Bolschewismus
Bolschewismus (Wortherkunft: Bolschewiki; wörtlich übersetzt ‚Mehrheitler‘, eine Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands) war zunächst ein ideengeschichtlicher Begriff, mit dem die von Lenin geschaffene weltanschaulich-politische Lehre und die auf die russischen Verhältnisse angewandte Auslegung des Marxismus bezeichnet wurde. In der politischen Philosophie entsprach der Bolschewismus dem Dialektischen Materialismus, in der ideologisch-politischen Bedeutung zunächst (bis 1924) dem Leninismus, später dann dem Marxismus-Leninismus. Zunächst konkret von der radikalen Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), den Bolschewiki, als Eigenbezeichnung benutzt, wurde in der Folge der Russischen Revolutionen von 1905 und 1922 das Bild vom „Bolschewismus“ vornehmlich von erklärten „Antibolschewisten“ geprägt und als Kampfbegriff gegen sämtliche Kommunistische Parteien in Europa verwendet. In Deutschland hefteten insbesondere die Nationalsozialisten dem Begriff ein antisemitisches Vorzeichen an, so dass in der Folge die Begriffe „Bolschewist“ und „Jude“ propagandistisch nahezu synonym verwendet wurden (siehe auch „jüdischer Bolschewismus“). Zur Etablierung dieser Gesinnung hatte vor allem der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg beigetragen, der die Revolution von 1917 in Moskau als Student miterlebte und 1922 seine antisemitische Kampfschrift Pest in Russland veröffentlichte. Im Rahmen des Ost-West-Konflikts nach dem Zweiten Weltkrieg verloren der Bolschewismus als politisches Phänomen und auch der Begriff selbst immer mehr an Bedeutung.
Jüdischer Bolschewismus
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Jüdischer Bolschewismus, Judeo-Bolschewismus oder Judäo-Bolschewismus ist ein von antisemitischen Antikommunisten häufig benutztes polemisches Schlagwort. Es wurde zuerst nach 1917 von gegen die Oktoberrevolution opponierenden Kreisen in Russland – vor allem im Kontext des bis 1920/21 andauernden dortigen Bürgerkriegs – verbreitet und war in der Nachwirkung des Ersten Weltkriegs auch im restlichen Europa und in Nordamerika in der entsprechenden Propaganda angewendet worden.
Die abwertend konnotierte Begriffskombination sollte den Eindruck einer pauschalen Identitätsgemeinschaft von Juden mit Kommunisten und insbesondere den Bolschewiki entstehen lassen. Große Bekanntheit erlangte sie vor allem durch Reden und Schriften in Deutschland während der Diktatur des Nationalsozialismus ab 1933 – insbesondere von Adolf Hitler und Heinrich Himmler – sowie durch Befehle der Generalität der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, speziell zu dem als Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion geplanten und 1941 begonnenen Deutsch-Sowjetischen Krieg („Unternehmen Barbarossa“).
Kulturbolschewismus
Der Begriff Kulturbolschewismus ist ein politisches Schlagwort, das in einem abwertenden Sinn für Künstler, Kunst, Architektur und Wissenschaft verwendet wurde, die entsprechend den Vorstellungen des Nationalsozialismus als zu progressiv und linksgerichtet abgelehnt wurden. Er leitet sich von der Bezeichnung Bolschewismus für die kommunistische Lehre russischer Prägung ab. Der Begriff unterstellt den damit abgestempelten Künstlern, Wissenschaftlern und Kunstwerken, sie seien in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik „Schrittmacher des sich verbreitenden politischen Bolschewismus“ gewesen und wollten „mit Kunst den Bolschewismus vorbereiten.“ Die so Angegriffenen setzten sich – solange es ihnen noch nicht verboten war – gekonnt ironisch zur Wehr, wie Carl von Ossietzky:
„Wenn der Kapellmeister Klemperer die Tempi anders nimmt als der Kollege Furtwängler, wenn ein Maler in eine Abendröte einen Farbton bringt, den man in Hinterpommern selbst am hellen Tag nicht wahrnehmen kann, wenn man für Geburtenregelung ist, wenn man ein Haus mit flachem Dach baut, so bedeutet das ebenso Kulturbolschewismus wie die Darstellung eines Kaiserschnitts im Film. Kulturbolschewismus betreibt der Schauspieler Chaplin, und wenn der Physiker Einstein behauptet, daß das Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit nur dort geltend gemacht werden kann, wo keine Gravitation vorhanden ist, so ist das Kulturbolschewismus und eine Herrn Stalin persönlich erwiesene Gefälligkeit.“
Den Begriff selbst geprägt hatte der Theaterkritiker Alfred Mühr in seiner 1927 erschienenen Kritik des Stückes Gewitter über Gotland von Ehm Welk.
Der von der NS-Propaganda oft verwendete davon abgeleitete Terminus „Baubolschewismus“ oder „Kunstbolschewismus“ wurde vom Berner Architekten Alexander von Senger geprägt, der damit ursprünglich moderne architektonische Ideen brandmarken wollte, die ihre Wurzeln in Moskau hätten. Bis 1933 gehörte das Schlagwort zum Vokabular aller bürgerlichen Parteien und bezeichnete Kulturverfall im weitesten Sinne (siehe auch: Kulturpessimismus). Danach erhielt es die Bedeutung des „Kampfes gegen zersetzende artfremde … Kultur“ und sogenannte „entartete Kunst“.
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