Deutsche Botschaft Windhuk

DDR Botschaft Windhuk

Die Eröffnung der letzten DDR-Botschaft in Windhuk

Kurz vorm Ende der SED-Regierung entstand noch im März 1990 in Namibia die letzte DDR-Botschaft. Unser Autor beschreibt, wie ost- und westdeutsche Regierungen sich in Südwestafrika zu profilieren versuchten.

Windhuk, Namibia: Noch 1990 wurde die letzte DDR-Botschaft weltweit eröffnet.
Windhuk, Namibia: Noch 1990 wurde die letzte DDR-Botschaft weltweit eröffnet.

Während sich am 18. März 1990 die Augen der internationalen Öffentlichkeit auf die ersten freien Wahlen in der zerbröselnden DDR richteten, sorgte diese nur drei Tage später am anderen Ende der Welt für ein hierzulande im Trubel der Ereignisse kaum wahrgenommenes Kuriosum. In Namibias Hauptstadt Windhuk eröffnete sie heute vor 34 Jahren noch ihre weltweit letzte Botschaft. Dabei hatte ihr Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten schon am 12. Januar 1990 bekannt gegeben, aus Kostengründen erste Botschaften der DDR in anderen Ländern schließen zu müssen. Aktenfunde aus dem DDR-Außenministerium und den Führungsgremien der SED geben preis, dass der beinahe paradoxe Vorgang lang geplante strategische Hintergründe hatte.

Außenpolitisch war Namibia Ende der 1980er-Jahre kein Top-Thema der DDR wie etwa die Sowjetunion, die BRD, Polen oder Ungarn. Im Rahmen ihrer Afrikapolitik aber hatte Namibia einen gewissen Stellenwert. Dieser ergab sich einerseits aus den engen Verbindungen der herrschenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zur Südwestafrikanischen Volksorganisation (SWAPO), die gegen die Besatzung Namibias durch Südafrika ankämpfte. Bereits 1962 hatte ihr Anführer Sam Nujoma die DDR besucht. Seit 1977 bestanden Parteibeziehungen zwischen SED und SWAPO, die ab 1978 in Ost-Berlin eine eigene Vertretung besaß. Beide Parteien sahen sich in weltanschaulichen und außenpolitischen Fragen des Sozialismus, des Antikolonialismus und der Anti-Apartheid-Bewegung verbunden, welche die DDR im Rahmen ihrer antiimperialistischen Solidarität stets lautstark vertrat.

Doch damit gingen andererseits handfeste Interessen einher, die ab Ende 1978 in der SED-Führung kursierten. Denn am 29. September 1978 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) in seiner Resolution 435 den Fahrplan für Namibias Freiheit festgelegt. Er sah freie Wahlen, die Bildung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung und die Unabhängigkeit Namibias von Südafrika vor. Diese Transformation sollte unter Aufsicht einer UN-Mission (United Nations Transition Assistance Group, UNTAG) möglichst rasch beginnen, weshalb die SED schon damals neben ihren ideologischen Sympathien mehrere Intentionen mit Namibia verband.

Das betraf zunächst den von der Entwicklungsländerkommission beim SED-Politbüro zu der Zeit forsch forcierten Afrika-Außenhandel. Das Sekretariat des SED-Zentralkomitees (ZK) beschloss bereits am 3. Januar 1979 ein Konzept für die Wirtschaftsbeziehungen mit einem vermeintlich schon bald befreiten Namibia. Die SED begehrte vor allem die reichen Fischbestände vor Namibias Atlantikküste und dessen Bodenschätze (Uran, Diamanten, Silber, Kupfer, Wolfram, Lithium) und hoffte auf Namibia als künftigen Exportmarkt. Hier schnell handlungsbereit zu sein, war den Auslandsstrategen der Partei und der involvierten Ministerien für Außenhandel und Auswärtiges besonders deshalb wichtig, da sie vermuteten, Namibia würde gar noch vor dem im April 1980 unabhängig werdenden Simbabwe seine Freiheit erlangen. Allein der Umstand, dass für Simbabwe kein solches Wirtschaftskonzept vorlag, illustriert die damals Namibia beigemessene Bedeutung.

1973: BRD und DDR werden Mitglieder der UN

Diese speiste sich zweitens aus dem Kalkül, eine aktivere Präsenz in den Vereinten Nationen zu entfalten. Denn dort war die DDR erst wenige Jahre zuvor (1973) gemeinsam mit der BRD aufgenommen worden und suchte nach Profilierungsoptionen. Friedensmissionen der UN (als „Blauhelmmissionen“ bekannt) wie jene in Namibia boten dazu die Chance. Zudem konnte die DDR mit der Teilnahme an einem solchen Einsatz ihren eigenen UN-Mitgliedsbeitrag teilweise refinanzieren. Wobei sich vor dem historischen Hintergrund Namibias als frühere deutsche Kolonie (1884–1915) und den bis heute dort lebenden deutschsprachigen Namibiern im Kontext der geplanten Loslösung Namibias von Südafrika die Brisanz damaliger deutsch-deutscher Rivalitäten widerspiegelte. Denn auch die Bundesrepublik war als Teil einer Verhandlungsgruppe (mit USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien) mit Namibias Unabhängigkeitsprozess befasst und betrat mit einer Teilnahme daran wie die DDR Neuland.

Diese stellte die Bonner Kontakte zur deutschstämmigen Gemeinde Namibias pauschal in die Ecke Ewiggestriger. Das ZK-Sekretariat der SED ging 1979 davon aus, dass ein UN-Einsatz in Namibia „in besonderer Konfrontation mit der BRD“ ablaufen würde. So wetterte im Oktober 1976 Peter Florin als DDR-Vertreter bei den Vereinten Nationen in New York, man „habe nichts mit jenen in Namibia wirkenden reaktionären deutschstämmigen Kräften gemein, die immer noch auf der Kaiserstraße und anderen nach notorischen Faschisten wie Göring und Goebbels benannten Plätzen marschieren“. Wobei er geflissentlich verschwieg, dass die damalige Göringstraße in Windhuk gar nicht Nazi-Reichsmarschall Hermann Göring, sondern dessen Vater Heinrich galt (der im einstigen Deutsch-Südwestafrika als Reichskommissar fungierte) und es einen Goebbels-Platz dort gar nicht gab.

Und drittens wollte die DDR mit der Aufnahme offizieller Beziehungen zu einem freien Namibia diplomatische Präsenz in direkter Nachbarschaft zu Südafrika zu zeigen, das ihr mit seinem Apartheid-System der gesellschaftlichen Rassentrennung in Afrika als Feindbild Nummer eins galt. Dafür brauchte es auch eine DDR-Botschaft in Windhuk. Doch erst über zehn Jahre später sollte es dazu kommen. Denn die Namibia-Frage war im Kalten Krieg der 1980er-Jahre engstens mit dem zum brutalen Stellvertreterkonflikt ausgearteten Bürgerkrieg im benachbarten Angola verwoben. Kuba und die Sowjetunion (mit der DDR im Schlepptau) einerseits sowie Amerika und Südafrika andererseits griffen militärisch entweder direkt oder indirekt dort ein und unterstützten verschiedene regionale Kampfparteien massiv mit Waffen. Erst am 22. Dezember 1988 lösten Gespräche in New York die starre Situation: Kuba zog sich aus Angola zurück. Dafür stimmte Südafrika der Unabhängigkeit Namibias und dem Start der dortigen Friedensmission zum 1. April 1989 zu.

Eilige Namibia-Pläne aus der Politbüro-Schublade

In Ost-Berlin war all das aufmerksam registriert worden. Bereits am 2. September 1988 hatte Außenminister Oskar Fischer UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar offensiv die Mitwirkung der DDR an der UN-Mission angeboten. Zu ihr gehörte auch eine Polizeikomponente zur Überwachung der Lage in Namibia. Am 8. September 1988 beauftragte das ZK-Sekretariat der SED das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, für dieses Kontingent geeignetes Personal zu finden, um für die eventuelle Beteiligung der DDR daran mit einer eigenen Einheit gewappnet zu sein. Und am 20. Dezember 1988 holte das SED-Politbüro die Namibia-Pläne von 1978 in aktualisierter Variante aus der Schublade. Involvierte Institutionen drückten aufs Tempo. So hatte mit Udo-Dieter Wange der Minister für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie schon am 16. November 1988 der Erarbeitung eines Fischereiabkommens zugestimmt.

Am 26. Januar 1989 schlug das DDR-Verkehrsministerium ein Luft- und Schiffsverkehrsabkommen mit Namibia vor. Und das Ministerium für Außenhandel gab am 20. Februar 1989 bekannt, dass für DDR-Betriebe der Handel mit namibischen Firmen „ab sofort“ möglich war, sofern sich damit keine Kontakte nach Südafrika verbanden, um nicht in den Verruf eventueller Geschäfte mit dem Erzfeind zu geraten.

So verwundert es kaum, dass die erste aus den sozialistischen Staaten des Warschauer Paktes nach Namibia reisende Handelsdelegation im Oktober 1989 aus der DDR kam. Sie sprach in Windhuk, Tsumeb, Grootfontein, der Okanvango-Region, Swakopmund und Arandis mit über 20 Wirtschaftsvertretern, Bauernverbänden, Bergbaufirmen und Unternehmen. Außenhandelsbetriebe wie Interpelz Leipzig, die Deutsche Außenhandelsbank, der VEB Agro-Consult Dresden oder Fischimpex Rostock sollten künftig mögliche Namibia-Geschäfte ankurbeln. Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1990 sollte die DDR-Außenhandelskammer erstmals eine Wirtschaftsdelegation Namibias einladen, die staatliche Interflug eine Flugroute nach Windhuk prüfen.

DDR-Botschaft in Windhuk: Die Immobilien waren schon gekauft

Parallel stimmte am 26. April 1989 das ZK-Sekretariat der SED den von den Ministerien für Auswärtiges, Außenhandel und Finanzen entworfenen Plänen für eine DDR-Botschaft in Windhuk mit 14 Mitarbeitern und lokalem Personal zu, inklusive Handelsabteilung. Reserviert waren dafür noch für 1989 1,23 Millionen Valutamark (also Devisen) sowie 1,24 Millionen Mark der DDR. Vor allem, weil die DDR damals schon fünf Immobilien als Wohn- und Verwaltungsgebäude in Windhuk erwarb. Darunter zwischen den beiden prominenten Herrenhäusern Heinitzburg und Schwerinsburg ein Botschaftsgebäude, das heute die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau beherbergt.

Um all dies in die Wege zu leiten, hatte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten den umsichtigen und erfahren Afrika-Diplomaten Dr. Hans-Georg Schleicher auserkoren. Wie 30 andere Staaten (darunter die Bundesrepublik) war die DDR zur Begleitung des Friedensprozesses in Namibia von April 1989 bis April 1990 mit einer diplomatischen Beobachtermission präsent, die Schleicher leitete. Zu betreuen hatte er auch die im Herbst 1989 von der DDR entsandten Wahlbeobachter und die nun tatsächlich für die Vereinten Nationen in Namibia tätige Polizeieinheit der DDR. Dass auch die Bundesrepublik dort mit Wahl- und Polizeibeobachtern aktiv war, verlieh der deutsch-deutschen Präsenz im Land unter der blauen Flagge der Vereinten Nationen noch vor der deutschen Einheit eine zusätzlich kuriose Note.

Als Namibia am 21. März 1990 unabhängig wurde, stellte es sofort diplomatische Beziehungen mit beiden deutschen Staaten her und die letzte Botschaft der DDR weltweit wurde eröffnet. Namibia selbst richtete im März 1990 in der DDR noch ein Generalkonsulat ein. Die einstigen Zukunftspläne der SED für die künftigen Namibia-Beziehungen der DDR wurden von deren Ende überrollt. Zwar hatte die Regierung Namibias für den Einsatz eines DDR-Botschafters noch im Frühjahr 1990 das entsprechende Agrément erteilt, doch entsandt wurde dieser von der ab 5. April 1990 amtierenden neuen DDR-Regierung nicht mehr. Die Botschaft der DDR in Windhuk wurde am 2. Oktober 1990 geschlossen.

(https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/vermitteln/wissenschaft/promotionsfoerderung-stipendienprogramm/stipendiaten/daniel-lange/ddr-afrika-sport/ddr-botschaft-windhuk)

BRD Botschaft Windhuk

Logo
Sanlam Centre, Gebäude, in dem die Kanzlei der Botschaft Windhuk untergebracht ist

Die Deutsche Botschaft Windhuk ist die offizielle diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Namibia.

Die Botschaft liegt im Stadtteil Windhoek-Zentral, im 6. Obergeschoss eines großen Gebäudekomplexes, dem Sanlam Centres.

Auftrag und Organisation

Die Botschaft Windhuk hat den Auftrag, die bilateralen Beziehungen zum Gastland Namibia zu pflegen, die deutschen Interessen gegenüber der namibischen Regierung zu vertreten und die Bundesregierung über Entwicklungen im Gastland zu unterrichten.

In der Botschaft werden die Sachgebiete Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung sowie Entwicklungszusammenarbeit bearbeitet. Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wird als wichtiger Bestandteil der Beziehungen zwischen Namibia und der früheren Kolonialmacht Deutschland angesehen. Seit 1990 wurden (bis 2020) mehr als 1,4 Milliarden Euro für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um die höchste Pro-Kopf-Zuwendung Deutschlands weltweit.[2] Schwerpunkte sind das Management natürlicher Ressourcen, Transport und Logistik sowie nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.

Das Rechts- und Konsularreferat der Botschaft bietet alle konsularischen Dienstleistungen für in Namibia ansässige deutsche Staatsangehörige an. Es werden Visaanträge namibischer Staatsangehöriger für das Schengengebiet bearbeitet. Die Botschaft ist ebenfalls für die Visaabwicklung für BelgienFrankreichGriechenlandLuxemburgMaltaNiederlandeÖsterreichUngarn und die Schweiz zuständig. In der Botschaft werden in der Regel Rechtsreferendare (Verwaltungs- oder Wahlstation) ausgebildet.[3] Die Botschaft unterhält eine telefonische Rufbereitschaft für konsularische Notfälle deutscher Staatsangehöriger außerhalb der Dienstzeit.

Der Militärattaché der Botschaft Pretoria (in Südafrika) ist in Namibia nebennotifiziert.

Eine bedeutende Aufgabe der Botschaft Windhuk war ihre Beteiligung am Zustandekommen des im Mai 2021 vereinbarten bilateralen Abkommens zur Wiedergutmachung deutscher Kolonialverbrechen.

Der Botschaft ist die Beratergruppe der Bundeswehr (englisch: German Armed Forces Technical Advisory Group, GAFTAG) angegliedert.

Geschichte

Namibia wurde am 21. März 1990 von der südafrikanischen Besatzung unabhängig. Die Bundesrepublik Deutschland eröffnete am selben Tag eine Botschaft in Windhuk.

Die DDR und Namibia nahmen ebenfalls am 21. März 1990 diplomatische Beziehungen auf. Die gerade eröffnete und von einem Geschäftsträger geleitete Botschaft wurde mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nach einigen Monaten wieder geschlossen.

Die skurrile Zusammenarbeit zwischen DDR und BRD in Namibia

34 Jahre nach dem Mauerfall

Untergegangen im Wendeherbst: Warum nahmen DDR und BRD noch vor dem Mauerfall in der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia an einer Blauhelmmission der Vereinten Nationen teil?

Ein Bild aus dem November 1989: Obermeister Hans-Joachim Bruhn (Mitte) aus der BRD neben Hauptmann Jürgen Barme aus der DDR (li.) im angolanischen Grenzgebiet in Namibia.
Ein Bild aus dem November 1989: Obermeister Hans-Joachim Bruhn (Mitte) aus der BRD neben Hauptmann Jürgen Barme aus der DDR (li.) im angolanischen Grenzgebiet in Namibia.

Wie üblich, bat die Deutsche Botschaft in Windhuk kürzlich zum Tag der Deutschen Einheit zu einem Empfang. Botschaftsvertreter Andreas Götze erwähnte in seiner Festrede auch die in Deutschland und Namibia parallele Zeitenwende 1989/90.

Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, fanden in Namibia erstmals freie Wahlen statt. Als in der DDR erstmals frei gewählt wurde (18. März 1990), wurde Namibia von Südafrika unabhängig (21. März 1990). Einen Tag später eröffnete die DDR in Windhuk ihre letzte Botschaft.

Angesichts der Aufnahme beider damaliger deutscher Staaten in die Vereinten Nationen (VN / UN) vor 50 Jahren erinnerte Götze daran, dass sich DDR und BRD 1989/90 auch an der damaligen Friedensmission der UN in Namibia beteiligten. Trotz Wendewirren hatten sie eigene Polizeibeobachtereinheiten aus Volkspolizei und Bundesgrenzschutz an das andere Ende der Welt entsandt, um dort den Abzug Südafrikas und freie Wahlen mit zu überwachen und so Namibia den Weg in die Freiheit zu ebnen.

Teilweise verrichteten beide deutschen Kontingente ihren Dienst in Namibia gar gemeinsam. Was damals kaum beachtet wurde, wirkt im Rückblick skurril. Was hatte es mit der vorgezogenen deutschen Einheit im afrikanischen Busch auf sich? Für die DDR war der UN-Einsatz in Namibia der markante Schlusspunkt ihrer Afrikapolitik.

Südafrika galt als Besatzungsmacht

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der deutschen Kolonialzeit hatte der Völkerbund 1920 Südafrika die Verwaltung für das damalige Südwestafrika übertragen. Doch nach der Etablierung seines Apartheidsystems auch in Namibia und angesichts der bewaffnet dagegen kämpfenden Südwestafrikanischen Volksorganisation (SWAPO) entzogen ihm die nach 1945 an die Stelle des Völkerbundes tretenden UN 1966 dieses Mandat wieder.

Südafrika galt nun als Besatzungsmacht. Daher erließ der UN-Sicherheitsrat 1978 die wegweisende Resolution 435. Diese ordnete die Umsetzung der oben genannten Schritte in Namibia unter Aufsicht einer UN-Mission an. Doch Südafrika verzögerte die Verwirklichung jener Resolution noch bis April 1989. Daran beteiligten sich schließlich 109 Staaten mit 1500 Polizei- und 4500 Militärbeobachtern, 2000 Zivilisten sowie 27 Staaten – zu denen DDR und BRD ebenfalls gehörten – mit 885 Wahlbeobachtern.

UN-Generalversammlung im Jahr 1978. Der US-Außenminister Cyrus R. Vance stimmt für die Namibia-Resolution. 
UN-Generalversammlung im Jahr 1978. Der US-Außenminister Cyrus R. Vance stimmt für die Namibia-Resolution.

Blutiger Guerillakampf in Namibia

Vor diesen Hintergründen reichten die Namibia-Intentionen beider deutschen Staaten bis 1978 zurück. So gab es in der BRD enge Wirtschaftskontakte mit Südafrika und parteipolitischen Dissens darüber, wie mit der als Befreiungsorganisation agierenden SWAPO umzugehen sei.

Darüber hinaus war strittig, ob ein UN-Einsatz in Namibia vom Grundgesetz gedeckt und wie ein solch erstmaliger, militärisch anmutender Auslandseinsatz der BRD zu bewerkstelligen sei – mit Armee, Polizei, Grenzschutz?

Parallel fasste der Bundestag im März 1989 mit Blick auf die deutsche Kolonialzeit einen ersten Beschluss zur „besonderen Verantwortung der BRD für Namibia und alle seine Bürger“. Die BRD war zudem Teil einer Kontaktgruppe aus Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Kanada, die mit Südafrika über die Umstände des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia verhandelte.

Diese wurden ab 1982 extrem komplex, da die Vereinigten Staaten den Abzug Südafrikas aus Namibia mit der Forderung nach dem Rückzug Kubas aus dem benachbarten Angola verbanden. Der dortige Bürgerkrieg war von der Sowjetunion und Kuba einerseits sowie den Vereinigten Staaten und Südafrika anderseits heftig befeuert worden. Damit verwoben lieferten sich südafrikanische Militärs und SWAPO-Milizen im angolanisch-namibischen Grenzgebiet einem blutigen Guerillakampf, der als „Buschkrieg“ traurige Bekanntheit erlangte.

SED-Politbüro hatte Namibia fest im Blick

Konträr dazu verliefen die Namibia-Planspiele der DDR. Für sie galt die antikoloniale Diktion der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), nach der sogenannte Befreiungsorganisationen mit „sozialistischer“ oder „kommunistischer Orientierung“ mit „antiimperialistischer Solidarität“ unter dem Credo der „Völkerfreundschaft“ zu protegieren waren.

Deshalb unterhielt die SED ab 1977 offizielle Parteibeziehungen zur SWAPO. Das aber war nur der ideologische Rahmen für das Namibia-Engagement der DDR. So hatte Namibia für ihre Afrikapolitik am Ende der 1970er Jahre große Bedeutung, weil dessen Dekolonialisierung noch vor der 1980 erfolgenden Unabhängigkeit des benachbarten Simbabwe erwartet worden war.

Namibia wäre so ein wichtiger Regionalpartner der DDR in direkter Nachbarschaft zu Südafrika geworden, dessen Apartheid-Regime ihr als Erzfeind galt. Mit der Unabhängigkeit Namibias verband sie die Hoffnung, die sozialistischen Einflusssphären im südlichen Afrika deutlich zu erweitern. Zugleich hatte eine Beteiligung an einer Blauhelmmission in Namibia für die DDR Pilotprojektcharakter, da sie noch nie an solch einer Operation mitgewirkt hatte und sich so in der UN profilieren wollte.

Und auch die Entwicklungsländerkommission des SED-Politbüros unter Vorsitz von Wirtschaftsboss Günter Mittag hatte Namibia fest im Blick, um den Außenhandel der DDR anzukurbeln. Das Sekretariat des Zentralkomitees der SED beschloss daher am 3. Januar 1979 ein Handelskonzept, das 1989 wieder aktuell wurde. Im Fokus standen dabei der Fischfang vor Namibias Atlantikküste und dessen Bodenschätze (so Uran, Diamanten oder Kupfer).

Begeisterte Anhänger auf dem Dach eines Fahrzeugs: Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung trifft der SWAPO-Führer Sam Nujoma am 14.09.1989 in Windhuk ein. Namibia stand seit 1920 unter südafrikanischer Verwaltung.
Begeisterte Anhänger auf dem Dach eines Fahrzeugs: Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung trifft der SWAPO-Führer Sam Nujoma am 14.09.1989 in Windhuk ein. Namibia stand seit 1920 unter südafrikanischer Verwaltung.

DDR-Beamte, die sich freiwillig zum Einsatz in Namibia meldeten

Dass die UN schließlich die Beteiligung beider deutscher Staaten anforderte, war militärischen Unruhen in Namibia Anfang April 1989 geschuldet. Der UN-Sonderbeauftragte für Namibia, der Finne Marthi Athisaari, erhöhte deshalb bis zum Herbst 1989 die Zahl der UN-Polizeikräfte auf 1500 Mann, um die Sicherheitslage im Land zu stabilisieren. Erstmals in der UN-Geschichte besaß eine Blauhelmmission solch einen zivilen Polizeiapparat (CIVPOL genannt). Zudem war Athisaari darauf bedacht, beide deutsche Staaten hier einzubeziehen, um so vor allem in der deutschstämmigen und deutschsprachigen Bevölkerung Namibias um Vertrauen in den Unabhängigkeitsprozess zu werben.

Die BRD stellte den UN Anfang September 1989 50 Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) bereit. Innenminister Wolfgang Schäuble stimmte dem nur ausnahmsweise zu, da der BGS für derlei Auslandsaufträge nicht zuständig war. Um jegliche Neutralität zu wahren, durften die ausgewählten BGS-Beamten keine Verwandten in Namibia haben.

Für die DDR war das Finden von Polizisten mit den in den UN nötigen Englischkenntnissen ein Problem. Daher zog man aus den Ministerien für Nationale Verteidigung, Auswärtige Angelegenheiten, Inneres und Staatssicherheit 30 mit Auslandsthemen befasste Fachkräfte zusammen und versetzte sie kurzerhand in den Rang eines Offiziers der Deutschen Volkspolizei. Die Stasi hatte dafür nur einen Mitarbeiter abgestellt, wohl wissend, dass sie zehn weitere Angehörige des Kontingents als inoffizielle Mitarbeiter zumindest erfasst hatte.

Am 11. Oktober 1989 verabschiedete der stellvertretende Außenminister Bernhard Neugebauer das UN-Kontingent der DDR auf dem Flughafen Schönefeld nach Namibia. Sieben Tage später wurde Erich Honecker als Generalsekretär der SED im Politbüro gestürzt. Er hatte am 5. September 1989 Außenminister Oskar Fischer die Freigabe für den Einsatz erteilt.

Damals hatte sich die Lage in der DDR mit Massenprotesten und Ausreisewelle längst hochgeschaukelt. Vier Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) aus Peenemünde gaben sich davon unberührt. Sie bewarben sich für die UN-Mission am 2. Oktober 1989 bei Honecker direkt. Für sie war es „Pflicht, uns zum Ruhme unseres Landes, zur Stabilisierung der Lage in Namibia, natürlich freiwillig zu bewerben. Das soll auch eine Antwort auf den Verrat der ‚DDR-Bürger‘ sein, die meinen im ‚goldenen Westen‘ ein neues Vaterland zu finden“. Der Brief ist im Bundesarchiv erhalten.

November 1989: Hans-Joachim Bruhn (re., Bundesgrenzschutz BGS) betrachtet gemeinsam mit einem Volkspolizisten (2.v.re.) eine Granate im angolanischen Grenzgebiet in Namibia.
November 1989: Hans-Joachim Bruhn (re., Bundesgrenzschutz BGS) betrachtet gemeinsam mit einem Volkspolizisten (2.v.re.) eine Granate im angolanischen Grenzgebiet in Namibia.

In Namibia setzte sich die DDR für freie Wahlen ein

In Namibia, wo Linksverkehr herrscht, hatten beide deutschen Kontingente zunächst eine Fahrprüfung zu bestehen. Schotterpisten, freilaufende Tiere in der Wildnis und vermintes Gelände an der Grenze zu Angola geboten höchste Vorsicht. Extreme Hitze, instabiler Zugang zu Strom und Wasser oder eine eingeschränkte Versorgungslage prägten das Leben der Polizeibeobachter. Quartier fanden sie in Bungalows und Wohnwagen, in Schulen oder bei Farmern.

In ihrer täglichen Arbeit hatten sie die südafrikanische Polizei zu überwachen, Munition unschädlich zu machen oder Wahlkampfveranstaltungen beizuwohnen. Wichtig war der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung, um der UN-Mission Akzeptanz zu verschaffen, etwa in Gesprächen mit Oberhäuptern verschiedener Stammesgruppen oder durch Besuche bei Parteien, in Schulen oder Kirchen.

Zusammen stationiert waren ost- und westdeutsche Polizeibeobachter mit Kollegen aus Indien, Pakistan, Schweden und Kanada im nordnamibischen Ort Ombalantu. Es entwickelte sich ein kameradschaftliches Verhältnis, das auch gemeinsame Grillabende unter den für Namibia typischen Kameldornbäumen mit namibischem Wildfleisch und deutschem Apfelmus einschloss und aus dem Freundschaften entstanden.

Der Dienst in der abgelegenen Weite Namibias hatte aber den Nachteil, dass Neuigkeiten aus der Heimat nur schwerlich durchdrangen. Die Nachricht vom Mauerfall kam in der Wildnis deshalb verzögert an und erreichte einige deutsche Polizeibeobachter zufällig, als sie gerade im angolanischen Grenzgebiet auf Buschpatrouille waren.

Beamte des Bundesgrenzschutzes und der Volkspolizei im UNTAG-Lager in Ombalantu während eines Besuchs in Namibia.
Beamte des Bundesgrenzschutzes und der Volkspolizei im UNTAG-Lager in Ombalantu während eines Besuchs in Namibia.

Eingeläutet war damit nicht nur der Umbruch in der DDR, sondern auch das Ende ihrer UN-Pläne. Denn für künftige UN-Einsätze hatte die NVA im September 1989 damit begonnen, Überlegungen für zwei eigene UN-Kompanien zu entwickeln, die im Luftsturmregiment 40 in Lehnin bei Potsdam ausgebildet werden und dann dauerhaft zur Verfügung stehen sollten. Während die westdeutsche UN-Einheit am 6. April 1990 Namibia verließ, reiste das ostdeutsche Kontingent am 4. März 1990 zurück in seine Heimat, die nun eine total veränderte war und wo nur wenige Tage später erstmals freie Wahlen stattfanden. In Namibia setzte sich die DDR für freie Wahlen ein, doch den eigenen Bürgern hatte die SED diese stets vorenthalten.

(https://www.berliner-zeitung.de/open-source/namibia-im-november-1989-skurrile-zusammenarbeit-der-ddr-mit-der-brd-li.2156014)

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