Direkte Demokratie

Als direkte Demokratie (auch unmittelbare Demokratie oder sachunmittelbare Demokratie genannt) bezeichnet man – im engeren Sinn – sowohl Verfahren als auch ein politisches System, in dem die stimmberechtigte Bevölkerung („das Volk“) unmittelbar über politische Sachfragen abstimmt. Direkte Demokratie – so betrachtet – hat somit zwei Bedeutungen:

  1. Sie bezeichnet zum einen eine Herrschaftsform, in der die Macht direkt vom Volk in Abstimmungen ausgeübt wird, ohne Repräsentanten und repräsentative Übertragungsmechanismen. Formen davon sind die Basisdemokratie oder Anarchie.
  2. Sie bezeichnet zum anderen einzelne politische Entscheidungsverfahren, bei denen das Volk unmittelbar über Sachfragen abstimmt, in einer ansonsten repräsentativen Demokratie. Dies wird aufgrund der Kombination von Elementen direkter und indirekter Demokratie auch als halbdirekte oder plebiszitäre Demokratie bezeichnet.

In Abgrenzung zur direkten Demokratie steht die Deliberative Demokratie (entlehnt von lateinisch deliberatio ‚Beratschlagung, Überlegung‘), eine Form der Bürgerbeteiligung. Bei diesen treffen die Bürger keine Entscheidungen, sondern erarbeiten unverbindliche Vorschläge, die beratend den zuständigen Gremien zur Entscheidung unterbreitet werden, auch Partizipatorische Demokratie genannt.

Das Gegenstück zur direkten Demokratie ist die indirekte Form der Beteiligung, die Repräsentative Demokratie.

Direkte Demokratie in der Weimarer Republik

Direkte Demokratie in der Weimarer Republik. Elemente der direkten Demokratie wurden in Deutschland erstmals in der Weimarer Republik eingeführt. Die Verfassung räumte der Bevölkerung das Recht der Volksgesetzgebung ein. Mit den Unterschriften von mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten konnte dem Reichstag ein Volksbegehren vorgelegt werden. Stimmte das Parlament dem Gesetzentwurf nicht zu, kam es zum Volksentscheid, dessen Erfolg davon abhing, dass 50 Prozent des Wahlvolkes daran teilnahmen und überdies die Mehrheit der Teilnehmer mit „Ja“ stimmte. Auch der Reichstag und der Reichspräsident konnten einen Volksentscheid initiieren, dazu kam es aber in keinem Fall. Über den Haushaltsplan, über Abgabengesetze und Besoldungsordnungen konnte nur der Reichspräsident einen Volksentscheid veranlassen. Vergleichbare Regelungen fanden auch in den meisten Ländern Eingang in die jeweilige Landesverfassung.

Auf Reichsebene fanden lediglich drei Volksbegehren statt. Nur zwei davon schafften es bis zum Volksentscheid, beide konnten das Beteiligungsquorum von mindestens 50 Prozent jedoch nicht überwinden. 1926 scheiterte die von KPD und SPD unterstützte Fürstenenteignung am Beteiligungsquorum, obwohl die Debatte zu einer der umfassendsten politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik eskalierte. Das Volksbegehren „Gegen den Panzerkreuzerbau“, unterstützt von der KPD, scheiterte 1928 mit 1,2 Mio. Unterschriften bereits am Unterschriftenquorum. Der Volksentscheid gegen den Young-Plan, der von NSDAP und DNVP unterstützt worden war, scheiterte 1929 mit nur 14,9 Prozent Stimmbeteiligung ebenfalls deutlich. Angesichts der hohen Beteiligungsquoren bestand die Taktik der jeweiligen Gegner der Volksentscheide nicht darin, um eine Stimmenmehrheit zu kämpfen, sondern in einem Boykott der Abstimmung.

Mit dem ersten Plebiszit in der deutschen Geschichte wurde am 13. April 1919 die badische Landesverfassung angenommen. Diese blieb die einzige durch ein Referendum beschlossene Verfassung der Weimarer Republik. Bis 1933 wurden in den Ländern insgesamt 17 direktdemokratische Abstimmungen abgehalten, von denen neun auf die vorzeitige Auflösung des Parlamentes gerichtet waren. Nur zweimal, beim Volksentscheid in Lübeck 1924 und bei der Volksabstimmung über die Auflösung des Oldenburger Landtags 1932 führten diese tatsächlich zu Neuwahlen. Alle anderen Versuche, darunter am bekanntesten der Anfang 1931 von antidemokratischen rechten Parteien und Organisationen (StahlhelmDNVPNSDAP u. a.) sowie der KPD herbeigeführte Volksentscheid über die Auflösung des preußischen Landtages 1931, wurden entweder abgelehnt oder scheiterten am Abstimmungsquorum.

Direkte Demokratie in Deutschland

Direkte Demokratie in Deutschland. Elemente der direkten Demokratie wurden in Deutschland erstmals in der Weimarer Republik eingeführt. Auf Reichsebene fanden lediglich drei Volksbegehren statt. Nur dasjenige zur Fürstenenteignung und das Volksbegehren gegen den Young-Plan schafften es bis zum Volksentscheid, beide konnten die für Verfassungsänderungen erforderliche Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten nicht erreichen.

In der Bundesrepublik sind direktdemokratische Verfahren auf der Bundesebene schwach ausgeprägt. Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes betont die Volkssouveränität und bestimmt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen […] ausgeübt.“ Während sich „Wahlen“ immer auf Personalentscheidungen beziehen, stellen „Abstimmungen“ unmittelbare Entscheidungen des Staatsvolkes über Sachfragen dar. Dennoch sieht das Grundgesetz nur in zwei sehr eng eingegrenzten Fällen Volksabstimmungen vor: Zum einen bei der Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung, zum anderen im Falle einer Neugliederung des Bundesgebietes, bei dem lediglich die wahlberechtigten Bürger in den betroffenen Gebieten stimmberechtigt sind. Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen, ist die Bundespolitik als reines Repräsentativsystem ausgestaltet.

Auf der Länderebene sind direktdemokratische Instrumente deutlich stärker verankert. Bei der Gründung der deutschen Bundesländer nach 1945 wurden acht Landesverfassungen per Referendum angenommen. Alle bis 1950 verabschiedeten Landesverfassungen enthielten direktdemokratische Verfahren, in acht davon war die Volksgesetzgebung verankert. Die später beschlossenen Verfassungen verzichteten darauf. Die Hürden für die Volksgesetzgebung wurden so hoch gezogen, dass es, von einigen Abstimmungen über Gebietsveränderungen abgesehen, erst 1968 in Bayern zu einem Volksentscheid kam. Außerhalb Bayerns gab es bis 1997 keinen einzigen. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik spielten nur obligatorische Verfassungsreferenden in Bayern und Hessen eine Rolle. Ab 1989/90 setzte eine neue Dynamik in der Entwicklung der direkten Demokratie auf Landesebene ein. Bis 1996 wurde die Volksgesetzgebung in alle Landesverfassungen aufgenommen. Das Gesetzgebungsverfahren ist bei Initiativen aus dem Volk auf Landesebene meist als dreistufige Volksgesetzgebung ausgestaltet, beginnend mit einer Volksinitiative beziehungsweise einem Antrag auf ein Volksbegehren, gefolgt vom Volksbegehren und abgeschlossen durch einen Volksentscheid. Die gesetzlichen Regelungen variieren dabei stark, von entscheidender Bedeutung sind die geforderten Quoren sowie Fristen und Themenausschlüsse. In Bayern sowie in jüngerer Zeit in Berlin und Hamburg finden Volksentscheide deshalb in nennenswerter Zahl statt, während die Hürden dafür in anderen Ländern als nahezu unüberwindlich gelten. Kaum eine Rolle spielen Referenden zu einfachen Gesetzen, die in manchen Ländern die Landesregierung oder der Landtag ansetzen kann.

Ebenfalls seit den frühen 1990er Jahren haben sich auf der kommunalen Ebene Bürgerbegehren und Bürgerentscheide überall durchgesetzt, die es bis 1990 nur in Baden-Württemberg gab. Zeitgleich setzte sich die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten durch. Wahlen von Repräsentanten werden jedoch üblicherweise auch dann nicht zu den direktdemokratischen Verfahren gerechnet, wenn diese unmittelbar sind.

Die größten verfassungsrechtlichen Hindernisse für die Einführung direktdemokratischer Instrumente auf Bundesebene stellen im politischen System Deutschlands der Föderalismus und der in der Bundesrepublik besonders ausgeprägte Vorrang des Grundgesetzes dar. Die demokratietheoretischen Argumente unterscheiden sich in der deutschen Debatte nicht grundsätzlich von denen in anderen Ländern. Ablehnende Haltungen gegenüber der Einführung bundesweiter Volksentscheide werden aber häufig mit den „Weimarer Erfahrungen“ begründet, während positive Einstellungen oft mit einer Parteienkritik einhergehen oder auf diese reagieren.

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