016 Apostolischer Nuntius in den USA. Er forderte in seinem Schreiben Papst Franziskus und mehrere Kardinäle zum Amtsverzicht auf. Dies wird von Kirchenhistorikern als Versuch Viganòs und anderer bewertet, den Papst zu stürzen.[301]
Am 7. Oktober 2018 übte Kurienkardinal Marc Ouellet scharfe Kritik an Viganòs Behauptungen.[302] In seiner Replik an Ouellet kritisierte Viganò den Papst erneut und bezeichnete Homosexualität im Klerus als „ansteckende Plage“. Missbrauchsopfer zu beklagen, aber nicht „Homosexualität als die Hauptursache zahllosen sexuellen Missbrauchs“ zu benennen, sei „Heuchelei“.[303] 2020 warf er dem Papst Abfall vom Glauben vor, nachdem dieser für die zivilrechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften eingetreten war. Dessen Äußerungen seien „heterodox“.[304]
COVID-19-Pandemie
Anlässlich der weltweiten COVID-19-Pandemie erteilte Franziskus den Segen Urbi et orbi in der jüngeren Geschichte erstmals wieder außerplanmäßig am 27. März 2020, dem Freitag, der 4. Fastenwoche. Als zweiter Papst in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche nach Johannes Paul II., der aufgrund eines Luftröhrenschnittes ab März 2005 nicht mehr sprechen konnte, spendete er dabei den Segen ohne Segensformel. Und als erster Papst der Kirchengeschichte erteilte er dabei den eucharistischen Segen mit dem Allerheiligsten in der Monstranz statt des üblichen Handsegens vor einem aus Gründen des Infektionsschutzes erstmals menschenleeren Petersplatz nach einer Andacht mit Aussetzung. Zu diesem Anlass waren auch das Pestkreuz aus der Kirche San Marcello und die Marienikone Salus populi Romani aus der Kirche Santa Maria Maggiore in den Vatikan gebracht worden.[305][306]
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie rief Franziskus außerdem seit Anfang 2021 mehrfach auf, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, und bezeichnete die Impfung als „moralische Verpflichtung“.[307][308] Im September 2021 kritisierte Franziskus zudem Impfverweigerer im Kardinalskollegium, nachdem der zu diesem Zeitpunkt nicht geimpfte Kardinal Raymond Leo Burke mit einer COVID-19-Infektion im Krankenhaus behandelt werden musste.[309]
Im März 2022 entband Franziskus den puerto-ricanischen Bischof Daniel Fernández Torres von seinen Aufgaben; dieser hatte sich zuvor gegen COVID-19-Impfpflichten ausgesprochen.[310][311]
G7-Gipfel in Fasano 2024
Franziskus nahm auf Einladung von italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am 14. Juni 2024 am G7-Gipfel in Fasano 2024 teil.[312] Franziskus ist der erste Papst, der an dem wichtigen Politik-Gipfel teilnahm. Er hielt dabei eine Rede zu Künstlicher Intelligenz und autonomen Waffen und führte bilaterale Gespräche, unter anderem mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Joe Biden, und dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, sowie dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Weitere Gespräche führte er mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Kristalina Georgiewa, der Präsidentin des Internationalen Währungsfonds IWF, mit dem Präsidenten Kenias, William Ruto, mit Indiens Präsident Narendra Modi, dem brasilianischen Präsidenten Lula da Silva, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie dem Präsidenten Algeriens, Abdelmadjid Tebboune.[313]
Gesundheit
Im Alter von 21 Jahren musste Jorge Mario Bergoglio nach einer schweren Lungenentzündung der rechte Lungenflügel teilweise entfernt werden.[314]
Mit seinem Amtsantritt als Papst hatte Franziskus im Jahr 2013 ein Rücktrittsschreiben für den Fall, dass er das Amt wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr ausführen kann, unterschrieben.[315]
Im Jahr 2021 wurde Franziskus am Dickdarm wegen einer Divertikulitis operiert;[316] durch die Narkose spürte Franziskus eigenen Angaben zufolge noch Ende 2022 Nachwirkungen.[315] Eine chronische Arthritis hat Franziskus spätestens seit dem Jahr 2022. Deswegen und wegen einer Bänderverletzung im rechten Knie war Franziskus ab demselben Jahr auf einen Rollstuhl angewiesen.[315][317] Wegen seiner gesundheitlichen Beschwerden erklärte Franziskus im Juli 2022 weniger zu reisen, weil er seine „Kräfte ein wenig aufsparen“ müsse. Andernfalls müsse er „über die Möglichkeit nachdenken, beiseite zu treten“.[315] Im Juni 2023 kam er erneut ins Krankenhaus, um aufgrund einer Laparozele am Darm notoperiert zu werden.[318]
Veröffentlichungen
Bücher (Auswahl)
- Meditaciones para religiosos. Diego de Torres, Buenos Aires 1982, ISBN 950-02-1000-2.
- Reflexiones espirituales sobre la vida apostólica. Diego de Torres, Buenos Aires 1987, ISBN 950-9210-07-2.
- Reflexiones en esperanza. Ediciones Universidad del Salvador, Buenos Aires 1992.
- Als Herausgeber: Diálogos entre Juan Pablo II y Fidel Castro. Dir. y coor. por J. M. B. Editorial de Ciencia y Cultura, Buenos Aires 1998, ISBN 987-507-074-2 (spanisch; Übersetzung des Titels: Dialoge zwischen Johannes Paul II. und Fidel Castro).
- Educar. Exigencia y pasión. Desafíos para educadores cristianos. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2003, ISBN 950-512-457-0.
- Ponerse la patria al hombro. Memoria y camino de esperanza. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2004, ISBN 950-512-511-9.
- La nación por construir. Utopía, pensamiento y compromiso. VIII Jornada de Pastoral Social. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2005, ISBN 950-512-546-1.
- Corrupción y Pecado. Algunas reflexiones en torno al tema de la corrupción. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2006, ISBN 950-512-572-0.
- El verdadero poder es el servicio. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2007, ISBN 978-950-512-628-6.
- Gespräche mit Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti: El Jesuita. Javier Bergera Editor, Buenos Aires, Argentinien 2010, ISBN 978-950-15-2450-5.
- deutsch: Papst Franziskus. Mein Leben, mein Weg. Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio. Herder, Freiburg im Breisgau 2013, ISBN 978-3-451-32708-7.
- mit Abraham Skorka: Sobre el Cielo y la Tierra. Editorial Sudamericana, Buenos Aires 2010, ISBN 978-950-07-3293-2 (Textauszug online). Deutsche Ausgabe: Über Himmel und Erde. Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka. Riemann, München 2013, ISBN 978-3-570-50161-0.
- Nosotros como ciudadanos, nosotros como pueblo. Hacia un bicentenario en justicia y solidaridad 2010–2016. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2011, ISBN 978-950-512-744-3.
- Mente abierta, corazón creyente. Editorial Claretiana, Buenos Aires 2012, ISBN 978-950-512-778-8. Deutsche Ausgabe: Offener Geist und gläubiges Herz. Herder, Freiburg im Breisgau [u. a.] 2013, ISBN 978-3-451-32709-4.
- Leben – meine Geschichte in der Geschichte. HarperCollins, Hamburg 2024, ISBN 978-3-365-00763-1.
Enzykliken
- Lumen fidei („Licht des Glaubens“, vom 29. Juni 2013.) Die erste Enzyklika von Papst Franziskus beruht auf einem Entwurf von Benedikt XVI. Mit ihr wurde erstmals eine Enzyklika über den Glauben als Ganzes publiziert. Mit dieser Enzyklika bekräftigt der Papst zugleich seine persönliche Glaubenstreue.
- Laudato si’ („Gelobt seist du“, 18. Juni 2015). Dt. Ausgabe: Laudato si : die Umwelt-Enzyklika des Papstes. Vollständige Ausgabe. Taschenbuch. Freiburg i.Br.: Herder, 2015. ISBN 3-451-35000-9.
- Fratelli tutti (Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, 3. Oktober 2020, Papst Franziskus).[319]
Apostolische Schreiben
- Evangelii gaudium („Freude der Guten Nachricht“, 24. November 2013)
- Fidelis dispensator et prudens „Über die Einrichtung einer neuen Koordinierungsstelle für die wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls und des Staates der Vatikanstadt“, 24. Februar 2014
- Apostolisches Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens, 21. November 2014
- Mitis Iudex Dominus Jesus „Über die Reform des kanonischen Verfahrens für Ehenichtigkeitserklärungen im Kodex des kanonischen Rechts“, 11. September 2015
- Amoris laetitia Nachsynodales Apostolisches Schreiben zur Bischofssynode (Oktober 2014 und Oktober 2015), 19. März 2016 (veröffentlicht am 8. April 2016)
- Wie eine liebende Mutter Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio, 4. Juni 2016, Verfahrensweise zur Amtsenthebung von Bischöfen in Verbindung mit sexuellen Missbräuchen
- Maiorem hac dilectionem Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio über Ergänzungen zur Selig- und Heiligsprechung, 11. Juli 2017
- Imparare a congedarsi Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio, welches die altersbedingte Rücktrittsprozedur von Dikasterienleitern und hohen Prälaten an der Römischen Kurie regelt, 12. Februar 2018.
- Gaudete et exsultate Apostolisches Schreiben Über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute 19. März 2018 (veröffentlicht am 9. April 2018)
- Aperuit illis Apostolisches Schreiben Zur Einführung des Sonntags des Wortes Gottes, 30. September 2019
- Admirabile signum Apostolisches Schreiben Über die Bedeutung und den Wert der Weihnachtskrippe, 1. Dezember 2019
- Querida Amazonia Nachsynodales Apostolisches Schreiben zur Sonderversammlung der Bischöfe Amazoniens: An das Volk Gottes und an alle Menschen guten Willens. Unterschrieben am 2. Februar 2020, veröffentlicht am 12. Februar 2020
- Patris corde Apostolisches Schreiben Anlässlich des 150. Jahrestages der Erhebung des heiligen Josef zum Schutzpatron der ganzen Kirche, 8. Dezember 2020
- Antiquum ministerium Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio zur Einführung des Dienstes des Katecheten, 10. Mai 2021
- Traditionis custodes („Hüter der Tradition“, 16. Juli 2021): Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio über den Gebrauch der römischen Liturgie in der Form vor der Reform von 1970
- Praedicate Evangelium („Verkündet das Evangelium“, 19. März 2022): Apostolische Konstitution zur Neuregelung der Römischen Kurie
- Desiderio Desideravi („Mit Sehnsucht habe ich verlangt“, 29. Juni 2022): Apostolisches Schreiben über die liturgische Bildung des Volkes Gottes
- Wer im Kleinen treu ist (6. Dezember 2022): Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio über die instrumentellen juristischen Personen der Römischen Kurie
- Totum amoris est („Alles gehört der Liebe“, 28. Dezember 2022): Apostolisches Schreiben anlässlich des 400. Todestages des heiligen Franz von Sales
- In Ecclesiarum Communione („In der Gemeinschaft der Kirchen“, 6. Januar 2023): Apostolische Konstitution über die Ordnung des Vikariats Rom
- Vos estis lux mundi („Ihr seid das Licht der Welt“, 25. März 2023): Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs in der Römisch-katholischen Kirche, Aktualisierung des gleichnamigen Schreibens von 2019
- Laudate Deum („Lobet den Herrn“, 4. Oktober 2023): Apostolisches Schreiben an alle Menschen guten Willens zu zügigen und umfassenden Maßnahmen gegen die Klimakrise
- C’est la confiance („Das Vertrauen“, 15. Oktober 2023): Apostolisches Schreiben über das Vertrauen auf die barmherzige Liebe Gottes anlässlich des 150. Jahrestages der Geburt der heiligen Theresia vom Kinde Jesu
- Ad theologiam promovendam („Um die Theologie zu fördern“, 1. November 2023): Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio zur Bestätigung neuer Statuten der Päpstlichen Akademie für Theologie
- Fide incensus („Vom Glauben entflammt“, 18. Mai 2024): Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio zur Aufnahme Guidos von Montpellier in das Verzeichnis der Seligen
- Fratello sole („Bruder Sonne“, 21. Juni 2024, veröffentlicht am 26. Juni 2024): Apostolisches Schreiben in Form eines Motu proprio zur Anordnung und rechtlichen Vollmacht für den Ausbau der Solarenergieanlagen in Santa Maria di Galeria mit dem Ziel, neben der Energieversorgung von Radio Vatikan den gesamten Vatikan mit Sonnenenergie zu versorgen.
Päpstliche Bullen
- Misericordiae vultus, Verkündigungsbulle des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit vom 11. April 2015
Interviews (Auswahl)
- Antonio Spadaro SJ (Stimmen der Zeit, August 2013): Teil I, Teil II.
- Eugenio Scalfari (La Repubblica, 24. September 2013): Il Papa a Scalfari: così cambierò la Chiesa “Giovani senza lavoro, uno dei mali del mondo (italienisch). Deutsche Zusammenfassung
Filme
- 2018: Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes (Pope Francis: A Man of His Word, Dokumentarfilm, Regie: Wim Wenders)
- 2019: Die zwei Päpste (The Two Popes, Spielfilm inszeniert von Fernando Meirelles, Franziskus wird von Jonathan Pryce dargestellt)
Zueignungen und Auszeichnungen
- Am 6. November 2014 wurde Papst Franziskus bei einer Audienz im Vatikan mit Vertretern des evangelikalen Dachverbandes vom Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Geoff Tunnicliffe (New York), der Shahbaz-Bhatti-Freiheitspreis verliehen.
- Der Komponist Ludger Stühlmeyer widmete Papst Franziskus seine Komposition Klangrede – Sonnengesang des Franziskus, für Chor (SATB), Violine und Orgel (Suae Sanctitati Papae Francisci de toto corde dedicat). Die Uraufführung sang der Kammerchor Capella Mariana am 4. Oktober 2015 im Rahmen der Tage neuer Kirchenmusik in Bayern.[320][321][322]
- Papst Franziskus erhielt am 6. Mai 2016 den Aachener Karlspreis „wegen seiner herausragenden Botschaften und Zeichen, die sein Pontifikat für Frieden und Verständigung, für Barmherzigkeit und Toleranz, Solidarität und Bewahrung der Schöpfung setzt“. Der Preis wurde nicht wie üblich in Aachen, sondern in Rom verliehen.[323]
- Anlässlich des Reformationsjubiläum reiste im April 2017 eine Bläserdelegation der Nordkirche unter Leitung von Landesposaunenwart Martin Huss nach Rom. Im Rahmen der Generalaudienz am 5. April 2017 wurde Papst Franziskus die Komposition Salutatio ad papam überreicht.[324][325] Diese Komposition von Claudia Huss wurde auf dem Petersplatz vor 20.000 Zuhörern als sogenannter Papst-Tusch welturaufgeführt und von Radio Vatikan live übertragen.[326][327]
- Zum 80. Geburtstag von Papst Franziskus entstand die Franziskusmesse für Chor und Orchester von Sven M. Hellinghausen. Die Uraufführung fand 2017 im Petersdom statt.[328] Die Komposition gliedert sich in die Gesänge Kyrie, Gloria, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei.
Rezeption
- In dem Oratorium Laudato si’ von Helmut Schlegel OFM (Libretto) und Peter Reulein (Musik) tritt die Figur des Papstes Franziskus neben Maria, Franz von Assisi und Klara von Assisi auf. In dem Oratorium schlägt Papst Franziskus eine Brücke von der Kreuzigungsszene auf dem Berg Golgatha zum Leid der Gegenwart. Er betont das weibliche Talent und die Bedeutung des Charismas der Frauen für Kirche und Gesellschaft. Verwendet wurden dabei Texte der Enzykliken Laudato si’ und Evangelii gaudium. Das Motto des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit spielt ebenfalls eine zentrale Rolle.[329][330] Das Oratorium wurde am 6. November 2016 im Hohen Dom zu Limburg uraufgeführt.
Pepe Orsini des Roman Maximus Klan ‘Grey Pope’
Pepe Orsini
Orsini (Familie)
Die Orsini sind eine weit verzweigte römische Adelsfamilie, die ursprünglich unter dem Namen Bobonen bekannt war und zwischen 1100 und 1900 maßgeblichen Anteil an der italienischen Geschichte hatte. Aus der Familie Orsini kamen drei Päpste, 24 Kardinäle und zahlreiche andere hohe kirchliche Würdenträger sowie weltliche Fürsten. Die Familie existiert bis heute und zählt zum europäischen Hochadel.
Wappen
Die Blasonierung des Stammwappens lautet: „Fünfmal von Silber und Rot schräg geteilt, belegt mit einem erhöhten, ans Schildhaupt, darin eine goldbebutzte, grünbespitzte rote Rose, anstoßenden, goldenen Balken, darin eine blaue Schlange. – Auf dem silbernen, silber-rot bewulsteten Topfhelm mit rot-silbernen Decken ein wachsender rotgezungter, goldbewehrter, schwarzer Bär, in der erhobenen rechten Tatze die genannte Rose, grün gestielt mit zwei Blättern.“ – Wappenspruch: Senza rimproveri ‚Ohne Vorhaltungen‘
Geschichte
Die Bobonen werden erstmals mit Romano Bobone erwähnt, der 928 unter Papst Leo VI. Kardinal wurde. Nach dem Jahr 1000 werden sie häufiger erwähnt als bedeutende Grundbesitzer in Rom und der Sabina; sie stellten einflussreiche Männer im stadtrömischen Senat und in der Kurie. Ein Ursus (italienisch Orso di Bobone ‚der Bär‘) wird im späten 12. Jahrhundert erwähnt; seine Nachfahren nannten sich im 13. Jahrhundert filii Ursi ‚Söhne des Ursus‘ und erst im 14. Jahrhundert wurde der Familienname Orsini oder auch Orsini-Bobone gebräuchlich. Sie gehörten zu den bedeutendsten römischen Geschlechtern des päpstlichen Adels.
Seit dem Pontifikat des Hyacinto Bobo als Coelestin III. (1191–1198) kämpfte die Familie der Bobonen als Vertreter der Guelfenpartei lange Zeit erbittert mit den ghibellinischen Colonna um die herrschende Stellung in Rom. Coelestin III. betrieb Nepotismus, er ernannte zwei Neffen zu Kardinälen und gewährte seinem Vetter Giangaetano (Johannes Gaitanus) den Erwerb der päpstlichen Lehen Vicovaro, Licenza, Roccagiovine und Nettuno. Dessen Sohn Napoleone dei Ursi erwarb 1246 ein Areal auf einem Hügel gegenüber der Engelsburg, dem Monte Giordano, und legte einen Burgpalast an (im 19. Jahrhundert vom Palazzo Taverna überbaut). Sein Bruder Matteo Rosso Orsini (1178–1246) erwarb große Besitzungen zwischen Rom und Siena, die den Kern der Familienbesitzungen von Mugnano, Bracciano und Monterotondo bildeten. Er ließ in seinem Amt als Senator Roms 1241 nach dem Tod von Papst Gregor IX. die Kardinäle zur Wahl des Nachfolgers im Septasolium einschließen, so dass diese Wahl zum ersten Konklave bei einer Papstwahl wurde. Im stadtrömischen Bezirk des Campo Marzio wohnten die Orsini in zahlreichen, auf antiken Monumenten aufgetürmten Palästen.
Im 12./13. Jahrhundert standen die Orsini dem Franziskanerorden nahe. Matteo Rosso Orsini war mit Franz von Assisi befreundet und wurde franziskanischer Tertiar. Sein Sohn Giovanni Gaetano Orsini war als Kardinal 1263 bis zu seiner Wahl zum Papst 1275 Protektor des Franziskanerordens, als Nikolaus III. gab er eine Auslegung der franziskanischen Armutsregel usus pauper, die umstritten war. Ein Neffe des Matteo Rosso Orsini, Kardinal Matteo Rubeo Orsini, war ebenfalls Protektor der Franziskaner.
Im Gefolge des Vierten Kreuzzugs erlangten Mitglieder der Familie auch Besitzungen in Griechenland. Sie gründeten mit Hilfe der Venezianer die Pfalzgrafschaft von Kefalonia. 1318 konnte Nicola Orsini die Herrschaft über das freilich schon sehr verkleinerte Despotat Epirus erlangen.
Vom zweiten Sohn des Matteo Rosso II. Orsini († nach 1282), Napoleone, Herr von Pitigliano, stammten alle späteren Hauptlinien dieser Familie ab. Ein Giovanni Orsini war mit Sciarra Colonna nach Cola di Rienzos Sturz Senator von Rom; dessen vierter Sohn, Francesco Orsini, war seit 1417 Graf und seit 1436 Herzog von Gravina, einem Lehen, das er von der Familie Gravina geerbt hatte; seither führen die Orsini diesen Titel.
Von 1500 bis 1958 teilten die Orsini mit den Colonna die Würde eines Assistierenden Fürsten des päpstlichen Stuhles (principe assistente al soglio pontificio), die seit 1735 erblich war. Im 16. Jahrhundert schlossen sie einige Ehebündnisse mit der Familie Papst Pauls III., den Farnese.
Die Linie der Herren von Bracciano erhielt 1560 in der Person von Paolo Giordano I. den päpstlichen Herzogstitel und endete mit Flavio Orsini, dem fünften Herzog, der zugleich Fürst von Nerola, Herzog von San Gemini, Marchese von Anguillara und Grande von Spanien erster Klasse sowie Reichsfürst war, im April 1698. Dieser war zuvor schon gezwungen gewesen, die wichtigsten seiner Besitzungen wegen seiner exorbitanten Schulden zu verkaufen.
Die Orsini wurden 1625 mit Paolo Giordano II. von Bracciano Reichsfürsten mit dem Anredetitel Illustrissimus und dem Münzrecht. Nach dem Aussterben dieser Linie wurde Ferdinando Bernaldo Filippo, 14. Herzog von Gravina, 5. Fürst von Solofra und 2. Fürst von Vallata, im Jahre 1724 von Kaiser Karl VI. zum Reichsfürsten mit dem Anredetitel Celsissimus ernannt.
Seit 1854 führte der Erstgeborene der Linie Gravina den Titel eines Principe romano mit dem ererbten Vorrecht, als „Weltlicher Thronassistent“ in der Papstmesse zu assistieren.
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Palazzo Orsini im antiken Marcellustheater
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Palazzo Orsini in Monterotondo
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Palazzo Orsini in Pitigliano
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Castello Orsini in Nerola
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Palazzo Orsini in Bomarzo
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Sacro Bosco (Parco dei Monstri) in Bomarzo
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Palazzo Orsini in Fara in Sabina
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Palazzo Orsini Gravina in Neapel
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Palazzo Orsini in Mailand
Päpste
Drei Päpste stammten aus der Familie Orsini:
- Coelestin III. (* etwa 1106 als Giacinto Bobone, Jacinto Bobo oder Hyacinto Bobo; † 1198), von 1191 bis 1198 Papst
- Nikolaus III. (geboren als Giovanni Gaetano Orsini; * zwischen 1210 und 1220; † 1280), von 1277 bis 1280 Papst
- Benedikt XIII. (Geburtsname Pietro Francesco Orsini; * 1649; † 1730), von 1724 bis 1730 Papst. Er war zuvor im weltlichen Leben bis zu seinem Verzicht 1668 12. Herzog von Gravina und 3. Fürst von Solofra und Galluccio.
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Coelestin III.
(1191–1198 Papst) -
Nikolaus III.
(1277–1280 Papst) -
Benedikt XIII.
(1724–1730 Papst)
Außerdem stammten aus der Familie 24 Kardinäle und einige Heilige.
Die Orsini gehören – neben ihren historischen Rivalen aus dem Hause Colonna sowie den Familien Aldobrandini, Borghese, Barberini, Caetani, Chigi, Doria, Lante della Rovere, Massimo, Odescalchi, Pallavicini, Riario Sforza, Ruspoli und Torlonia – bis heute zu den bekanntesten noch existierenden Fürstenhäusern des stadtrömischen Hochadels.
Pfalzgrafen von Kephalonia und Despoten von Epirus
- Maio I. Pfalzgraf von Kefalonia 1195–1238
- Maio II. Pfalzgraf von Kefalonia 1238–1259
- Ricardo Pfalzgraf von Kephalonia 1259–1304, Graf von Gravina 1284–1291
- Giovanni I. Pfalzgraf von Kephalonia 1304–1317
- Nikola Pfalzgraf von Kefalonia 1317–1323, Despot von Epirus 1318–1323
- Giovanni II. Pfalzgraf von Kefalonia 1323–1325, Despot von Epirus 1323–1335
- Nikephoros II. Despot von Epirus 1335–1359
Fürsten von Tarent
Die Könige von Neapel machten Mitglieder der Familie Orsini del Balzo zeitweise zu Fürsten von Tarent:
- 1393 Raimondo Orsini del Balzo († 1406), genannt Raimondello
- 1420 Giovanni Antonio Orsini del Balzo (auch Giannantonio, 1386 oder 1393–1463)
Stammbaum der Herzöge von Gravina
Nach Genealogische Tabellen[1] und Genealogia della dinastia Orsini, dalle origini ad oggi[2]; die Schreibung der Namen erfolgt weitgehend in der italienischen Variante.
Der Stammbaum ist nicht vollständig, sondern konzentriert sich auf die Träger des Titels. Es sind daher nicht alle Nachkommen aufgezeichnet.
Giovanni Orsini (oder Ursinus; † 1439), römischer Ratsherr |
Bartolomea Spinelli, Tochter von Nicola, 1. Conte von Gioia |
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(1.) Margherita della Marra |
Francesco Orsini († 1456), 1. Conte di Gravina seit 1417 und Conte von Campagna und Conversano etc., seit 1436 Duca di Gravina | (2.) Maria (oder Ilaria oder Flavia) Scillata |
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Maria Piccolominea, Tochter von Antonio, Duca von Amalfi | Giacomo Orsini, genannt Jacobello († 1472), ab 1460 2. Duca di Gravina, Conte di Campagna, etc., Schwiegervater von Lorenzo il Magnifico | Raimondo Orsini († ca. 1488), 3. Duca di Gravina, Conte di Campagna etc. | Giustiniana Orsini, Tochter von Lorenzo, Signori di Monterotondo | ||||||||||||||||||||||||||||||||||
Francesco Orsini, 4. Duca di Gravina, etc. (am 18. Januar 1503 im Auftrag von Cesare Borgia erdrosselt) | Maria Todeschini Piccolomini d’Aragona, Tochter von Antonio, 1. Duca d’Amalfi und Maria d’Aragona (* ca. 1460) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
(1.) Angela Branai Castriota (Nebenlinie von Skanderbeg), Tochter von Giovanni, Duca di Ferrandina und Conte di Copertino, und Giovanna Gaetani dell’Aquila d’Aragona († 1518) |
Don Ferdinando I. (auch: Ferrante) Orsini († 1549), 5. Duca di Gravina | (2.) Beatrice Ferillo, Erbin der Alfonsi, Grafen von Muro |
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Felicia Sanseverino | Don Antonio Orsini († 1553), 6. Duca di Gravina | (1.) Eleonora (oder Dianora) Caracciolo, Tochter von Ferdinando, 1. Duca di Feroleto |
Don Ostilio Orsini (1543–1579) | (2.) Diana del Tufo, Tochter von Paolo Barone di Vallata e Vietri |
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(1.) Costanza Gesualda |
Don Ferdinando II. Orsini (1538–1583), 7. Duca di Gravina | (2.) Virginia de Rovere |
Don Pietro Francesco Orsini, genannt Ducapatre († vor 14. März 1641), 10. Duca di Gravina seit 1635, 1. Fürst von Solofra seit 1620 etc. | (⚭ 1617) Dorotea Orsini (Cousine von Pietro), Erbin von Solofra e Muro Lucano, Tochter von Don Flaminio Orsini |
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Beatrice Orsini | Don Michele Antonio I. Orsini († 1627 ohne Erben), 8. Duca di Gravina | Donna Felice Maria Orsini († 1647 ohne Erben), 9. Duchessa di Gravina | Pietro, Duca di Sermoneta | ||||||||||||||||||||||||||||||||||
Don Ferdinando III. (auch: Ferrante) Orsini (1623–1658), 11. Duca di Gravina, 2. Fürst von Solofra und Conte von Muro Lucano etc. | (⚭ 1647) Giovanna Frangipani della Tolfa, Tochter von Don Carlo, 2. Duca di Grumo, und Fulvia del Tufo, Baronessa di Vallata |
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Don Pietro Francesco Orsini (1649–1730), 12. Duca di Gravina etc.; Dominikaner unter dem Namen Vincenzo Maria, danach Kardinal (22. Februar 1672) und ab 19. Mai 1724 Papst Benedikt XIII. | (1. ⚭ 1671) Luigia Altieri († 1678), Tochter von Don Angelo Albertoni Altieri |
Don Domenico (I.) Orsini (1652–1705), 13. Duca di Gravina seit 1667 etc. | (2. ⚭ 1683) Ippolita di Tocco, Tochter von Don Leonardo VI Signore di Apice |
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Don Domenico II. Orsini (1719–1789), 15. Duca di Gravina, 6. Fürst von Solofra etc.; trat 1743 in den geistlichen Stand und verzichtete deshalb 1760 auf Titel und Herrschaft | (⚭ 1738) Anna Paola Flaminia Odescalchi († 1742), Tochter von Fürst Don Baldassarre, Duca di Bracciano |
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Don Filippo Bernualdo (getauft Amadeo) Orsini (1742–1824), 16. Duca di Gravina, 7. Fürst von Solofra etc. | (⚭ 1762) Maria Teresa Caracciolo, Tochter des Fürsten Don Marino Francesco, 7. Fürst von Avellino |
Don Domenico Orsini (1765–1790); vor seinem Vater und noch vor Geburt des Sohnes verstorben |
Faustina Caracciolo, Tochter von Don Giuseppe. 6. Fürst von Torella | ||||||||||||||||||||||||||||||||||
Don Domenico (III.) Orsini (1790–1874), 17. Duca di Gravina, seit 1854 römischer Fürst (Principe romano) etc. | (⚭ 1823) Maria Luisa Torlonia (1804–1883), Tochter von Don Giovanni, Duca di Poli und Guadagnolo |
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Don Filippo Orsini (1842–1924), 18. Duca di Gravina, 6. römischer Fürst etc. | (⚭ 1865 in Wien) Giulia Gräfin von Hoyos-Wenckheim (1847–1909), Tochter des Grafen Enrico Zichy zu Zich und Vásonykeö |
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(1. ⚭ 1891 in Neapel) Domenica Varo (1867–1919), Tochter des Conte Senatore Domenico Salerni |
Don Domenico Napoleone Orsini (1868–1947), 19. Duca di Gravina, 10. Fürst von Solofra etc. | (2. ⚭ 1924 in Deauville) Laura Schwarz (* 1883 in Los Angeles oder Pasadena; † USA) |
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Don Virginio Orsini (1892–1972), 20. Duca di Gravina, 11. Fürst von Solofra etc. | (⚭ 1919 in Mailand) Adele Pensa (1896–1979) |
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Don Filippo Orsini (1920–1984), 21. Duca di Gravina, 12. Fürst von Solofra etc. | (⚭ 1946 in Pernumia) Francesca Romana Bonacossi (1926–2014)[3], Marquise di San Michele Arcangelo, Tochter des Marquis Taino, Conte di Costa Bissara |
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Don Domenico Napoleone Orsini (* 1948), 22. Duca di Gravina, 13. Fürst von Solofra, 12. Fürst von Vallata, 9. Fürst von Roccagorga etc. | (⚭ 1977 in Rom) Martine Bernheim, Tochter des Bankiers Antoine Bernheim |
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Inschrift an der Kirche Santa Maria sopra Minerva in Rom; Francesco Orsini († 1503), 4. Herzog von Gravina, hatte als Stadtpräfekt mit eigenem Vermögen dazu beigetragen, dass der Bau der Kirche vollendet wurde
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Mausoleum von Angela Castriota († 1518), Frau von Ferdinando Orsini, 5. Herzog von Gravina
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Denkmal für Papst Benedikt XIII. in Gravina
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Filippo Orsini (1842–1924), 18. Herzog von Gravina, im Ornat des Fürstassistenten des Päpstlichen Throns
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Domenico Napoleone Orsini (1868–1947), 19. Herzog von Gravina, im Ornat des Fürstassistenten des Päpstlichen Throns
Herzöge von Bracciano
- Paolo Giordano I. Orsini (1541–1585), 1560 1. Herzog von Bracciano
- Virginio Orsini (1572–1615), dessen Sohn, 2. Herzog von Bracciano, Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies
- Paolo Giordano II. Orsini († 1656), dessen Sohn, Herzog von Bracciano, 1629 Reichsfürst
- Ferdinand IV. Orsini, dessen Bruder, Herzog von Bracciano
- Flavio Orsini († 1698), dessen Sohn, Herzog von Bracciano; ⚭ Marie-Anne de La Trémoille
Die Linie erlosch mit seinem Tod.
Sonstige Familienmitglieder
In chronologischer Reihenfolge:
- Giordano Orsini († 1165), Kardinal
- Giordano Orsini (Kardinal 1278) († 1287)
- Matteo Rosso Orsini († 1246), römischer Senator
- Latino Malabranca Orsini († 1294), römischer Adliger, italienischer Kardinal und Neffe von Papst Nikolaus III.
- Matteo Rubeo Orsini († 1305), Kardinal der Römischen Kirche
- Francesco Napoleone Orsini († 1312), Kardinal der Römischen Kirche
- Giovanni Gaetano Orsini (Kardinal 1316) († 1335 oder 1339)
- Matteo Orsini († 1340), Kardinal der Römischen Kirche
- Napoleone Orsini (1263–1342), Kardinal der Römischen Kirche
- Giacomo Orsini († 1379), Kardinal der Römischen Kirche
- Poncello Orsini († 1395), Bischof von Aversa und Kardinal
- Tommaso Orsini († 1390), Kardinal der Römischen Kirche
- Giordano Orsini der Jüngere (1360/1370–1438), Erzbischof von Neapel und Kardinal
- Latino Orsini (1411–1477), Kardinal der Römischen Kirche
- Giordano Orsini (Condottiere) († 1484)
- Clarice Orsini (1453–1488), seit 1468 Gattin von Lorenzo il Magnifico
- Giovanni Battista Orsini (Kardinal) († 1503)
- Alfonsina Orsini (1472–1520), seit 1487 Gattin von Piero di Lorenzo de’ Medici
- Franciotto Orsini (1473–1534), Kardinal der Römischen Kirche
- Camillo Orsini (1492–1559), Marchese di Lamentana (della Mentana), Condottiere, auch Generalkapitän der Römischen Kirche aus dem Hause der Herzöge von Gravina
- Gerolama Orsini (um 1503–1570)
- Vicino Orsini (1523–1585), Offizier, Politiker, Philosoph, Mäzen, Schöpfer des Sacro Bosco in Bomarzo
- Giordano Orsini di Monterotondo (1525–1564), italienischer Condottiere
- Flavio Orsini (1532–1581), Kardinal der Römischen Kirche aus dem Hause der Herzöge von Gravina
- Alessandro Orsini (1592–1626), Kardinal der Römischen Kirche aus dem Hause der Herzöge von Bracciano
- Maria Felicia Orsini (1600–1666), Herzogin von Montmorency
- Virginio Orsini (Kardinal) (1615–1676), Kardinal der Römischen Kirche
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