Schweiz rief zum Boykott von Produkten aus den USA auf

Vor knapp hundert Jahren erhöhten die USA die Zölle massiv. In der Schweiz gab es Proteste und offene Aufrufe zum Boykott von Produkten aus den USA. Was uns die Geschichte lehrt und weshalb die Schweizer Wirtschaft nach wie vor verletzlich ist.

Fast täglich gibt es aktuell Meldungen zu neuen Zöllen aus den USA. Die neue Regierung von Donald Trump verfolgt einen protektionistischen Kurs. Die Reaktionen aus Ländern wie Kanada und Mexiko sind eine Mischung aus Wut und Frustration. In Kanada rufen lokale Politiker zum Boykott amerikanischer Produkte auf. Dies war auch in der Schweiz der Fall – vor rund 100 Jahren.

1930: Stadtpräsident von Biel rief zum Boykott

Die USA erhöhten 1922 und 1930 die Zölle schrittweise von 17 Prozent auf 60 Prozent. Ein Schock, auch für die Schweiz. In Biel, dem damaligen Zentrum der Uhrenindustrie, folgte im April 1930 eine Kundgebung mit 15’000 Personen. Der damalige Stadtpräsident von Biel, Guido Müller, hielt eine flammende Rede und rief offen zum Boykott von Produkten aus den USA auf.

Die Wut war gross, weil die USA 1930 die Zölle auf Schweizer Uhren verdreifachten. Es war damals der wichtigste Wirtschaftszweig der Schweiz. 19 Prozent der Uhrenexporte gingen in die USA.

Boykott zeigte Wirkung

Die Welle der Proteste weitete sich aus und dies zeigte Wirkung. Boykottiert wurden vor allem Autos aus den USA, sowie auch Schreibmaschinen, ein damals wichtiges Produkt für die aufstrebenden Banken. In der Folge waren sowohl die Exporte als auch die Importe der Schweiz in die USA um rund 30 Prozent eingebrochen. Der Handelskrieg verursachte einen grossen wirtschaftlichen Schaden. Der Bundesrat intervenierte in Washington vergebens.

Die Handelspolitik in den USA hatte auch verheerende Auswirkungen auf den Welthandel. Dieser schrumpfte zwischen 1929 und 1932 um ein Viertel; Millionen von Arbeitsplätzen wurden abgebaut. Die Zölle beschleunigen die Abwärtsspirale der Weltwirtschaft.

Die USA wollten die Landwirtschaft schützen

Die Treiber der Abschottung der USA waren die beiden Abgeordneten Reed Smoot aus Utah und Willis C. Hawley aus Oregon – nach ihnen wurden auch die Zölle benannt: Smoot-Hawley Tariff Act. Es gab damals im Parlament eine Spaltung, die Republikaner waren für die Zölle, die Demokraten dagegen, eine ähnliche Konstellation wie auch jetzt wieder. Mit dem neuen Gesetz sollte vor allem die Landwirtschaft in den USA gestützt werden. In der Folge sanken die Importe der USA um 66 Prozent und jene der Exporte um 61 Prozent, die USA isolierten sich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Zölle fast vollständig gestrichen, man hatte die Lehren gezogen. In den folgenden Jahrzehnten war die amerikanische Handelspolitik durch liberale Grundwerte geprägt.

Schweiz erneut verletzlich

Hohe Zölle sind auch aus heutiger Sicht gefährlich. Die USA sind für die Schweizer Exporte der wichtigste Markt – in kein anderes Land liefern die Schweizer Firmen so viele Waren wie in die USA. Im vergangenen Jahr waren es Güter im Wert von 53 Milliarden Franken, das sind rund viermal mehr als noch vor 20 Jahren.

Exporte der Schweiz in die USA

in Milliarden Franken

Es sind vor allem Produkte, die sich leicht auf grosse Distanzen transportieren lassen, also vor allem auch Uhren und Medikamente. Hohe Zölle würden diese Wirtschaftszweige besonders treffen – die Pharmaindustrie könnte die Produktion in die USA verlagern, für die Uhrenindustrie wäre das kaum möglich.

Schweizer wollen US-Produkte wegen Trump boykottieren

Nach Trumps Zollhammer wollen Schweizer Gewerbevertreter lieber auf US-Marken verzichten. Sie reihen sich damit in eine wachsende Boykott-Gruppe ein. Doch es gibt auch Skeptiker. Was bringen solche Aktionen?

Wird aus der Boykottgruppe «Go European» bald ein «Go Switzerland»? In der EU häufen sich Beiträge in den sozialen Medien, die sich gegen amerikanische Produkte und für europäische Alternativen aussprechen.

Auch in der Schweiz werden Stimmen laut, die mit einem Boykott liebäugeln. Das Motto lautet: McDonald’s, Nike, Apple und Co. – nein danke!

Eine der Stimmen ist Pia Stebler. Die Ökonomin ist Präsidentin des Solothurner KMU- und Gewerbeverbandes mit über dreitausend Mitgliedern. Auf Facebook hat Stebler einen Beitrag geteilt, auf dem die Logos zahlreicher bekannter US-Firmen zu sehen sind, sogar Bezahldienste wie Paypal oder Mastercard. Stebler kommentiert die Logos mit den Worten: «diese Marken meiden».

Sie versuche tatsächlich, diese Marken zu umgehen, sagt Stebler zu Blick. Es gehe ihr dabei eher darum, ein Zeichen zu setzen. «Die Demontage des Freihandels durch die willkürliche Zollpolitik von Präsident Trump darf nicht widerspruchslos hingenommen werden.» Ihren neuen Laptop beispielsweise kaufe sie nicht bei einer US-Techfirma.

Die Ökonomin ist aber realistisch: «Kurzfristig wird unser verändertes Konsumverhalten kaum Einfluss auf Trumps Kurs haben. Da braucht es schon den Widerstand der US-Bevölkerung.» Stebler ist sich sicher, dass dieser Widerstand kommen wird, schliesslich würden auch die Amerikanerinnen und Amerikaner negative Auswirkungen der Zolltarife zu spüren bekommen.

Symbolischen Widerstand leisten

Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (61, Mitte) sieht in einem Markenboykott ein «politisch starkes Zeichen». Sie frage sich allerdings, wie wirksam diese Form des Widerstands sein kann. «Ich denke nicht, dass ein Boykott ein politischer Hebel ist, der Einfluss auf die Wirtschaft übt.» Das Nichtkonsumieren von US-Produkten sei vor allem von symbolischer Bedeutung.

Privat achtet Schneider-Schneiter dennoch vermehrt auf amerikanische Marken, «aber mehr aufgrund meines Interesses, wo es überall solche Produkte gibt», wie die Aussenpolitikerin Blick verrät.

Ständerätin Franziska Roth (58, SP) erklärt auf Anfrage: «Wenn sich eine Person individuell dafür entscheidet, gezielt Produkte von Scharfmachern wie Trump oder Musk zu boykottieren, so finde ich das durchaus legitim.» Einen generellen Boykott von Produkten aus den USA hält sie jedoch für «grundfalsch». Wie Schneider-Schneiter ist sie der Meinung, dass der Verzicht auf bestimmte Marken eher symbolischer Natur sei. Es stelle keine adäquate Antwort der Politik dar.

«Ich würde nicht auf meinen Burger verzichten»

Auch für SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (59) steht fest, dass jede Person selbst darüber entscheiden soll, welches Produkt sie kaufen will und welches nicht. Doch: «Einen grundsätzlichen Boykott finde ich unsinnig», so der Aussenpolitiker. Die symbolische Geste des Widerstandes sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er sei kein «Symbolfan», sondern eher ein Befürworter konkreter Aktionen.

So achtet Büchel bei seinem persönlichen Konsum nicht speziell auf amerikanische Produkte. «Wenn ich ein McDonald’s-Liebhaber wäre, würde ich jetzt nicht auf meinen Burger verzichten und im Ernst meinen, dass ich Trump damit abstrafe.»

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