Die Sarajevo Safari – Die “Hobby-Scharfschützen” von Sarajevo

Jugoslawienkriege

Die Jugoslawienkriege, auch Balkankriege, postjugoslawische Kriege oder jugoslawische Nachfolgekriege genannt, waren eine Serie von Kriegen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, die von 1991 bis 2001 geführt wurden und mit dem Zerfall des Staates verbunden waren.

Nach Volksabstimmungen erklärten im Juni 1991 die jugoslawischen Teilstaaten Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit. Im Laufe der Konflikte versuchte die Jugoslawische Volksarmee (JNA) unter der Führung von Veljko Kadijević und Blagoje Adžić diese Unabhängigkeitsbestrebungen militärisch zu vereiteln. Dadurch kam es 1991 zum 10-Tage-Krieg in Slowenien sowie zum bis 1995 dauernden Kroatienkrieg. Im November 1991 erklärte sich Mazedonien unabhängig. Nach der Unabhängigkeitserklärung von Bosnien und Herzegowina im März 1992 begann der bis 1995 dauernde Bosnienkrieg, in dessen Rahmen von 1992 bis 1994 der kroatisch-bosniakische Krieg geführt wurde. Dies waren die ersten Kriege nach der KSZE-Schlussakte von Helsinki, in der sich die europäischen Länder 1975 auf die Unverletzlichkeit der Grenzen geeinigt hatten. Darüber hinaus wurde von 1998 bis 1999 der Kosovokrieg geführt und 2001 erfolgte der albanische Aufstand in Mazedonien.

Bosnienkrieg

Als Bosnienkrieg wird der Krieg in Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995 im Rahmen der Jugoslawienkriege bezeichnet.

Infolge des beginnenden Zerfalls der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sowie der damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen besonders in Kroatien wuchsen in den Jahren 1990 und 1991 auch die Spannungen zwischen den Ethnien in Bosnien und Herzegowina. Während große Teile der serbischen Bevölkerung für einen Verbleib in der jugoslawischen Föderation und einen engen Verbund mit Serbien plädierten, gab es insbesondere bei Bosniaken den Wunsch, einen eigenen unabhängigen Staat zu bilden. Kroaten aus der westlichen Herzegowina wollten sich stärker an Kroatien anlehnen beziehungsweise sich dem neuen kroatischen Staat anschließen. Die Spannungen eskalierten nach der Ankündigung eines Referendums über die Unabhängigkeit der Republik Bosnien und Herzegowina (RBiH) und der Ausrufung einer bosnisch-serbischen Republik. Nach der internationalen Anerkennung der unabhängigen Republik Bosnien und Herzegowina durch die Europäische Gemeinschaft (EG) und die USA am 6./7. April 1992 begann die militärische Eskalation zwischen den Konfliktparteien.

Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung in Sarajevo und Separatisten, bzw. den drei großen ethnischen Gruppen, wurden von den jeweiligen nationalistischen Gruppierungen angeheizt und von ethnischen Säuberungen begleitet. Dabei wurden bosnische Serben sowohl mit Waffenlieferungen als auch durch Bereitstellung paramilitärischer Truppen von Seiten Serbiens unterstützt, das die formal noch bestehende Bundesrepublik Jugoslawien darstellte, während bosnische Kroaten Unterstützung bei der Ausbildung der Einheiten, Bewaffnung und Logistik sowie durch die Bereitstellung regulären Militärpersonals zur aktiven Kampfbeteiligung seitens Kroatiens erfuhren. Die bosnische Seite konnte sich anfangs nur auf leichte Waffen der früheren Territorialverteidigung stützen. Später erhielten sie auch internationale militärische Unterstützung, vornehmlich aus muslimischen Staaten. Jedoch konnten aufgrund des Waffenembargos nur Kleinwaffen ins Land gelangen. Die militärische Übermacht der bosnischen Serben führte dazu, dass diese zeitweise bis zu 70 Prozent des Territoriums von Bosnien und Herzegowina eroberten und kontrollierten. Dazu kamen vom Sommer 1992 bis zum Frühjahr 1994 Kämpfe zwischen Kroaten und Bosniaken hauptsächlich in der Herzegowina sowie die Ausrufung der Autonomen Provinz Westbosnien um Velika Kladuša durch den Bosniaken Fikret Abdić, der in Opposition zur Regierung in Sarajevo stand.

Auch internationale Vermittlungsbemühungen sowie der Einsatz von UN-Truppen konnten über lange Zeit den Krieg nicht eindämmen. Kroatien beendete auf internationalen und internen Druck seine Teilungspolitik in Bosnien. Mit seiner Regierungsarmee gelang es Kroatien im Sommer 1995, die Republik Serbische Krajina zu erobern und die serbische Seite auch in Bosnien in die Defensive zu bringen. Dazu kam die Operation Deliberate Force der NATO gegen die bosnischen Serben. Daraufhin zeigten sich die inzwischen ermüdeten Kriegsparteien bereit, nicht zuletzt unter internationalem Druck insbesondere aus den USA, ernsthafte Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges zu führen. Diese Verhandlungen mündeten Ende 1995 in den Dayton-Vertrag. Mit dem Vertrag wurden die beiden Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina und Republika Srpska als Bestandteile von Bosnien und Herzegowina festgeschrieben. Gleichzeitig wurde eine internationale militärische und zivile Kontrolle des Landes vereinbart, die bis heute anhält (zuerst Implementation Force genannt, seit 2004 Operation Althea).

Im Bosnienkrieg starben etwa 100.000 Menschen, davon rund 60.000 Soldaten.

Sarajevo

Sarajevo (kyrillisch Сарајево; deutsch auch Sarajewo; Aussprache [ˈsarajeʋo (anhören/?)]) ist Hauptstadt und Regierungssitz von Bosnien und Herzegowina, der Föderation Bosnien und Herzegowina (Federacija Bosne i HercegovineFBiH) und des Kantons Sarajevo.

Die Stadt hat in ihren vier Verbandsgemeinden Stari Grad (Altstadt), Centar (Zentrum), Novi Grad (Neustadt) und Novo Sarajevo (Neu-Sarajevo) 291.422 Einwohner. Im Großraum Sarajevo leben etwa 555.000 Einwohner (Zensus 2013). Aufgrund der Einwohnerzahl sowie der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung ist Sarajevo die einzige bosnische Metropole.

Der Südostteil Sarajevos gehört administrativ zur Stadt Istočno Sarajevo in der Republika Srpska (RS). Laut Artikel 9 der Verfassung der RS ist die ganze Stadt auch Hauptstadt der Republika Srpska, obwohl sich deren Regierungssitz bereits seit 1998 in Banja Luka befindet.

Weltweit machten vor allem drei Ereignisse die Stadt bekannt: das Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914, bei dem Gavrilo Princip den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand ermordete, die Olympischen Winterspiele 1984 und die Belagerung durch Truppen der Vojska Republike Srpske während des Bosnienkrieges 1992 bis 1995.

Belagerung von Sarajevo

Die Belagerung der Stadt Sarajevo durch die Armee der bosnischen Serben (VRS), Einheiten der verbliebenen jugoslawischen Bundesarmee und Paramilitärs war eines der zentralen Ereignisse im Bosnienkrieg. Sie folgte der Unabhängigkeitserklärung des Staates Bosnien und Herzegowina mit seiner Hauptstadt Sarajevo von Jugoslawien.

Sie begann mit der Einnahme des internationalen Flughafens im Vorort Ilidža durch die Jugoslawische Volksarmee in der Nacht vom 4. auf den 5. April 1992 und endete am 29. Februar 1996 durch das Eingreifen westlicher Staaten. Sie war mit 1.425 Tagen die längste Belagerung im 20. Jahrhundert. Die Luftbrücke, die zur Versorgung von Hunderttausenden eingeschlossenen Menschen aufrechterhalten wurde, dauerte länger als die Berliner Luftbrücke.

Während der Belagerung wurden nach Schätzungen etwa 11.000 Menschen (darunter 1.600 Kinder) getötet und 56.000 teilweise schwer verletzt.

Markale-Massaker

Als Markale-Massaker werden zwei Vorfälle während der Belagerung von Sarajevo im Bosnienkrieg 1994 und 1995 bezeichnet, bei denen zahlreiche Zivilisten auf dem Markale-Platz (Pijaca Markale) und dessen Umgebung in Sarajevo ums Leben kamen. Als Verantwortliche für beide Massaker gelten Soldaten der Armee der bosnischen Serben (Vojska Republike Srpske). Die Aufschlagspunkte der Mörsergranaten sind heute mit Rosen von Sarajevo markiert.

Rosen von Sarajevo

Eine Rose von Sarajevo markiert den Ort, an dem ein Mensch durch eine Granate starb.

Rosen von Sarajevo (bosnisch Sarajevske ruže) nennt man eine bestimmte Form von Gedenkstätten im Straßenbild Sarajevos, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, die im Bosnienkrieg mehrere Jahre lang von serbischen Truppen belagert wurde und unter Artilleriebeschuss stand, wobei zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen. Im Schnitt schlugen täglich rund 300 Geschosse in Sarajevo ein. Die Einschläge von Granaten haben auf dem Asphalt Spuren hinterlassen, deren Form vage an eine Blume erinnert. Die Bewohner von Sarajevo haben die Krater mit rotem Harz markiert, um daran zu erinnern, dass an dieser Stelle ein Mensch zu Tode kam. Der „Schöpfer“ der Rosen wurde nie bekannt, deshalb gelten sie als gemeinsames Werk aller, die während der Belagerung in der Stadt waren. Die Rosen werden immer wieder durch Freiwillige aufgefrischt, um sie vor Abnutzung durch die Fußgänger und das Wetter zu schützen.

Italien ermittelt gegen “Hobby-Scharfschützen” von Sarajevo

Samir Huseinovic / 14.11.2025

Drei Jahrzehnte nach der Belagerung der bosnischen Hauptstadt ermittelt die italienische Justiz gegen “Wochenend-Scharfschützen”. Sie sollen dafür bezahlt haben, bei “Sarajevo-Safaris” Menschen erschießen zu können.

Italien ermittelt gegen "Hobby-Scharfschützen" von Sarajevo - Yahoo Nachrichten Deutschland

Sarajevo, 18.12.1994: Ein Einwohner der bosnischen Hauptstadt rennt mit seinem Kind an der Hand über die Straße, um sich vor den Kugeln von Heckenschützen in Sicherheit zu bringen

Mehr als drei Jahrzehnte nach der Belagerung von Sarajevo haben italienische Staatsanwälte Ermittlungen eingeleitet, die ein Licht auf einen der dunkelsten und unbekanntesten Aspekte des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 werfen könnten: sogenannte “Hobby-Scharfschützen”. Es geht um ausländische Staatsangehörige, die bei “Sarajevo-Safaris” angeblich dafür bezahlten, um auf Zivilisten in der von Truppen der bosnischen Serben umzingelten Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas zu schießen.

Eingeleitet wurden die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Heckenschützen nach einer Anzeige des italienischen Journalisten und Schriftstellers Ezio Gavazzeni. Er stellte der Mailänder Staatsanwaltschaft Dokumente und Zeugenaussagen aus jahrelangen Recherchen zur Verfügung. Gegenüber dem Westbalkan-Medienprovider N1 erklärte Gavazzeni, der 2022 erschienene Dokumentarfilm “Sarajevo Safari” des slowenischen Regisseurs Miran Zupanic sei Ausgangspunkt seiner Arbeit gewesen.

Bisher laufen die Ermittlungen gegen unbekannt – doch die italienische Justiz könnte bald konkrete Namen nennen. “Ich hatte Kontakte zu Personen, darunter ein Mitglied des bosnischen Geheimdienstes während der Belagerung von Sarajevo, die über Gruppen italienischer ‘Scharfschützentouristen’ berichteten, die in die Berge um Sarajevo kamen, um auf Zivilisten zu schießen”, sagt Gavazzeni.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen der ROS, einer Spezialeinheit der Carabinieri, übertragen, die für ihre Arbeit an komplexen internationalen Fällen bekannt ist. Italien ist das erste Land, das gerichtliche Ermittlungen gegen die auch “Wochenend-Scharfschützen” genannten zeitweiligen Kriegsteilnehmer eingeleitet hat.

Aussage eines Ex-Geheimdienstmitarbeiters

Edin Subasic, ein ehemaliger Offizier des Geheimdienstes der bosnischen Armee, berichtet im Film “Sarajevo Safari” vom Verhör eines gefangengenommenen Serben 1993, der die Existenz ausländischer “Scharfschützentouristen” bestätigt habe. “Der Gefangene, ein 20-Jähriger aus der serbischen Stadt Paracin, gab an, er sei auf Einladung der [ultranationalistischen, Anm.d.Red.] Serbischen Radikalen Partei mit einer Gruppe Freiwilliger nach Bosnien gekommen.”

Während der nächtlichen Fahrt durch das serbisch kontrollierte Gebiet fielen dem Serben fünf Ausländer im Bus auf, die offenbar einen Sonderstatus besaßen und besonders gut ausgerüstet waren. Drei von ihnen seien Italiener gewesen, einer davon aus Mailand, während die beiden anderen ihre Herkunft nicht preisgegeben hätten, so Subasic. “Diese Männer wurden nicht fürs Kämpfen bezahlt, sondern zahlten dafür, um Zivilisten zu erschießen – als Menschen-Safari.”

Im bosnischen Fernsehsender FTV behauptet Subasic weiter, er habe während des Krieges Informationen über Italiener gesammelt, die am Beschuss Sarajevos durch Scharfschützen beteiligt waren. “Dabei wurden die Namen einiger Täter gefunden, weitere Ermittlungen könnten Aufschluss darüber geben, wie die Reise, die Bezahlung und die Rückkehr der Teilnehmer organisiert wurden”, so Subasic. FTV berichtet außerdem von einer “speziellen Preisliste”, deren Preise davon abhingen, wer das Ziel war: “ein Mann, eine Frau, eine Schwangere oder ein Kind.”

“Snajper”, “Wochenend-Tschetniks” und die Erinnerungen der Überlebenden

“Wochenend-Tschetniks” nannten die Einwohner Sarajevos – in Anlehnung an die Selbstbezeichnung serbischer Nationalisten, die während der Jugoslawien-Kriege kämpften – diejenigen serbischen Belagerer, die nur an Wochenenden in die serbischen Stellungen kamen, die die Stadt von Juni 1992 bis Dezember 1995 umgaben. Dzemil Hodzic war zehn Jahre alt, als sein damals 16jähriger Bruder Amel 1993 von einem “Snajper” – so der vom englischen Wort für Heckenschützen, “Sniper”, abgeleitete bosnische Begriff – getötet wurde. Heute leitet Hodzic das Fotoprojekt “Sniper Alley”, in der er vom Leben unter der Belagerung berichtet.

“Wir wissen von Söldnern und Freiwilligen aus Russland und Griechenland sowie aus der serbischen Diaspora”, so Hodzic gegenüber der DW. “Der deutsche Fotojournalist Peter Kullmann hat beschrieben, wie er Serben begegnete, die nur für zwei Tage aus Deutschland kamen, um – wie sie behaupteten – ihr Land zu verteidigen. Sie reisten freitags nach der Arbeit an und kehrten sonntags spät zurück, um montags wieder bei der Arbeit zu erscheinen.”

Ob diese Personen für ihre Beteiligung bezahlt haben oder selbst bezahlt wurden, sei nicht bekannt – aber ihre Aktivitäten hätten “blutige Spuren in den Straßen von Sarajevo hinterlassen”. Während der Belagerung Sarajevos kamen mehr als 11.000 Menschen ums Leben, darunter 1601 Kinder. Der gesamte Bosnienkrieg forderte über 100.000 Todesopfer.

Beteiligung ausländischer Söldner gut dokumentiert 

Mirsad Tokaca, Direktor des Forschungs- und Dokumentationszentrums in Sarajevo, erklärte gegenüber der DW, Analysen der zivilen Opferzahlen hätten ergeben, dass Scharfschützen in Sarajevo zwischen 300 und 350 Menschen getötet hätten. “Fast alle Opfer waren Zivilisten”, so Tokaca.

Obwohl es keine genauen Daten über die Zahl der Scharfschützentouristen gibt, ist die Beteiligung ausländischer Söldner in den Streitkräften der bosnischen Serben gut dokumentiert: “In unserer Datenbank sind rund 300 Personen aus Griechenland, Russland, der Ukraine und anderen Ländern verzeichnet, die in der serbischen Armee gekämpft haben.”

Die aktuellen italienischen Ermittlungen gegen die Hobby-Scharfschützen im Bosnienkrieg könnten zu den ersten Prozessen gegen europäische Staatsbürger führen, die außerhalb formaler militärischer Hierarchien, aber mit Unterstützung oder dem Wissen einer Kriegspartei – in diesem Fall der bosnisch-serbischen Streitkräfte – an Kriegsverbrechen beteiligt waren.

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