Chinesischer Adel
Der Adel im Kaiserreich China unterlag einer mehrtausendjährigen Wandlung. Früher als in Europa bildete sich ein Feudalwesen, eine sesshafte Verwaltung und schließlich ein Staatswesen heraus, welches die Kultur und Sozialstruktur des Reiches prägte. Trotz innerer und äußerer Umbrüche blieben typische Ausprägungsformen gleich, etwa das Patriarchat, die Primogenitur zahlreicher Titel oder die Zentralgewalt des obersten Herrschers und seines Hofes. Erst mit der Abschaffung des Kaiserreichs wurde die gesellschaftliche Machtstellung des chinesischen Adels gebrochen.
Übersicht
Üblicherweise werden chinesische Titel wie folgt in europäische Titel übertragen und umgekehrt:
- huáng (皇帝, Huángdì) – Kaiser
- wáng (王, wáng) – Prinz/König
- gōng (公爵, gōngjué) – Herzog
- hóu (侯爵, hóujué) – Markgraf
- bó (伯爵, bójué) – Graf
- zǐ (子爵, zǐjué) – Vicomte
- nán (男爵, nánjué) – Baron
Die letzten fünf dieser Adelsränge werden als Wujue (五爵, wǔjué – „Fünf Ränge“) bezeichnet.[1]
Geschichtlicher Hintergrund: Zhouli
Das Adelssystem Chinas bildete sich im 1. Jahrtausend v. Chr. während der Zhou-Dynastie heraus. Anhänger des Konfuzius kodifizierten in dem Werk über die Riten der Zhou (周禮, zhōulǐ) kurz nach Christi Geburt das überlieferte Adelssystem der Zhou-Dynastie, welches zur Grundlage für die Adelsstufen in China wurde, auch wenn das System sich beständig fortentwickelte.
Historische Grundlage für das konfuzianische Zhōulǐ waren das feudale Belohnungssystem (封建, fēngjiàn) und das Erb- beziehungsweise Stammesrecht (宗法, zōngfǎ) während der mehrhundertjährigen Zhou-Dynastie. Demnach konnten Titel vergeben werden, welche erblich auf den ältesten Sohn übergingen. Weitere Söhne, gleich ob mit der Hauptfrau, mit einer Konkubine oder mit einer Mätresse, erhielten den Rang eine Stufe niedriger als der des Vaters. Diese Regelung sorgte dafür, dass etwa alle jüngeren Nachfahren eines Gong in der fünften Generation aus dem Adel herausfielen.
Das System des Zhōulǐ teilte neben den Adligen (諸侯, zhū hóu) auch die nichtadeligen Stände in weitere Schichten ein: Gewöhnliche (庶民, shù mín), Freie (士, shì), Beamte bzw. Bürokraten (大夫, dà fū) und Minister (卿, qīng). Die Bedeutung dieser Begriffe verschob sich aber im Laufe der Zeit; so wurde beispielsweise aus dà fū in der Spätzeit des Kaiserreichs zur Bezeichnung eines Mediziners, während die Zhou-Positionen von Beamten und Ministern später von Mandarinen wahrgenommen wurden.
Das Zhōulǐ unterschied ferner vier Klassen von Nichtadeligen: die Gelehrten, Handwerker, Bauern und Händler. Dieses Klassensystem war durchlässig, erlaubte also einem Händlersohn, Handwerker zu werden.
Wang
Der Titel des Wang (王, wáng) bezeichnete in der Zeit der Zhou-Dynastie (10. bis 2. Jahrhundert v. Chr.) den Herrscher des chinesischen Reiches.[2] Nicht vollständig geklärt ist die Verwendung und Bedeutung des deutlich älteren Begriffs Wang in den vorherigen Dynastien der Shang und Xia – deren Herrscher bezeichneten sich selbst noch als di (帝, dì).
Unter der Qin-Dynastie wurden die alten Adelsbezeichnungen, auch die des Wang abgeschafft, ab der Han-Dynastie war der Titel des Wang der höchste Adelstitel unterhalb des Huangdi. Zunächst wurden Vertrauenspersonen des Huangdi zu Wang ernannt, doch nach der ersten Rebellion gegen die Han wurde die Position des Wang ausschließlich[3] mit Verwandten des Han-Huangdi besetzt. Dies änderte sich in der Zeit der Südlichen und Nördlichen Dynastien, wo im Norden häufig der Titel Wang mitsamt einem regionalen Lehen für militärische Verdienste vergeben wurde. Ab der Zeit der Sui und Tang-Dynastie wurde der Titel Wang in verschiedenen Abstufungen und fast nur an Verwandte des Huangdi vergeben.[1]
In der westlichen Übersetzung wird der Titel üblicherweise bis zur Zhou-Dynastie mit dem eines Königs (von China) übersetzt, in den Epochen danach mit dem eines Prinzen (englisch: prince), selbst wenn es sich nicht um einen tatsächlichen Verwandten oder gar Thronfolger des Huangdi handelt.
Gong
Der Titel des Gong (公, gōng, in älteren europäischen Transkriptionen auch Kong) bezeichnete die höchste Stufe der tributpflichtigen Fürsten des Feudalstaates in der Zeit der Westlichen Zhou (10. bis 7. Jahrhundert v. Chr.). Die Gong errangen zu Beginn der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen die Souveränität über ihre Fürstentümer und bezeichneten sich selbst in der Zeit der Streitenden Reiche sogar eigenmächtig als Wang.[2]
Ab der Han-Dynastie war der Titel des Gong der zweithöchste Adelstitel unterhalb des Wang und Huangdi; Söhne eines Wang außerhalb der Erbfolge stiegen in diese Klasse ab. Je nachdem, wie eng verwandt ein Gong mit dem Huangdi verwandt war, gab es weitere subtile Abstufungen in der Rangfolge. Gongs hatten ab der Han-Dynastie nur noch selten eine direkte feudale Machtfunktion, sondern waren meist zu Höflingen (auch 王公, wánggōng) im Machtbereich des Herrschers degradiert. Spätere Dynastien unterteilten die Gongs in zahlreiche weitere Unterklassen.[1]
In der westlichen Übersetzung wird der Titel Gong üblicherweise mit dem eines Herzogs (englisch: duke) übersetzt.
Gongzi/Gongzhu
Die Bezeichnung Gongzi (公子, gōngzǐ) bezeichnete später allgemein Fürstensöhne; auch die Bezeichnung Gongsun (公孫, gōngsūn) für den Enkel eines Fürsten war üblich. Der Begriff gilt auch in der Neuzeit als besonders höfliche Schmeichelei gegenüber einem Fremden, übertragen etwa vornehmer Herr. Abwertende Funktion erhält der Begriff jedoch in der weiteren Bedeutung als Neureicher oder Emporkömmling.
Alle weiblichen Mitglieder der kaiserlichen Familie mit Ausnahme der Ehefrau des Huangdi (die Huanghou) konnte allgemein als Gongzhu (公主, gōngzhǔ) bezeichnet werden. Dieser Titel wird in westliche Sprachen üblicherweise als Prinzessin (englisch princess) übersetzt.
Hou
In der westlichen Übersetzung wird der Titel des Hou (侯, hóu) üblicherweise mit dem eines Markgrafen (englisch marquis) übersetzt. Aus dem Hou, was außerhalb des Rangsystems schlicht als Fürst übersetzt wird, entwickelten sich die restlichen Ränge. Eine frühe Bezeichnung für den gesamten Adel war Zhuhou (諸侯, zhūhóu – „Alle Fürsten“), bis einige Familien unter den Zhou (rückwirkend) in die höhere Klasse des Gong eingestuft wurden. In der Zeit der Han-Dynastie war der Titel des Hou der einzige Adelsrang, der an Nicht-Mitglieder der Familie des Huangdi vergeben wurde. Zugleich wurden die Hou in neunzehn zusätzliche Klassen unterteilt, die neun höchsten davon wurden für militärische Verdienste vergeben, die restlichen konnten verdient oder sogar gekauft werden. In späteren Dynastien griff man dann auf die restlichen Ränge zurück.[1]
Bo, Zi und Nan
In der westlichen Übersetzung wird der Titel des Bo (伯, bó) üblicherweise mit dem eines Graf (englisch: count oder earl) übersetzt, der Titel des Zi (子, zǐ) mit dem eines Vizegraf/Vicomte (englisch: viscount), der Titel des Nan (男, nán) mit dem des Baron (englisch Baron).
Die drei niedrigeren Ränge wurden aufgrund der Mehrdeutigkeit ihrer Silben nur mit zusätzlichen Bezeichnern gebraucht, wie etwa gemeinsam mit dem Namen oder als Vollform des Titels (县子 etwa für den Vicomte während der Yuan-Dynastie). Beispielsweise wird die Silbe 子 (zǐ) in der chinesischen Sprache ansonsten unter anderem auch als Endung einer Koseform und als Ehrenbezeichnung für verehrte Persönlichkeiten, etwa Konfuzius (孔 夫子, kǒng fūzǐ) und Laozi (老子, Lǎozǐ). Die Silbe 男 (nán) wird in der chinesischen Sprache ansonsten vor allem als Bezeichnung für das Maskulinum gebraucht. Dies macht die Unterscheidung notwendig.
Diese drei Ränge kamen nach der Zhou-Zeit für etwa 500 Jahre aus dem Gebrauch, fanden jedoch ab der Zeit der Nördlichen und Südlichen Dynastien wieder allgemein Anwendung.[1]
Kaiser von China
Vor Qin Shihuangdi waren die Begrifflichkeiten Huang (皇, huáng) für Gottkönig/Erhabener und Di (帝, dì) für Ahnenkönig/Kaiser verwendet worden. Beide Begriffe lassen sich auch anders übersetzen, zeigen aber die Verehrung des übermenschlichen oder halbgöttlichen Wesens, welches damit bezeichnet wird. Auf dieses bestehende Begriffsmaterial aus den Mythen der acht Urkaiser Chinas (Drei Huang und Fünf Di) griff Qin Shihuangdi zurück, als er 221 v. Chr., nach dem Niederwerfen aller konkurrierenden Wang, den Titel des Huangdi (皇帝, Huángdì) einführte. Dadurch zeigte er seinen Anspruch, ein größerer Herrscher als alle Wang vor ihm zu sein; sein Titel umfasste auch das Shi, welches seine Rangfolge als Erster Huangdi zeigt. Der Wortbestandteil Di symbolisierte auch seine Verbundenheit mit dem göttlichen Konzept des Shangdi.[4] Nicht verwechselt werden sollte der Titel des Huangdi mit dem Gelben Kaiser (黃帝, Huángdì).
Alle Herrscher mit dem Anspruch auf die Gesamtherrschafts über China trugen nach Ende der Qin-Dynastie den Titel des Huangdi, bis zur Abdankung des Puyis 1912. Dynastien, die aus Fremdherrschern hervorgingen, wie etwa die Yuan-Dynastie der Mongolen, trugen den Titel des Huangdi neben ihren fremdländischen Titeln. Wie auch in Europa, etwa bei Päpsten und Gegenpäpsten, war es nicht unüblich, dass mehrere Huangdi gleichzeitig amtieren konnten.
In der westlichen Übersetzung wird der Titel Huangdi üblicherweise mit Kaiser von China (englisch Emperor) übersetzt, die wörtliche Bedeutung wird etwa mit erhabener Göttlicher umschrieben.[4]
Tianzi
Der Titel des Tianzi (天子, tiānzǐ) bedeutet wörtlich Sohn des Himmels und wurde rangunabhängig von vielen souveränen Herrschern Chinas verwendet. Der Begriff, erstmals in der Zhou-Dynastie aufgekommen, stützt sich auf das Konzept des Mandats des Himmels (天命, tiānmìng), welches nicht mit dem europäischen Begriff des Gottesgnadentums verwechselt werden darf, da es die Herrschaft nur legitimiert, solange sie gut beziehungsweise erfolgreich ist.[2] Tianzi als Herrschertitel symbolisierte zudem den Anspruch auf die Herrschaft über das Tianxia (wörtlich [alles] unter dem Himmel), das heißt die Welt.
Kaiserliche Familie
Wenn der Vater eines amtierenden Huangdi noch lebte, erhielt dieser den Titel Tai Shang Huang (太上皇), wörtlich in etwa Kaiserlicher Übervater. Die Praxis wurde von Han Gaozu eingeführt, der vermeiden wollte, dass sein bäuerlicher Vater sich vor ihm erniedrigen musste. Eine ähnliche Bezeichnung wurde auch für die Mutter des Huangdi verwendet: 皇太后, huáng tài hòu, was im Falle der besonders bekannten Cixi für ihren Fall zutreffend als Kaiserinwitwe übersetzt wurde.
Die Hauptgemahlinnen des Huangdi wurden als Huanghou (皇后, huánghòu – „Kaiserliche Königin“) bezeichnet. Nach dem Zhouli waren einem Kaiser jedoch Nebenfrauen erlaubt: Drei Nebengemahlinnen (夫人, fūrén), neun kaiserliche Konkubinen (嬪), 27 Shifus (世婦, shìfù) und 81 kaiserliche Frauen (禦妻, yùqī). Weitere weibliche Familienangehörige galten in der Regel als Prinzessin oder Gongzhu.
Der Kronprinz wurde mit Huang Taizi (皇太子, huáng tài zǐ – „Kaiserlicher Großer Sohn“) tituliert.[5]
Es war üblich, dass den Nachfolgern und Erben von gestürzten Dynastien von der darauffolgenden Dynastie Adelstitel und Apanage gewährt wurde. Somit konnten die einstigen Kaiserfamilien weiterhin ihre vom Himmel begünstigten Vorfahren verehren und der Nachwelt gegenüber repräsentieren. Auch die Republik China gewährte dem letzten regierenden Kaiser bis 1924 Wohnrecht in der Verbotenen Stadt.
Weitere Titel und Verdienstadel
Im südlichen Staate Chu herrschte eine andere höfische Kultur als im unmittelbaren Machtbereich der Zhou, sodass das nördliche Rangsystem dort erst während der Han-Dynastie verankert wurde. Insbesondere die legalistische Qin- und auch die frühe Han-Dynastie vergaben noch Positionen nach dem Vorbild der Chu.
Die Titel in Chu wurden hauptsächlich für Verdienste und Leistungen vergeben und waren nicht erblich. Beispiele hierfür waren unter anderem: Tonghou (通侯, tōnghóu, entsprechend etwa dem Hou); Zhigui (執圭, zhíguī, Jadeträger), Zhibo (執帛, zhíbó, Seidenträger).
Der allgemeine Titel Jun (君, jūn) wird üblicherweise übersetzt als Herr, englisch: lord. Er war in vielen Fällen der Zhou-Zeit austauschbar mit Hou in der allgemeineren Bedeutung als Fürst.[1]
Später vergaben Kaiser für verdienstvolle Leistungen spezielle Titel, die oft mitsamt einer dafür geschaffenen höfischen oder sogar verantwortungsvollen Position an eine Person gebunden waren, beispielsweise der Titel des Generalprotektor der westlichen Provinzen (西域都護, Xīyù dūhù, englisch Protector-General of the Western Regions) für Ban Chao.
Erblicher Verdienstadel
Nur sehr wenige Familien erhielten für ihre Verdienste um das Reich das Recht, ihren Status als Mitglieder des Hochadels in vollem Umfang weiterzuvererben. Bekannt hierfür sind insbesondere die Nachfahren des Konfuzius: Mitglieder der Familie Kong erhielten den erblichen Titel Hóu der Weisheit (衍聖侯, yǎnshèng hóu), bis alle Familienmitglieder über der 46. Generation im 11. Jahrhundert zu Gongs aufgewertet wurden.
Ba Wang
Personen, die souveräne Macht ohne einen regulären Adelstitel ausübten, etwa als Gouverneur oder Statthalter, wurden als Bawang (霸王, bàwáng – „Gewaltherrscher, Tyrann“) bezeichnet. Die chinesische Geschichtsforschung verwendet auch den Begriff des Hegemons. Ein Beispiel hierfür ist Xiang Yu.
Mandarine
Ab der Tang-Dynastie kamen die Mandarine (官, guān, Beamter) auf, Spezialisten, die für die Verwaltungsaufgaben des Reiches speziell geschult worden waren. Adelige Abstammung war für die Beamtenlaufbahn nicht notwendig, jedoch hilfreich für die Besetzung der höheren und höchsten Positionen.
Rückwirkende Änderungen
Adelige konnten rückwirkend, insbesondere postum, in höhere und niedrigere Ränge ab- oder aufsteigen, etwa in Folge kaiserlicher Dekrete. Die postume Änderung ist vergleichbar, aber auch oft subtiler als die europäischen Praktiken der Heiligsprechung oder Damnatio memoriae und bedeutet für die moderne Geschichtsforschung, dass nachträglich überarbeitetes Quellenmaterial mit kritischem Blick auf Verfasser und Bearbeiter gewertet werden muss.
Anerkennung außerchinesischer Titel
Souveräne Monarchen oder Häuptlinge außerhalb des chinesischen Reiches wurden meist als Wang bezeichnet, auch in der Zeit ab der Han-Dynastie, als Wang bereits nicht mehr der Titel des Souveräns in China war. Dies folgte aus dem postulierten Machtanspruch des Huangdi und Tianzi, Oberherr über alle Wang zu sein.
Das moderne Chinesisch verwendet hingegen die wörtliche Übersetzung der Adelsformen für ausländische Monarchen, so galt etwa Viktoria als 女王, nǚwáng, Königin von England und 女皇, nǚhuáng, Kaiserin von Indien, während die Fürsten von Monaco oder Luxemburg nur als Gong übersetzt werden.
Aisin Gioro Puyi
Aisin Gioro Puyi [chinesisch 愛新覺羅•溥儀 / 爱新觉罗•溥仪, Pinyin Aìxīnjuéluó Pǔyí, mandschurisch ᠠᡳᠰᡳᠨ
ᡤᡳᠣᡵ
ᡦᡠ ᡳ; * 7. Februar 1906 nahe Peking; † 17. Oktober 1967 in Peking) war von 1908 bis 1912 zwölfter und letzter Kaiser der Qing-Dynastie in China (sowie während einer zwölftägigen Restaurationsphase 1917).
Später kollaborierte Puyi mit Japan, das ihn zum Kaiser des Marionettenstaates Mandschukuo machte (1932/34 bis 1945). Nach Gefangennahme und Jahren kommunistischer Umerziehung in Gefängnissen und Lagern wurde er 1959 begnadigt und 1964 endgültig rehabilitiert. Er starb 1967 als einfacher Bürger der Volksrepublik China.
Herkunft
Puyi wurde am 7. Februar 1906 als ältester Sohn des Prinzen Chun II. (Zaifeng) (1883–1951) und dessen Gemahlin Youlan (1884–1921) im „Nördlichen Herrschaftssitz“, einem Palast nahe Peking, geboren. Sein Vater war ein jüngerer Halbbruder des damals amtierenden Kaisers Guangxu und entstammte dem mandschurischen Fürstengeschlecht der Aisin Gioro, die seit 1644 in der Qing-Dynastie die chinesischen Kaiser stellten.
Junger Pui, 12.02.1908
Kaiser von China (1908–1912)
Ende 1908 lag der kinderlose Kaiser Guangxu im Sterben. Daher ließ Kaiserinwitwe Cixi, die eigentliche Machthaberin Chinas und bei Hofe, den erst zweijährigen Puyi am 13. November in die Verbotene Stadt nach Peking bringen, um ihn als Thronerben einzusetzen. Cixi hielt seit 47 Jahren die Fäden in der Hand. Sie war zunächst Nebenfrau des Kaisers Xianfeng und hatte mit ihm einen Sohn, Tongzhi, der seinem Vater 1861 als Minderjähriger auf den Thron folgte. Nach dessen plötzlichem Tod 1875 im Alter von 18 Jahren – seine möglicherweise schwangere Ehefrau starb zwei Monate nach ihm – setzte die Kaiserinwitwe ihren dreijährigen Neffen Zaitian als Kaiser Guangxu durch. Dieser war Puyis Onkel.
Am 14. November 1908, einen Tag nach der Ankunft des Jungen in der Verbotenen Stadt, starb Guangxu und einen Tag später Cixi. Es gibt Gerüchte, dass die Kaiserinwitwe beim Herannahen ihres Todes den unbequemen Guangxu vergiften ließ, um mit Puyi einen minderjährigen Nachfolger einzusetzen, der ihren politischen Zielen nicht im Wege stand. Tatsächlich wurde bei Untersuchungen 2008 im Leichnam von Guangxu eine tödliche Dosis Arsen entdeckt.[1]
Kurz vor seinem Tod hatte der kinderlose Guangxu den zweijährigen Puyi adoptiert, so dass er als sein Nachfolger am 2. Dezember in einer hochoffiziellen, aufwändigen Zeremonie in der „Halle der höchsten Harmonie“ inthronisiert werden konnte. Regierungsdevise wurde Xuāntǒng (宣統 / 宣统), deutsch etwa der Tradition verpflichtet. Fortan lebte der Kind-Kaiser weitgehend getrennt von seinen leiblichen Eltern als gottähnliche Person in der Verbotenen Stadt, umgeben von der Kaiserinwitwe Longyu und Konkubinen seiner Vorgänger sowie von Eunuchen und Dienstboten. Jeder, der dem Kaiser gegenübertrat, musste den Kotau vor ihm machen, Kritik oder Bestrafung an ihm waren untersagt. Ein strenges Protokoll regelte den Tagesablauf des Jungen, der eher verstört auf die Zeremonien und Rituale reagierte.
Die Regentschaft übernahm traditionsgemäß die Kaiserinwitwe Longyu, wohl zunächst unterstützt von Puyis Vater Prinz Chun, der sich rasch als unfähig erwies, die kaiserliche Zentralmacht zu festigen. So wirkte sich die Entlassung des mächtigen Oberbefehlshabers der kaiserlichen Armee, General Yuan Shikai, die zum Erhalt der kaiserlichen Macht beitragen sollte, im Gegenteil destabilisierend aus. In China herrschten chaotische Zustände. Korruption und Misswirtschaft drohten es unregierbar werden zu lassen. Große Teile des Landes wandten sich von Peking ab, kaiserliche Dekrete und Erlasse erzielten kaum noch Wirkung (v. a. in Kanton). Regionale Kriegsherren bestimmten das Geschehen, die republikanische Kuomintang-Bewegung hatte enormen Zulauf und ausländische Großmächte strebten danach, ihren Einfluss in China auszubauen. Als im Herbst 1911 die Xinhai-Revolution ausbrach, war das Ende der Monarchie absehbar. Prinz Chun trat am 6. Dezember von der Regentschaft zurück, die von Guangxus Witwe Longyu übernommen wurde. Am 1. Januar 1912 rief Sun Yat-sen die Republik China aus und Longyu erklärte für den sechsjährigen Puyi am 12. Februar dessen Abdankung. Im Edikt zur „Wohlwollenden Behandlung des Kaisers der großen Qing-Dynastie“ wurden Puyi weiterhin Kaisertitel und -würden zugestanden. Ihm wurde unbefristetes Wohnrecht in der Verbotenen Stadt eingeräumt und zur Unterhaltung seines riesigen Hofstaates erhielt er eine jährliche Apanage von vier Millionen Yuan.
Puyi im Garten der Gelassenheit, wie er in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren aussah.
In der Verbotenen Stadt (1912–1924)
Trotz seiner formellen Abdankung änderte sich an Puyis Leben und Behandlung vorerst nichts. Er durfte auch weiterhin seinen Titel „Kaiser von China“ tragen und auch benutzen. Der von Eunuchen dominierte konservative Hofstaat hielt auch nach Ausrufung der Republik an dem überkommenen, archaisch wirkenden Hofzeremoniell fest. Puyi lebte immer noch von seinen leiblichen Eltern getrennt in der Isolation und Abgeschiedenheit der Verbotenen Stadt, wo die Amme Wang Momo seine wichtigste Bezugsperson bildete. Überall am Hof wurden Intrigen gesponnen, Verwandte (insbesondere sein Vater), hohe Beamte und Eunuchen bereicherten sich persönlich an den zugewiesenen Geldmitteln und den Kunstschätzen der Verbotenen Stadt. Inmitten von Korruption, Missgunst und Intrigen oblag die Erziehung des Jungen seiner Amme und ausgesuchten Eunuchen. Unterrichtet wurde er im Einzelunterricht von Privatlehrern, die ihn hauptsächlich in traditioneller chinesischer und konfuzianischer Literatur sowie Kalligraphie unterwiesen. Erst ab 1914 änderte sich Puyis isolierte Stellung, als sein jüngerer Bruder Pujie als Spielkamerad an den Hof geholt wurde.
Titularkaiser Puyi in der Verbotenen Stadt.
Politisch spielte er erstmals 1917 wieder eine Rolle, als nach einem Militärputsch die Monarchie kurzzeitig wieder eingeführt wurde. General Zhang Xun nutzte die Instabilität der Republik aus, putschte sich an die Macht und setzte im Juli 1917 Puyi wieder als Kaiser ein. Nach zwölf Tagen jedoch (1.–12. Juli) war dieser Restaurationsversuch wieder beendet und Puyis Berater hielten sich fortan politisch zurück.
Im Frühjahr 1919 wurde der britische Kolonialbeamte und Sinologe Prof. Reginald Fleming Johnston neuer Privat- und Englischlehrer Puyis, der nun gemeinsam mit seinem Bruder und ausgesuchten Aristokratenkindern unterrichtet wurde.
Reginald Fleming Johnston, der 1919 Puyis Tutor wurde.
Johnston gewann schnell großen Einfluss auf Puyi, prägte dessen Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig und führte ihn an die westliche Denkweise heran. Dies ging sogar so weit, dass sich Puyi seinen Zopf, die traditionelle Haartracht der Mandschu, selbst abschnitt.
Reginald Fleming Johnston in China, um 1905.
Politisch blieb China ein Pulverfass. Im November 1924 putschte sich General Feng Yuxiang an die Macht und revidierte unter anderem das Edikt zwischen Republik und Kaiser. Auf seinen Druck hin musste Puyi die Verbotene Stadt verlassen. Nach 16 Jahren setzte er wieder einen Schritt vor die Tore seines „goldenen Käfigs“ und ging am 5. November 1924 mit kleinem Gefolge zu seinem Vater in den Nördlichen Herrschaftssitz.
Puyi im Zhang-Garten mit Wanrong und Johnston.
In Tianjin (1925–1931)
Mitte der 1920er Jahre spitzte sich die innenpolitische Lage in China zu, es herrschte Chaos, Bürgerkrieg drohte. Regionale Kriegsherrn, die Kommunisten und die republikanische Zentralmacht kämpften um die Macht. Ausländische Mächte, allen voran das expansionistische Japan, wollten die Schwäche Chinas ausnutzen und sich territoriale und wirtschaftliche Vorteile verschaffen. In den Wirren dieser Zeit war die persönliche Sicherheit Puyis gefährdeter denn je und auf Anraten seines Gefolges begab sich Puyi schließlich inkognito in das internationale Botschafterviertel Pekings. Dort stellte er sich umgehend unter den Schutz der japanischen Botschaft und bezog mit seinem Gefolge ein eigenes Gebäude, wo er zunehmend japanischem Einfluss ausgesetzt war.
Am 23. Februar 1925 übersiedelte Puyi nach Tianjin. Die kosmopolitische Hafenstadt besaß ein großes internationales Viertel, wo Puyi sich in japanisches Hoheitsgebiet begab und eine herrschaftliche Villa bezog. Während der Jahre in Tianjin entwickelte Puyi den Wunsch, eines Tages auf den chinesischen Kaiserthron zurückzukehren. Als Privatmann nahm er rege am gesellschaftlichen Leben der großen ausländischen Gemeinde teil, mit hohen finanziellen Belastungen durch Hofhaltung, Bedienstete und Verwandte.
Nach dem inszenierten Mukden-Zwischenfall (September 1931) und der anschließenden Mandschurei-Krise zwischen Japan und China bedrängten japanische Agenten (Doihara Kenji, Itagaki Seishirō, Ishiwara Kanji) den psychisch labilen Puyi. In der Mandschurei sollte ein von Japan abhängiger Satellitenstaat entstehen, mit Puyi an der Spitze. Nach einigem Zögern stimmte dieser schließlich zu.
Puyi und Wanrong in Tianjin, 1920er Jahre.
Kaiser von Mandschukuo (1932/34–1945)
Puyi als Kaiser von Mandschukuo (um 1940).
Nachdem Puyi zugestimmt hatte, sich an die Spitze des neuen Staates zu stellen, bereiteten die Japaner seine Umsiedelung in die Mandschurei vor. Zu diesem Zweck wurde ihm am 24. Februar 1932 eine fingierte Bitte des Volkes der Mandschurei vorgetragen, ihr neuer Präsident zu werden, woraufhin Puyi nach Lüshun (ehem. Port Arthur) gebracht wurde. Dort erlebte er mit, wie in der durch japanische Truppen besetzten Mandschurei das unabhängige „Mandschukuo“ errichtet wurde (1. März), woraufhin Puyi feierlich in der neuen Hauptstadt Xinjing einzog. In Xinjing bezog er den Gebäudekomplex der ehemaligen Salzsteuerbehörde, richtete hier seinen Hof ein und wurde auch dort zum Staatspräsidenten vereidigt. Bei der anschließenden Ausarbeitung der Verfassung blieb Puyi außen vor, Mitspracherecht wurde ihm nicht zugestanden.
Puyi und Wanrong verlassen am 8. März 1932 ihr Hotel, bevor sie zur offiziellen Gründungszeremonie Mandschukuos nach Changchun reisen.
Als Staatspräsident hatte er formell zwar weitreichende exekutive, judikative und legislative Befugnisse, konnte seine Regierung ernennen, doch Mandschukuo war von Beginn an ein japanischer Marionettenstaat. Japanisches Fernziel war es, Mandschukuo als Sprungbrett für die Unterwerfung Gesamtchinas zu nutzen (siehe Zweiter Chinesisch-Japanischer Krieg ab 1937). Die politische Macht des Staates lag beim „Staatsausschuss für allgemeine Angelegenheiten“, der ausschließlich mit Japanern besetzt war und seine Handlungsdirektiven aus Tokio erhielt. Mandschukuo – von den Japanern wirtschaftlich erschlossen – diente als Rohstoffquelle und Fabrikationsstätte. Es gab viele Bodenschätze und Rohstoffe (v. a. Kohle und Mineralien), eine ertragreiche und fruchtbare Landwirtschaft und die Infrastruktur war verhältnismäßig gut. Die Einwanderung japanischer Siedler wurde forciert, Amtssprache wurde Japanisch und es wurde die Shinto-Religion eingeführt.
Puyis Erlass zur Thronbesteigung.
1934 wurde Mandschukuo eine Monarchie und war fortan das „Kaiserreich Mandschukuo“. Zu diesem Zweck wurde Puyi am 1. März 1934 zum „Kaiser von Mandschukuo“ gekrönt (Ära Kāngdé 康德). Die Krönungszeremonie fand im Beisein Prinz Chichibus statt, des jüngeren Bruders Kaiser Hirohitos, was lediglich unterstrich, dass Puyi Kaiser von Japans Gnaden war. An seiner einflusslosen Stellung änderte dies indes nichts. Im Gegenteil fühlte er sich an seinem Hof, der eine in sich geschlossene, privilegierte Welt war, zunehmend wie ein Gefangener. Umgeben von japanischen Spitzeln wurde er zunehmend von der Außenwelt isoliert und zeigte in seinem Verhalten bald paranoide Züge. Vom Verlauf des Zweiten Weltkriegs erfuhr er nur aus der allgemeinen japanischen Kriegspropaganda.
Puyi und Wanrong reisen im März 1932 nach Changchun.
1945 war Japan militärisch praktisch besiegt. Im August erklärte ihm die Sowjetunion den Krieg und marschierte in Mandschukuo ein. Die japanische Armee stellte sich nicht zum Kampf, sondern zog sich nach Süden zurück. Das Land verfiel in Chaos, die Ordnung löste sich auf. Am 11. August verließ Puyi seinen Palast in Xinjing und versuchte, sich mit wenigen Getreuen (u. a. mit Pujie) nach Japan durchzuschlagen. Auf der Flucht dankte Puyi am 16. August formell ab und erklärte die Rückkehr der Mandschurei nach China. Anschließend wurde er am Flughafen von Mukden durch sowjetische Fallschirmjäger gefangen genommen.
Die Sowjets internierten Puyi im Kriegsgefangenenlager von Chabarowsk. Hier genossen neben ihm Offiziere, Minister und hohe Beamte verhältnismäßig milde Bedingungen. Zwischenzeitlich wurde Puyi 1946 als Zeuge beim Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Tokio angehört, erklärte allein die Japaner für jegliche Kriegsverbrechen verantwortlich und sprach sich selbst von aller Schuld frei.
Puyi blieb bis zum August 1950 in sowjetischer Haft, ehe er nach dem Sieg Mao Zedongs im Chinesischen Bürgerkrieg an die Volksrepublik China ausgeliefert wurde. Die chinesischen Behörden internierten den Ex-Kaiser im Gefängnis von Fushun.
Puyi als Gefangener in Fushun.
Dort traf er neben seinem Bruder Pujie auf seinen Schwiegervater Prinz Su und drei Neffen. Ziel der Umerziehung war es, Puyi im Sinne des Maoismus zu einem loyalen Bürger der Volksrepublik zu machen. Teil dieses Prozesses war es, dass er erstmals in seinem Leben ohne Privilegien oder Diener auskommen musste. Daneben musste er schriftlich Selbstkritik üben und sich vor Parteikadern für seine Taten verantworten.
Nach neun Jahren im Gefängnis von Fushun wurde Puyi am 9. Dezember 1959 aus der Haft entlassen. Die Umerziehung war „erfolgreich“ abgeschlossen, und auf Anordnung Mao Zedongs war er begnadigt worden. Anschließend ging er nach Peking, wurde von seinem Halbbruder Puren aufgenommen und bekam eine Anstellung als Gärtner im Botanischen Garten der Stadt zugewiesen. Fortan führte er ein einfaches, zurückgezogenes Leben. Endgültig rehabilitiert wurde er 1964, als er von der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes zum Mitglied ihres Nationalkomitees gewählt wurde.
Ab 1964 arbeitete er als Redakteur für die Literaturabteilung der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes. Unter dem Titel Die erste Hälfte meines Lebens erschien 1964 in Peking seine dreibändige Autobiographie. Den Bericht über die zweite „Hälfte“ seines Lebens als Bürger in der Volksrepublik konnte er aufgrund seines frühen Todes nicht verwirklichen.
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Sowjetischer Offizier und Pui, 08.09.1946.
Tod und Beisetzung
Im Jahr 1964 wurde bei ihm Nierenkrebs diagnostiziert; fortan verschlechterte sich sein Gesundheitszustand kontinuierlich, bis er schließlich am 17. Oktober 1967 im Pekinger Kreiskrankenhaus verstarb.
Im Frühjahr 1967 besuchten Pujie und Hiro Saga Puyi, der inzwischen schwer krank war.
Nach den damaligen Gesetzen wurde sein Leichnam in einem Krematorium eingeäschert und zunächst auf dem Pekinger Revolutionsfriedhof Babaoshan beerdigt. 1995 erreichte seine Witwe die Verlegung der Urne auf einen Friedhof außerhalb der Stadt, nahe den traditionellen Grabstätten seiner Qing-Vorfahren. Dort wurden vier der neun Qing-Kaiser, drei Kaiserinnen, 69 Prinzen und kaiserliche Konkubinen bestattet.
Ehen
Puyi wurde im Jahr 1922 mit zwei adligen Frauen verheiratet, die er sich auf Fotografien aussuchen musste, ohne sie vorher leibhaftig gesehen zu haben. Zur Kaiserin nahm er sich Gobulo Wanrong und Erdet Wenxiu zur kaiserlichen Nebenfrau, die sich während des Aufenthalts in Tianjin 1931 von ihm trennte. Das Verhältnis zur Kaiserin war von Beginn an distanziert und verschlechterte sich zusehends durch die Opiumsucht Wanrongs. Später isolierte sie sich von allem höfischen Leben, lebte zurückgezogen in ihrer Drogensucht und starb 1946.
Als Kaiser von Mandschukuo nahm er sich 1937 Tan Yuling zur neuen Nebenfrau, die jedoch 1942 unter ungeklärten Umständen starb. 1943 heiratete er die fünfzehnjährige Li Yuqin (1928–2001). Nach der Haftentlassung kam es 1962 zur Heirat mit Li Shuxian (1925–1997).
Puyi in den 1960er Jahren mit Li Shuxian und Pujie in Peking.
Tan Yuling, Puyis Konkubine.
Puyi als Jugendlicher, 1922.
Mandschurei
Die Mandschurei (auch Mandjurei, chinesisch 滿洲 / 满洲, Pinyin Mǎnzhōu – „Volles Land“) ist eine historische Landschaft, die heute in der Volksrepublik China, Russland und zu kleinen Teilen in der Mongolei liegt. Zu ihr gehören die Provinzen Heilongjiang, Jilin und Liaoning (chinesisch 東三省 [東北三省] / 东三省 [东北三省], Pinyin Dōng Sān Shěng [Dōngběi Sān Shěng] – „Drei Provinzen des Ostens/Nordostens“),[1] historisch auch Hulun Buir, Hinggan, Tongliao und Chifeng in der Inneren Mongolei. Die Region wird offiziell Nordostchina (東北 / 东北, Dōngběi, kurz für: 東北地區 / 东北地区, Dōngběi Dìqū – „Nordostchinesische Region“)[2] genannt.
Das Gebiet der heutigen Mandschurei in der Volksrepublik China begrenzen im Nordosten der Heilong Jiang (Amur) und der Ussuri, im Norden der Heilong Jiang und das Große Hinggan-Gebirge, im Südwesten die Chinesische Mauer und im Südosten der Yalu Jiang. Im Norden und Osten grenzt Russland (Sibirien), im Westen die Mongolei und im Süden Nordkorea an die Mandschurei an.
Geschichte
Zu den Ureinwohnern der Mandschurei zählten überwiegend Koreaner sowie Jurchen, die Vorfahren der Mandschu.[3][4] Von Letzteren leitet sich der Name der Region ab, der sich im 19. Jahrhundert eingebürgert hat. Des Weiteren gehen neuere Theorien (2012) davon aus, dass die Urheimat der Turkvölker in der südwestlichen Mandschurei lag.[5]
Die alte traditionelle chinesische Bezeichnung ist Guanwai (關外 / 关外, Guānwài – „außerhalb des (Grenz)Passes“). Vermutlich ab dem 12. Jahrhundert, spätestens ab der Yuan-Dynastie gehörte die Provinz als fester Bestandteil zum Kaiserreich China. 1616 vereinigte Nurhaci die Mandschu-Stämme und begründete die Mandschu-Dynastie. Nach seinem Tod änderte sein Sohn Huang Taiji den Namen 1636 in Qing (wörtlich übersetzt: „rein“), welcher von 1644 bis 1912 zur Bezeichnung der von den Mandschu geführten chinesischen Kaiserdynastie wurde. In der gesamten Mandschurei galt bis 1859 für Han und andere chinesische Volksstämme eine Zuzugsperre[6], die mithilfe der ab 1648 errichteten Weidenpalisade durchgesetzt wurde.
Anschließend erfolgte bis 1930 eine starke Lockerung, um insbesondere russischen Expansionsbestrebungen in der dünnbesiedelten Region entgegenzuwirken. Diese Bewegung wurde in China „chuang guandong“ (闖關東 / 闯关东, chuǎng Guāndōng – „stürmen (drängen) über den östlichen Pass“) genannt. Der Zustrom hatte zur Folge, dass die Mandschu heute nur noch eine Minderheit in der Region darstellen. Die Mandschurische Sprache ist zwischenzeitlich weitgehend ausgestorben.[6]
Mit der Expansion Russlands nach Sibirien und der Japans nach Korea geriet die Mandschurei in die Interessenssphäre beider Großmächte. 1858 wurde China mit dem Vertrag von Aigun gezwungen, über eine halbe Million Quadratkilometer seines mandschurischen Territoriums an das Russische Reich abzutreten.[7] Keine zwei Jahre später brach Russland den Vertrag und erhielt 1860 auf Grundlage der Pekinger Konvention die gesamte Äußere Mandschurei zugesprochen. Danach beschränkte sich die Bezeichnung Mandschurei auf den bei China verbliebenen Teil, die Innere Mandschurei. Den Westen der Mandschurei gliederte später die Volksrepublik China der autonomen Inneren Mongolei an.[7]
Ab 1900 besetzte das Russische Reich im Rahmen einer multinationalen Strafexpedition gegen den Boxeraufstand die südöstliche Hälfte der Inneren Mandschurei. Diese Okkupation führte zu Spannungen mit Japan und endete 1904 im Russisch-Japanischen Krieg. Die Japaner konnten die Auseinandersetzung für sich entscheiden. Russland musste die Innere Mandschurei räumen und 1905 an China zurückgeben. Dessen ungeachtet hielten beide Mächte verschiedene Territorialrechte in der Mandschurei aufrecht. Japan übernahm von Russland die Südmandschurische Eisenbahn, die von der Kwantung-Armee geschützt wurde, und Russland behielt die Chinesische Osteisenbahn, die russische Truppen überwachten.
Die in verschiedene Einflusssphären geteilte Provinz erlebte 1910/1911 eine Epidemie der Lungenpest, welche sich entlang der Eisenbahnrouten ausdehnte. Dieser fielen bei einer Bevölkerung von rund 12,5 Millionen rund 45.000 bis 60.000 Menschen zum Opfer. Der chinesische Arzt Wu Lien-teh schuf als Reaktion auf die Epidemie im Auftrag der chinesischen Regierung den Mandschurischen Pestverhütungsdienst. Dieser wurde zur Keimzelle der öffentlichen Gesundheitsdienste während der Republik China.[8]
1915 richtete Japan einundzwanzig Forderungen an China, die unter anderem einen Anspruch auf größeren Einfluss in der Mandschurei enthielten. Diese Forderungen und die Annahme durch Yuan Shikai führten zu heftigen Protesten in China und unterstützten die Bewegung des vierten Mai, während Japan von 1915 bis 1925 das Gebiet der Ostchinesischen Eisenbahn besetzte. Ab 1917 war die Mandschurei eine autonome Provinz und vereinigte sich erst 1928 unter dem chinesischen Warlord Zhang Xueliang mit der Republik China. Im sowjetisch-chinesischen Grenzkrieg versuchte die Republik China 1929, die sowjetische Machtausbreitung in der Mandschurei zurückzudrängen.[9] Dieser Konflikt endete mit einer chinesischen Niederlage und hinterließ in der Mandschurei ein Machtvakuum.[10]
Im Zuge der Mandschurei-Krise besetzte die Kwantung-Armee 1931 ohne Rücksprache mit der japanischen Regierung die Mandschurei und errichtete als Marionettenstaat das Mandschurische Kaiserreich (Mandschukuo). Staatsoberhaupt wurde Puyi, der letzte Kaiser von China. Gegen diesen Vorgang protestierte der Völkerbund erfolglos.[11] 1935 schloss die Sowjetunion mit Mandschukuo ein Abkommen über den Verkauf der Ostchinesischen Eisenbahn nebst weiterer Handelsverträge, worin zumindest eine De-facto-Anerkennung Mandschukuos zu sehen war.[12]
Zum Entsetzen der Nationalchinesen sowie der chinesischen Kommunisten gipfelten die japanisch-sowjetischen Beziehungen nach dem Nomonhan-Zwischenfall in einem Friedens- und Freundschaftsvertrag, in dem die Sowjetunion 1941 unter anderem versprach, die territoriale Integrität und Unverletzlichkeit Mandschukuos zu respektieren, während Japan das gleiche für die Mongolische Volksrepublik, den Marionettenstaat der Sowjetunion, tat.[13][14]
Mit ihrem Konzept der „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ lockte die japanische Regierung Millionen Chinesen und Zehntausende Mongolen nach Mandschukuo. Tatsächlich waren die ökonomischen Kennziffern atemberaubend. Beispielsweise baute Japan das mandschurische Eisenbahnnetz innerhalb kürzester Zeit auf 12.000 Kilometer aus, was mehr als der Hälfte des chinesischen Eisenbahnnetzes entsprach. Damit entwickelte sich die Mandschurei zur industriell modernsten Region mit dem höchsten Lebensstandard in China.[15][16] In dieser Folge stieg die Einwohnerzahl in der Mandschurei von etwa 17 Millionen (1917) bis Ende der 1930er Jahre auf rund 40 Millionen. 1939 waren bereits neun von zehn Bewohnern Han (35,7 Millionen), gefolgt von Koreanern (drei Prozent) und Mongolen (zweieinhalb Prozent).[17]
Nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima war ein Teil der japanischen Regierung zu Gesprächen über einen Waffenstillstand bereit, die Alliierten forderten jedoch eine vollständige und bedingungslose Kapitulation. Gemäß den Zusagen der Sowjetunion an ihre westlichen Alliierten, drei Monate nach Ende des Krieges in Europa auch in Asien einzugreifen, erklärte die Sowjetunion am 8. August 1945 Japan den Krieg, und einen Tag danach begann die sowjetische Invasion der Mandschurei.[18] Obwohl Japans Niederlage damit unabwendbar geworden war, warfen die USA am 9. August die zweite Atombombe auf Nagasaki, worauf Japan am 15. August kapitulierte. In der Mandschurei kämpften japanische Truppen dennoch bis zum 21. August, und im übrigen China legten sie erst am 2. September 1945 die Waffen nieder.
In den folgenden Monaten bauten die sowjetischen Besatzer sämtliche Rüstungs- und Industrieanlagen ab, die Japan in der Mandschurei errichtet hatte. Tausende Züge mit Maschinen, Gerät und demontierten Werkshallen rollten in Richtung Sibirien. Vor ihrem Abzug schraubten die Sowjets auch noch sämtliche Schienen ab. Der Wert des mandschurischen Plünderguts überstieg zwei Milliarden US-Dollar – damals eine gewaltige Summe.[19] Die Rückgabe der Mandschurei an China erfolgte im Mai 1946.
Die Auseinandersetzungen um die 1929 im sowjetisch-chinesischen Grenzkrieg von der Roten Armee annektierten Gebiete führten in den 1960er Jahren zu weiteren militärischen Konflikten, wie dem Zwischenfall am Ussuri. Der territoriale Streit wurde erst nach dem Zerfall der Sowjetunion beigelegt. Im „Ergänzungsabkommen über den östlichen Teil der chinesisch-russischen Grenze zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation“ vom 14. Oktober 2004 verpflichtete sich Russland dazu, einige der 1929 okkupierten Gebiete, beispielsweise Abagaitu Zhouzhu und Heixiazi Dao, an China zurückzugeben. Ratifiziert wurde die Rückgabe und die Festschreibung der nunmehr 4300 Kilometer langen Grenze zwischen beiden Staaten am 23. Juli 2008.[20]
Schamanismus
In einigen Dörfern der nordostchinesischen Provinzen üben mandschurische Schamanen ihr Amt bis heute aus. Bereits die chinesischen Kaiser der Mandschu-Dynastie hatten mandschurische Schamanenrituale kodifiziert. Die Opferrituale zeigen Ähnlichkeiten mit denen der altaischen Turkvölker und der Tungusen. Mandschurische Schamanen befassen sich neben der Heilkunde vor allem mit der Bewahrung des Sippenkults.[21]
Bedeutende Städte
- Changchun (长春)
- Dalian (大连)
- Fushun (抚顺)
- Harbin (哈尔滨)
- Jilin (吉林)
- Qiqihar (齐齐哈尔)
- Shenyang, veraltet: Mukden (沈阳)
Wichtige Flüsse
- Hēilóng Jiāng, russisch: Amur (黑龙江)
- Songhua Jiang (松花江)
Verkehr
Durch die Mandschurei verläuft die Transmandschurische Eisenbahn, eine Abzweigung der Transsibirischen Eisenbahn.
Auf dem Abschnitt Dalian–Changchun fuhr 1934–1945 (also während der japanischen Besatzung) der legendäre Expresszug Ajia (siehe Shinkansen).
Mandschurei-Krise
Die Mandschurei-Krise von 1931 bezeichnet eine Krise zwischen Japan und der Republik China vor dem Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg. Japan besetzte infolge der Krise die Mandschurei und errichtete den Marionettenstaat Mandschukuo, um die rohstoffreiche Region auszubeuten.
Hintergrund
Japan hatte nach dem Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg Korea als Einflussbereich gewonnen und interessierte sich für die Rohstoffvorkommen der Mandschurei. Bis zum Jahr 1900 besetzte Russland die Mandschurei. Die Spannungen zwischen dem Russischen Reich und Japan wurden zunehmend größer, und mündeten 1904 in den sogenannten Russisch-Japanischen Krieg. Japan gewann den Krieg und Russland musste die Mandschurei räumen, die wieder an China zurückgegeben wurde.
In der Folge vergrößerte Japan seinen Einfluss und baute die Südmandschurische Eisenbahn. Die Bahnlinie diente zum Transport von Rohstoffen aus der Mandschurei in das 1910 annektierte Korea, von wo sie nach Japan verschifft wurden. Die Eisenbahn wurde von der Kwantung-Armee gesichert. Nach der Weltwirtschaftskrise sahen viele japanische Militärs eine Lösung der Probleme des Landes in einer weiteren Expansion in Richtung Mandschurei. In der Erklärung der „Kirschblütengesellschaft“ (um den Ideologen Kita Ikki) vom September 1930 wurde der japanischen Regierung und dem Parlamentarismus Untätigkeit angesichts der Agrar- und Rohstoffprobleme vorgeworfen. Eine Lösung böten eine Agrarreform in Japan und Expansion in Ostasien, vor allem China. Dabei müsse die Konkurrenz der weißen imperialistischen Mächte überwunden werden, so der Militär Araki Sadao.
Verlauf
Am 18. September 1931 wurde bei der Stadt Mukden ein Sprengstoffanschlag auf die Südmandschurische Eisenbahn verübt. Dieser Vorfall erhielt die Bezeichnung Mukden-Zwischenfall. Es gilt als gesichert, dass dieser Vorfall von der Kwantung-Armee inszeniert wurde.
Die Kwantung-Armee griff sofort die nahegelegene chinesische Garnison an. Das Vorgehen der Armee war angeblich nicht von der japanischen Regierung geplant worden. Da China sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Bürgerkrieg befand und militärisch schwach war, konnten die Japaner die Mandschurei bis Anfang 1932 einnehmen.
Zur Verwaltung der Mandschurei wurde der Marionettenstaat Mandschukuo eingerichtet. An dessen Spitze gesetzt wurde Puyi, der ehemalige Kaiser von China.
Folgen
Japan hat mit dem Angriff auf China drei Verträge gebrochen, die Satzung des Völkerbundes, den Briand-Kellogg-Pakt und den Neun-Mächte-Vertrag. Das System der Kollektiven Sicherheit des Völkerbundes hatte hierbei nach Hermann Graml seine „Feuerprobe“ zu bestehen, bei der es bei seiner „ersten ernsthaften Prüfung“ versagte. Der „Sündenfall“, dass Japan ohne Sanktionen davon kam, hatte fatale Konsequenzen. Ohne diese Demonstration der Schwäche des Völkerbundes und des Versailler Systems hätte es Hitler kaum gewagt, die Genfer Abrüstungskonferenz und den Völkerbund zu verlassen, was Voraussetzung für die Deutsche Aufrüstung war. Und Mussolini hätte den Entschluss zum Krieg gegen das Kaiserreich Abessinien, einem Mitglied des Völkerbundes, nicht gefasst.[1]
Der von China angerufene Völkerbund protestierte lediglich vergeblich gegen das Vorgehen Japans und berief eine Kommission zur Untersuchung ein, die Lytton-Kommission. Die USA erklärten das Vorgehen in der Hoover-Stimson-Doktrin für ungerechtfertigt. Der Staat Mandschukuo wurde nur von 24 Staaten anerkannt. Im Februar 1933 nahm der Völkerbund den Lytton-Report gegen die Stimme Japans an, worauf das Land am 27. März den Völkerbund verließ.
Als Japan seine Einflusssphäre weiter in Richtung Norden ausdehnen wollte, kam es 1938/39 zum Japanisch-Sowjetischen Grenzkonflikt.
Während der nächsten Jahre kam es zu weiteren Gefechten zwischen japanischen und chinesischen Truppen, bis sich am 7. Juli 1937 der Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke ereignete, der Anlass zum Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg wurde.
Die Mandschurei wurde von der Sowjetunion im August 1945 während der sowjetischen Invasion der Mandschurei erobert und 1946 an China zurückgegeben.
Mandschukuo
Mandschukuo, auch Mandschuko (mandschurisch ᠮᠠᠨᠵᡠ
ᡤᡠᡵᡠᠨ, Mandschu Gurun, chinesisch 滿洲國 / 满洲国, Pinyin Mǎnzhōuguó, W.-G. Man-chou-kuo; japanisch 満州国 Manshūkoku, deutsch „Staat Mandschu, Mandschureich“) oder Manshū teikoku (滿洲帝國 / 满洲帝国, Mǎnzhōu Dìguó, jap. 満洲帝国 ‚Kaiserreich Mandschu‘) genannt, war ein von Japan errichtetes „Kaiserreich“ in der Mandschurei. Es bestand vom 1. März 1932[2] bis zum 18. August 1945, wurde aber international nur von 23 Staaten anerkannt. Zum Herrscher wurde Puyi eingesetzt, der als Kleinkind von 1908 bis 1912 der letzte Kaiser von China war; 1932 zunächst als Präsident und ab 1934 als Kaiser von Mandschukuo. Das Staatsgebiet von Mandschukuo ist heute Teil der Volksrepublik China. Historiker sehen Mandschukuo als Marionettenstaat.
Entwicklung
Vorgeschichte
Das Kaiserreich Japan hatte nach dem Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg bereits Korea als Einflussbereich gewonnen und interessierte sich auch für die reichen Rohstoffvorkommen in der Mandschurei. Durch die bis 1900 erfolgte Besetzung dieses Gebietes durch Russland sah sich Japan jedoch in seinen Plänen gestört. Nachdem der japanische Botschafter 1903 vergeblich einen Rückzug der russischen Truppen aus der Mandschurei und die Anerkennung der japanischen Interessen in Korea gefordert hatte, mündeten die stetig gewachsenen Spannungen 1904 schließlich in den Russisch-Japanischen Krieg. Japan konnte ihn für sich entscheiden und Russland musste die Mandschurei räumen, die offiziell wieder an China zurückgegeben wurde.
Japan sicherte sich jedoch großen Einfluss und baute die Südmandschurische Eisenbahn, um Rohstoffe aus der Mandschurei nach Korea bringen und von dort nach Japan verschiffen zu können. Die Eisenbahn wurde von der japanischen Kwantung-Armee beschützt. Nach der Weltwirtschaftskrise sahen viele japanische Militärs eine Lösung der Probleme durch eine weitere Expansion in Richtung Mandschurei.
Die Mandschurei besaß zwischen 1916 und 1928 unter dem Kriegsfürsten Zhang Zuolin die De-facto-Unabhängigkeit gegenüber China. Zhang wurde jedoch bei einem Bombenanschlag durch den Befehlshaber der Kwantung-Armee Oberst Kōmoto Daisaku getötet und die Mandschurei konnte von der Kuomintang unter Chiang Kai-shek zurückerobert werden, der in der Nordexpedition bereits seit 1926 einen Krieg gegen Zhang führte.
Okkupation und Gründung
Nach dem von Japan inszenierten Mukden-Zwischenfall vom 18. September 1931[3] kam es zur Mandschurei-Krise und die Kwantung-Armee besetzte ohne größere Rücksprache mit der japanischen Regierung die Mandschurei. Unter japanischer Einwirkung erklärten lokale Notabeln am 18. Februar 1932 die staatliche Unabhängigkeit. Diese Okkupation wurde von den USA durch die Hoover-Stimson-Doktrin verurteilt und der Völkerbund protestierte. 1933 wurde die chinesische Provinz Jehol, die nicht Teil der eigentlichen Mandschurei ist, an den neuen Staat angegliedert.
Japan versuchte, das Gebiet kulturell an sich zu binden und wirtschaftlich auszubeuten. So wurde die japanische Sprache offizielle Sprache und Shintō die offizielle Staatsreligion. Mit dem Eintrachtverband sollte eine künftige staatstragende Partei aufgebaut werden. Wirtschaft und Infrastruktur wurden massiv ausgebaut.
In Mandschukuo war auch die Einheit 731 der japanischen Armee stationiert, die an biologischen und chemischen Waffen forschte und Menschenversuche unternahm.
Zwischen 1932 und 1939 kam es zu verschiedenen Grenzkonflikten zwischen der Sowjetunion und Japan, als Japan die Grenze der Mandschurei weiter auf sowjetisches bzw. auf das unter sowjetischem Einfluss stehende Staatsgebiet der Mongolei auszudehnen versuchte. 1939 ereignete sich an der Grenze zwischen Mandschukuo und der Mongolei der Nomonhan-Zwischenfall, der sich aus mehreren Grenzgefechten zur Schlacht am Fluss Chalchin Gol entwickelte. Die Kämpfe zwischen sowjetischen Truppen unter der Führung von General Georgi Schukow und der Mongolisch Revolutionären Volksarmee auf der einen und mandschurischen und japanischen Truppen auf der anderen Seite endeten in einer vernichtenden Niederlage der japanischen 6. Armee. Am 16. September 1939 setzte ein Waffenstillstandsabkommen mit der Sowjetunion den Grenzkonflikten ein Ende. In der Folgezeit dehnten die Japaner stattdessen ihre Einflusssphäre in Richtung Südostasien weiter aus.
Zweiter Weltkrieg und Ende des Staates
Im Zweiten Weltkrieg gehörte Mandschukuo wie Japan zu den Achsenmächten. Bis Mitte 1945 fanden auf dem Gebiet Mandschukuos praktisch keine Kampfhandlungen statt, da das Kaiserreich Japan und die Sowjetunion am 13. April 1941 den japanisch-sowjetischen Neutralitätspakt (japanisch 日ソ中立条約 nisso chūritsu jōyaku; russisch Пакт о нейтралитете между СССР и Японией) auf fünf Jahre geschlossen hatten.
Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 verpflichtete sich Stalin auf Drängen Roosevelts dazu, 90 Tage nach dem Kriegsende in Europa unter Bruch des Neutralitätspaktes den Krieg in Fernost zu beginnen und Japan und seine Verbündeten anzugreifen. Der Termin wurde von der Roten Armee auf den Tag genau eingehalten. Am 8. August 1945 begann die Operation Auguststurm, nachdem zuvor bereits am 5. April 1945 der Neutralitätspakt mit Japan aufgekündigt wurde. Einen knappen Monat später wurde Mandschukuo aufgelöst, das Gebiet wurde 1946 gemäß den alliierten Kriegszielen aus der Kairoer Erklärung an die Republik China zurückgegeben.
Entgegen den westalliierten Erwartungen gelang es der nationalchinesischen Regierung unter Chiang Kai-shek trotz massiver finanzieller Unterstützung aber nicht, die Mandschurei unter ihre Kontrolle zu bekommen. Mit Hilfe der Sowjetunion bauten die chinesischen Kommunisten die Mandschurei zu ihrer Machtbasis aus. Die Fortsetzung des Chinesischen Bürgerkrieges und schließlich der Sieg der chinesischen Kommunisten stehen mit der zeitweiligen sowjetischen Besetzung daher in engem Zusammenhang.
Internationale Anerkennung
Nur 23 der damals rund 80 Staaten der Welt erkannten Mandschukuo völkerrechtlich oder diplomatisch an. Der Völkerbund erklärte, dass Mandschukuo völkerrechtlich ein Teil der Republik China sei und bleibe. Dies führte nach dem Bericht der Lytton-Kommission zum Austritt Japans aus dem Völkerbund am 27. März 1933.[4] Diplomatisch anerkannt wurde Mandschukuo von folgenden Staaten und Regierungen:
- Japan, ab dem 16. September 1932
- El Salvador, ab dem 3. März 1934
- Vatikanstadt, De-facto-Anerkennung ab dem 18. April 1934
- Königreich Italien, ab dem 29. November 1937
- Spanien, ab dem 2. Dezember 1937
- Deutsches Reich, ab dem 12. Mai 1938
- Ungarn, ab dem 9. Januar 1939
- Mengjiang (Marionettenstaat Japans), ab September 1939
- Polen, De-facto-Anerkennung ab dem 19. Oktober 1939, die 1942 zurückgezogen wurde, beides durch die Polnische Exilregierung
- Slowakei, ab dem 1. Juni 1940
- Vichy-Frankreich
- Dänemark, ab August 1940
- Nanjing-Regierung Chinas (Marionettenstaat Japans), ab dem 30. November 1940
- Rumänien, ab dem 1. Dezember 1940
- Dominikanische Republik
- Sowjetunion, indirekte Anerkennung durch den Japanisch-Sowjetischen Neutralitätspakt am 13. April 1941
- Mongolische Volksrepublik, indirekte Anerkennung am 13. April 1941
- Bulgarien, ab dem 10. Mai 1941
- Finnland, ab dem 18. Juli 1941
- Kroatien, ab dem 2. August 1941
- Thailand, ab dem 5. August 1941
- Birma, ab August 1943
- Philippinen, ab Oktober 1943
Als 24. diplomatische Anerkennung kam noch Ende Oktober 1943 die japanische Marionetten-Exilregierung Indiens mit Sitz in Singapur hinzu, eine „Regierung“, der zwar auf dem Papier die japanisch besetzten Andamanen und Nikobaren unterstellt wurden, die aber de facto keine Staatsgewalt ausübte.
Bevölkerung
Die Bevölkerung bestand 1937 zum größten Teil aus rund 35,5 Millionen Mandschu und Chinesen. Japan versuchte, in der Region verstärkt Japaner und besonders japanische Bauern anzusiedeln, was aber nicht gelang, da der Lebensstandard in Mandschukuo geringer war und die japanischen Landwirtschaftstechniken nicht für die Bedingungen in der Mandschurei geeignet waren. Zwischen 1931 und 1937 siedelten sich nur 417.759 Japaner in Mandschukuo an. Daher wurde mit dem Immigrationsplan Eine Million Familien in 20 Jahren eine staatliche Förderung von 1060 Yen beschlossen. Die japanischen Familien sollten besonders in den schlecht entwickelten Regionen im Osten und Norden angesiedelt werden. Die 1938 gegründete Mandschurische Entwicklungsgesellschaft unternahm ein Ausbildungsprogramm für Japaner zwischen 16 und 19, um sie an das Leben in der Mandschurei anzupassen. Etwa 19.000 Japaner wurden in dem Programm ausgebildet. Daneben waren die Japaner auch bemüht, Koreaner in der Mandschurei anzusiedeln.[1]
Wirtschaft
Banken und Wirtschaftsorgane waren unter fester Kontrolle der Japaner.[5]
Japan investierte zwischen 1932 und 1942 rund 5,2 Milliarden Yen in Mandschukuo, eine ungewöhnlich hohe Summe für koloniale Investitionen im Vergleich mit europäischen oder amerikanischen Kolonien. Die Infrastruktur und die Städte wurden massiv ausgebaut und modernisiert. Die Industrialisierung wurde vorangetrieben.[6] In Mandschukuo experimentierte Japan erstmals mit Hochgeschwindigkeitszügen, da das in Kapspur (Spurweite 1067 mm) ausgeführte japanische Eisenbahnnetz dafür nicht geeignet waren. Der von der Südmandschurischen Eisenbahn betriebene Ajia fuhr ab 1934 eine Spitzengeschwindigkeit von 120 km/h zwischen Dairen und Xinjing/Shinkyō und war vollklimatisiert. Mandschukuo besaß auch eine nationale Fluggesellschaft, die Manchuria Aviation Company.
Der größte Teil der Wirtschaft bestand aus Landwirtschaft, die staatlich kontrolliert wurde. Mehr als die Hälfte aller Exporte – 1936 65 Prozent – machten Bohnen, vor allem Sojabohnen, und Bohnenprodukte aus.[7] 1936 waren 85 Prozent der Exporte Landwirtschaftsprodukte.[5]
Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig war der Abbau von Rohstoffen, besonders von Erzen und Kohle, der Exportanteil lag 1936 bei 11 Prozent.[5]
Die Schwer- und Bergbauindustrie war unter Kontrolle der Südmandschurischen Eisenbahn-Gesellschaft, kurz SME. Außerdem wurden die meisten Investitionen und Geldtransfers von der SME organisiert und verwaltet. Dies führte zu einem Machtkampf mit der Guangdong-Armee, die schließlich 1937 zusammen mit Nissan ein Monopol auf die Schwerindustrie gründete und diesen Sektor so der SME entzog. Zwischen 1932 und 1936 wurden Monopol-Firmen gegründet, die in bestimmten Sektoren ein Monopol einnahmen, darunter die Mandschurische Bank und die Manchukuo National Airways.[8]
Japan exportierte dagegen besonders Schwerindustrieprodukte nach Mandschukuo.
Befriedung von Mandschukuo
Die Befriedung von Mandschukuo war eine Kampagne zur Befriedung des neu errichteten Marionettenstaats Mandschukuo zwischen den antijapanischen Freiwilligenarmeen und verschiedenen Partisanengruppen der Mandschurei und später der kommunistischen Nordöstlichen Vereinten Antijapanischen Armee auf der einen und der Kaiserlich Japanischen Armee und der Mandschurischen Armee auf der anderen Seite. Die Kampagne fand im Vorfeld und während der ersten Hälfte des Zweiten Sino-Japanischen Krieges statt und führte zu einem japanisch-mandschurischen Sieg.
Japan übernimmt die Kontrolle
Die frühesten antijapanischen Partisanengruppen bildeten sich in den Provinzen Fengtian und Kirin, nachdem die chinesische Fengtian-Armee dem japanischen Vormarsch im ersten Monat der japanischen Invasion der Mandschurei nur wenig Widerstand entgegensetzen konnte und die Japaner erfolgreich darangingen, die Verwaltung der Provinzen Fengtian und Kirin durch kollaborierende Kräfte zu ersetzen.
Ein Großteil der Provinzregierung von Fengtian floh in die westlich gelegene Stadt Jinzhou, während der Gouverneur Zang Shiyi in Mukden blieb. Er weigerte sich jedoch, mit den Japanern zu kollaborieren und eine separatistische Marionettenregierung zu bilden, weshalb er inhaftiert wurde. Am 21. September 1931 verkündete die Führung der Kwantung-Armee daher eine Proklamation, mit welcher Oberst Kenji Doihara als Bürgermeister von Mukden eingesetzt wurde. Dieser regierte die Stadt ab diesem Zeitpunkt mithilfe eines so genannten Notstandskomitees, welches hauptsächlich aus Japanern gebildet wurde.
Nachdem es den Japanern gelungen war, die Hauptstadt der Provinz Kirin, die Stadt Kirin, kampflos zu erobern, unterbreiteten sie dem chinesischen Generalleutnant Xi Qia am 23. September 1931 das Angebot, eine provisorische Regierung der Provinz zu bilden. General Xi Qia stimmte zu und erklärte am 30. September unter dem Schutz der Kaiserlich Japanischen Armee die Unabhängigkeit der Provinz Kirin von der Republik China.
Bereits am 24. September 1931 wurde in der Provinz Fengtian ebenfalls eine provisorische Regierung ausgerufen mit Yuan Chin-hai als Vorsitzendem des Komitee für die Bewahrung von Frieden und Ordnung.
Zusätzlich rief General Zhang Jinghui am 27. September 1931 in Harbin eine Konferenz führender Politiker und Militärs der Region zusammen, bei welcher die Organisation eines Notstandskomitee des Speziellen Distrikts diskutiert werden sollte. Ziel dieses Komitee sollte die offizielle Loslösung des Gebiets um Harbin von der Republik China sein. Da die Umgebung der Stadt jedoch fast komplett unter der Kontrolle antijapanischer Milizen und regulärer Truppen der Generäle Ding Chao, Li Du, Feng Zhanhai und anderer stand und die Stadt selbst von den Japanern regiert wurde, erlangte das Komitee keinerlei Einfluss.
Währenddessen wurde am 10. November das Nordöstliche Verwaltungskomitee durch Yu Chung-han gegründet. Dieser war ein bekannter Politiker aus dem Kabinett Zhang Xueliangs und favorisierte eine weitgehende Autonomie der Mandschurei von China. Nachdem die Japaner General Ma Zhanshan im Verlauf der Jiangqiao-Kampagne geschlagen und am 19. November Qiqihar besetzt hatten, bildeten sie in der Provinz Heilongjiang eine Selbstverwaltungsgesellschaft und setzten General Zhang Jinghui am 1. Januar 1932 als Gouverneur ein.
Im Zuge der japanischen Eroberung von Jinzhou begann die Unabhängigkeitsbewegung, in der nördlichen Mandschurei schnell an Einfluss zu gewinnen, wobei sie von Oberst Doihara und den ihm unterstellten Geheimdiensteinheiten von Harbin aus massiv unterstützt wurde. Am 7. Januar 1932 folgte General Zhang Jinghui, welcher nach der Niederlage von Jinzhou der Meinung war, sämtlicher weiterer Widerstand gegen die Japaner sei zwecklos, einer Aufforderung des Nordöstlichen Verwaltungskomitee und erklärte die Unabhängigkeit der Provinz Heilongjiang. Der geschlagene General Ma, welcher sich von Qiqihar aus nach Hailun zurückgezogen hatte, weigerte sich, diese Unabhängigkeitserklärung anzuerkennen, da er sich immer noch als rechtmäßiger Gouverneur von Heilongjiang ansah. Etwa zeitgleich begann Oberst Doihara, Kontakt zu Ma aufzunehmen, um auf ihn zur Kollaboration mit dem in der Entstehung begriffenen Staat Mandschukuo zu bewegen. Obwohl Ma den Verhandlungen zustimmte, unterstützte er weiterhin den noch Widerstand leistenden General Ding Chao in seinem Kampf gegen die Japaner.
Früher Widerstand: Milizen, Bruderschaften und Banditen
Die schnelle Zerschlagung der lokalen Regierung Zhang Xueliangs durch die Japaner führte dazu, dass der Widerstand gegen die Besetzung sich dezentralisierte. Es bildeten sich vielerorts kleinere Gruppen von Milizen, Bruderschaften und Banditen. Ein Großteil der japanischen Truppen der Kwantung-Armee war in den Provinzen Heilongjiang und Fengtian gegen die Truppen Ma Zhanshans und Zhang Xueliangs konzentriert, sodass die Widerstandsgruppen außerhalb der Städte und abseits der japanisch patrouillierten Eisenbahnlinien Ende 1931 und Anfang 1932 mehr oder weniger offen Kämpfer rekrutieren und für ihre Sache werben konnten.
Milizen
Die Lage in den Randgebieten Chinas führte dazu, dass die Zentralregierung in der Mandschurei von jeher eher schwach war und Banditen und Warlords eine ständige Gefahr darstellten. Aufgrund dessen hatten sich bereits vor dem japanischen Einmarsch von Landbesitzern und lokalen Behörden aufgestellte Milizen zur Verteidigung des eigenen Besitzes gebildet. Viele dieser Milizen wurden nach der Besetzung trotz ihrer schlechten Ausrüstung zu Partisanengruppen, welche sich Namen wie Selbstverteidigungsmiliz, Antijapanische Miliz oder Chinesische Freiwillige gaben. Eine der ersten bekannten Gruppen dieser Art war die Mutige Bürgermiliz, welche sich im November 1931 im Küstengebiet von Jinzhou bildete. Die meisten Milizen bildeten sich im südlichen Fengtian, in welchem ungefähr die Hälfte der Einwohner der Mandschurei lebten und der Anteil an Han-Chinesen besonders hoch war. Die Präsenz japanischer Truppen entlang der Südmandschurischen Eisenbahn lange vor der Besetzung der Mandschurei hatte in diesem Gebiet bereits vorher starke antijapanische Ressentiments entstehen lassen.
Bruderschaften
Bäuerliche Bruderschaften waren eine traditionelle Form gegenseitigen Schutzes, organisiert von Kleinbauern und Landbesitzern. Während der Kriege der Warlord-Ära in Nord- und Zentralchina kamen viele Flüchtlinge in die Mandschurei. Ab 1926 stieg diese Zahl auf über eine Million jährlich. Unter diesen waren viele, die zu den zwei vorherrschenden Bruderschaften dieser Zeit, der Roter-Speer-Gesellschaft und der Große-Schwerter-Gesellschaft angehörten, welche ihre Mitglieder auch in der Mandschurei gegen umherziehende Banditen und betrügerische Großgrundbesitzer zu organisieren begannen.
Die Roter-Speer-Gesellschaft hatte ihre Zentren im Hinterland von Fengtian und in der ländlichen Umgebung Harbins, während sich die Große-Schwerter-Gesellschaft auf das südliche Kirin und kleine Teile Fengtians konzentrierte. Zu einem ersten Aufstand kam es bereits 1927 durch die Große-Schwerter-Gesellschaft. Dieser wurde durch den Zusammenbruch der Feng-Piao-Währung verursacht und, sofern er nicht von den Bauern unterstützt wurde, von diesen doch zumindest respektiert, da die Großen Schwerter nur gegen die Verwaltungsbeamten des Warlords Zhang Zuolin vorgingen.
Seit dem japanischen Einmarsch gab es kleinere Angriffe durch die Große-Schwerter-Gesellschaft entlang der koreanisch-mandschurischen Grenze, welche mit der Proklamation Mandschukuos am 9. März 1932 massiv zunahmen. Die Großen Schwerter wurden zum wichtigsten Faktor des Widerstandes in diesem Bereich und begannen lose Verbindungen mit verschiedenen antijapanischen Armeen einzugehen. Der frühere Banditenführer Lao Pie-fang wurde zum Befehlshaber der Großen Schwerter im westlichen Fengtian, während sie im südöstlichen Kirin ein Bündnis mit dem General Wang Delin eingingen. Der ehemalige chinesische General Feng Zhanhai rüstete auf eigene Kosten ein 4000 Mann starkes Korps der Großen Schwerter aus.
Die einzelnen Gruppen der Roter-Speer-Gesellschaft waren weiter verteilt und führten daher nur sporadische Angriffe durch. Ein Zentrum war die Gegend um Mukden, in welcher es viele wichtige Kohleminen gab. Ihr Befehlshaber war ein ehemaliger Offizier der Fengtian-Armee namens Tang Juwu. Trotz ihrer weiten Verstreuung konnte die Roter-Speer-Gesellschaft außerordentlich lange Widerstand leisten. So griff noch am 3. Juni 1933, zwei Jahre nach dem Mukden-Zwischenfall und lange nach der Zerschlagung der großen Freiwilligenarmeen eine Gruppe von 1000 Roten Speeren Verwaltungsgebäude in der Präfektur Tungfeng an.
Trotzdem bestanden beide Gesellschaften hauptsächlich aus ungebildeten und schlecht ausgerüsteten Kleinbauern und hatten einen traditionalistischen, quasi-religiösen Charakter. Viele vertrauten auf den Schutz magischer Rituale und die himmlische Vorhersehung ihres Schicksals. So behaupteten viele Große Schwerter, sie seien aufgrund von Zaubersprüchen immun gegen Gewehrkugeln und ihr Tod sei, wenn er sie ereile, göttlich vorherbestimmt. Auf Seiten der Roter-Speer-Gesellschaft zogen oftmals buddhistische Mönche mit in den Kampf und dekorierten sowohl ihre als auch die Waffen anderer mit religiös-magischen Zeichen, ähnlich wie es während des Boxeraufstand der Fall gewesen war.
Banditen
Das nordöstliche China litt besonders am Zusammenbruch der Zentralregierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sodass sich ein aktives Banditenwesen etablieren konnte. Während einige von ihnen raubten, um sich zu bereichern, waren viele Gelegenheitsbanditen, die infolge von Missernten oder Naturkatastrophen Raubüberfälle verübten, um sich und ihre Familien ernähren zu können. Begünstigt wurde dies durch die massive Einwanderung während der zwanziger Jahre, als viele Einwanderer keinen Anschluss an die Gesellschaft fanden und so zu Geächteten wurden. Eine der berühmtesten dieser Banditengruppierungen in der südlichen Mandschurei nannte sich Honghuzi (Rotbärte). Oft wurden die Banditen einfach nur Shanlin genannt, was Berg und Wald bedeutet und auf ihre Aktivität in der ländlichen Umgebung der Städte und die nahegelegenen Wald- und Bergregionen sowie ihre dortige Ortskenntnis anspielte. Die meisten Gruppen waren jedoch nur kleine Zusammenschlüsse, die in einem räumlich eng begrenzten Gebiet agierten und häufig unter der lokalen Bevölkerung Sympathisanten und Unterstützer hatte. Aufgrund dessen hatte auch die chinesische Armee vor dem japanischen Einmarsch große Probleme, diese Gruppen effektiv zu bekämpfen.
Es gab auch eine Art von nationalistischem Banditentum. Dieses hatte sich als Folge der Russischen Invasion vom Juli 1900 gebildet, als zaristische Truppen in die Mandschurei einmarschierten. Dies geschah, um die russisch kontrollierte Chinesische Osteisenbahn vor eventuellen Auswirkungen des Boxeraufstands zu schützen. Wang Delin führte dabei die größte Gruppe gegen die russische Besatzungsmacht. Da diese jedoch auch gegen die Qing-Dynastie opponierte, wurde sie als Banditentruppe eingestuft. Diese Gruppierung war bis 1917 aktiv, als sie in die Truppenverbände der Provinz Kirin eingegliedert wurde. Dies war in der Zeit der Warlords eine durchaus übliche Praxis, da die Banditen wenigstens über eine grundlegende Ausbildung an Waffen und in Taktik verfügten und so eine ständige Quelle neuer Rekruten bildeten. Nach der Zerschlagung der Provinzarmeen durch die Japaner 1931 desertierten Tausende dieser Soldaten und reorganisierten ihre alten Banditengruppen.
Bereits im Dezember 1931 begannen die Japaner daher großangelegte Operationen, um das Land von Banditen zu säubern, welche zu dieser Zeit hauptsächlich zivile Züge der Südmandschurischen Eisenbahn überfielen. Diese Operationen führten dazu, dass die Banditen nun auch abgelegene japanische Siedlungen überfielen und massiv die Eisenbahnnetze sabotierten, was zu noch brutaleren Unterdrückungsmaßnahmen der japanischen Okkupanten führte.
Viele Banditen schlossen sich nach der japanischen Eroberung den Freiwilligenarmeen an oder wandelten ihre Gruppen in solche um. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Zhang Haitian (Alter Nordwind), welche trotz ihres nun bestehenden Partisanen- und Freiheitskämpfercharakters weiterhin auch chinesische Dörfer überfiel.
Bildung der Antijapanischen Freiwilligenarmeen
Widerstand in Harbin
Als General Xi Qia von der Kirin-Armee die Unabhängigkeit der Provinz ausrief, teilten sich die militärischen und zivilen Verwaltungsbehörden in zwei Lager. Das des Neuen Kirin unter Xi Qia und das des Alten Kirin, welches loyal zur Republik China stand und gegen das Neue Kirin opponierte.
Die Feindseligkeiten im Gebiet um Harbin begannen nicht vor Ende Januar 1932, etwa zeitgleich mit dem Zwischenfall vom 28. Januar. General Ding Chao entschloss sich, die Stadt, ein wichtiger Eisenbahn- und Flussschiffahrtsknotenpunkt im Norden, gegen die Truppen des Neuen Kirin unter Xi Qia und anschließend die der Japaner, zu verteidigen. Er warb unter den Einwohnern der Stadt darum, sich dem Kampf anzuschließen, woraufhin viele Hundert sich seinen Eisenbahntruppen anschlossen und die Kirin Selbstverteidigungsarmee bildeten. Obwohl die Schlacht von Harbin verloren ging, inspirierte der Widerstand Ding Chaos viele lokale Autoritäten im Umland Harbins und in Fengtian dazu, eigene Gruppen und Milizen aufzustellen und gegen die japanische Okkupation zu kämpfen.
Ding Chaos geschlagene Kirin Selbstverteidigungsarmee zog sich nordostwärts entlang des Flusses Sungari zurück und vereinige sich dort mit den Garnisonstruppen von General Li Du, wodurch sich der Kern des bewaffneten Widerstands im nördlichen Kirin bildete. Im südlichen Kirin bildete sich währenddessen unter General Wang Delin, einem ehemaligen Bataillonskommandeur und Banditenführer, am 8. Februar 1932 die Nationale Befreiungsarmee des chinesischen Volkes. Betrug ihre Mannschaftsstärke zu Beginn nur etwa 1.000 Soldaten, so wuchs sie innerhalb der nächsten Monate stark an und wurde zu einem Zentrum des Widerstandes und einer der erfolgreichsten Freiwilligenarmeen in den folgenden Kämpfen.
Gründung Mandschukuos
Im Angesicht der Niederlage Ding Chaos stimmte Ma Zhanshan schließlich dem japanischen Werben zu und trat am 14. Februar 1932 in die neu gebildete Mandschurische Armee ein. Als Belohnung für seine Kollaboration durfte er seinen Posten als Gouverneur der Provinz Heilongjiang weiterhin ausüben.
Am 27. Februar 1932 machte Ding Chao den Japanern ein Waffenstillstandsangebot im Namen der Republik China, wodurch der offizielle chinesische Widerstand in der Mandschurei endete.
Am folgenden Tag wurde Puyi, ehemaliger chinesischer Kaiser der Qing-Dynastie und 1911 während der Xinhai-Revolution gestürzt, durch einen Allmandschurischen Kongress in Mukden zum Präsidenten des unabhängigen Staates Mandschukuo ausgerufen. An diesem Kongress nahm auch Ma Zhanshan teil, der hierfür extra aus dem Norden eingeflogen wurde. Am 1. März wurde eine provisorische mandschurische Regierung gebildet, in welcher Ma Zhanshan, zusätzlich zu seinem Posten als Provinzgouverneur, das Amt des Kriegsministers bekleidete. Am 9. März wurde die Unabhängigkeit des Staates Mandschukuo offiziell ausgerufen. Die Republik China verkündete daraufhin, dass sie diesen Staat nicht nur nicht anerkennen würden, sondern dass Puyi in Wirklichkeit von den Japanern entführt worden sei und gefangen gehalten werde, wodurch die Unabhängigkeitserklärung ungültig sei.
Trotz des offiziellen Waffenstillstandes wurde der Widerstand nicht eingestellt. Bis Ende Februar zerstörte die Befreiungsarmee des Chinesischen Volkes insgesamt 18 Brücken der Bahnstrecke Kirin–Dunhua und am 20. Februar wurde die Stadt Dunhua durch die Truppen Wangs erobert. Eine zur Rückeroberung entsandte japanisch-mandschurische Streitmacht wurde in mehreren kleineren Schlachten entlang des Ufers des Jingpo Hu unter Verlust hunderter Soldaten zurückgeschlagen. Die schlecht ausgerüsteten Milizen besaßen den Vorteil der Geländekenntnis und konnten ihre Feinde häufig in Hinterhalte locken, was die Japaner schließlich dazu bewog, sich vorerst nach Harbin zurückzuziehen.
Dass die japanische Armee eine militärische Niederlage gegen einen losen Zusammenschluss schlecht ausgerüsteter, irregulärer Soldaten hinnehmen musste, kam einem außenpolitischen Desaster gleich. Die Japaner waren bemüht Mandschukuo der Welt als einen Staat darzustellen, der aus dem Wunsch des Volkes heraus gegründet worden und absolut friedlich sei. Doch nun wurde sogar eine Untersuchungskommission des Völkerbunds nach Mandschukuo gesandt, um den Vorfall zu untersuchen. Auch in Mandschukuo selbst rief die Niederlage große gesellschaftliche Resonanz hervor. Als sich die Nachricht verbreitete, desertierten hunderte Soldaten der neuen Kaiserlich Mandschurischen Armee und schlossen sich zusammen mit anderen Freiwilligen der Befreiungsarmee des Chinesischen Volkes an. Hierdurch wuchs deren Stärke bis zum April von zuletzt etwa 4.500 auf über 10.000, möglicherweise sogar fast 15.000 Soldaten an, welche in fünf Brigaden organisiert wurden.
Krieg der Freiwilligenarmeen und „Anti-Banditen Operationen“ 1932–1933
Der Konflikt beginnt
Mit dem Ende des Winters 1932 starteten die Japaner von Harbin aus eine Strafexpedition entlang des Sungari und der Chinesischen Osteisenbahn in das innere der Provinz Kirin um die Kirin Selbstverteidigungsarmee, deren Oberbefehlshaber Ding Chao sich nicht an das mit den Japanern geschlossene Waffenstillstandsabkommen hielt, zu zerschlagen. In dieser von März bis Juni 1932 andauernden Operation konnte die Kirin Selbstverteidigungsarmee zwar von den Ufern des Sungari und aus dem Kern von Kirin vertrieben werden, allerdings leistete die weiterhin Widerstand und besetzte nahe der sowjetischen Grenze verschiedene Dörfer entlang der Chinesischen Osteisenbahn.
Im Südwesten kontrollierte eine weitere Freiwilligenarmee unter General Li Hai-ching von Fuyu aus das umliegende Gebiet bis hin nach Nong’an. Diese Armee nannte sich Antijapanische Armee zur Befreiung des Landes und verfügte sogar über leichte Artillerie und mehrere Maschinengewehre, welche sie von den ehemaligen regulären chinesischen Truppen übernommen hatte. Am 29. März 1932 schlug sie vor den Toren Nong’ans, nur etwa 55 Kilometer von der neuen mandschurischen Hauptstadt Xinjing entfernt, eine mandschurische Armee unter dem Befehl des ehemals chinesischen Generals Xi Qia. Dieser Sieg war jedoch hauptsächlich nur möglich, da die Freiwilligenarmee am Vortag einen Munitionstransport, der von etwa 100 Militärpolizisten gesichert wurde, überfallen und so etwa 200.000 Schuss Gewehrmunition und 50.000 Mörsergranaten erbeutet hatten. Dieser Transport war auf dem Weg nach Nong’an, welches die mandschurischen Truppen zwischenzeitlich erobert hatten, denen aber nun im Gegenzug die Munition ausging und die so zum Rückzug oder zur Kapitulation gezwungen wurden.
Kleinere japanische Einheiten, die zur Unterstützung aus Xinjing entstand waren, wurden noch vor Nong’an unter schweren Verlusten zum Stehen gebracht. Von Osten aus Dehui entsandte Truppen konnten nicht mehr rechtzeitig eingreifen um die Kapitulation von Teilen der mandschurischen Truppen und den Rückzug der restlichen zu verhindern, schafften es jedoch bereits am 30. März mit Luftunterstützung Nong’an endgültig zu erobern.
Die Revolte Ma Zhanshans
Obwohl er Provinzgouverneur und Kriegsminister Mandschukuos war, vertrauten die Japaner Ma Zhanshan nicht und ließen ihn durch ihren Geheimdienst überwachen. Des Weiteren musste er bei allen wichtigen Entscheidungen japanische Berater konsultieren und bei ihnen um Genehmigung bitten. Unzufrieden mit dieser Situation begann Ma bereits nach kurzer Zeit heimlich Geld und Waffen der Japaner, die für die Ausrüstung der Kaiserlich Mandschurischen Armee vorgesehen waren, beiseitezuschaffen und seine ehemalige Privatarmee neu auszurüsten. In seiner Funktion als Gouverneur von Heilongjiang rekrutierte er diese Soldaten offiziell für die Kaiserlich Mandschurische Armee und brachte ihre Familien in Sicherheit, bevor er am 1. April 1932 gemeinsam mit seinen Truppen Tsitsihar verließ um sich auf eine militärische Erkundungsoperation zu begeben.
Als er am 7. April Heihe erreichte, rief Ma die Unabhängigkeit der Provinz Heilongjiang von Mandschukuo aus und organisierte seine Truppen gemeinsam mit der dortigen Garnison und neuen Freiwilligen bis Anfang Mai in neun neue Brigaden. Außerdem richtete er über die Provinz verteilt elf Garnisonen aus Freiwilligen ein. Diese bildeten zusammen mit den bisherigen Kerntruppen die neue Nordöstliche Antijapanische Nationale Befreiungsarmee. Ma wurde außerdem zum Oberbefehlshaber sämtlicher in der Folgezeit gebildeter Antijapanischer Freiwilligenarmeen erklärt, die auf ihrem Höhepunkt nach japanischen Schätzungen bis zu 300.000 Kämpfer umfasst haben sollen.
Nachdem er einige Abteilungen zur Unterstützung Ding Chaos an den Unterlauf des Sungari gesandt hatte, brach Ma mit seinen restlichen Truppen in Richtung Harbin auf. Sie führten unter anderem 20 Haubitzen mit sich und wurden von einer kleinen Staffel aus sieben Flugzeugen unterstützt. Ma konnte kleinere Feindgruppen, die ihm entgegengesandt wurden, zwar in Hinterhalte locken und zerschlagen, musste aber erkennen, dass er gegen die mandschurischen und japanischen Truppen, welche sich vor Harbin sammelten, momentan nichts ausrichten konnte und wandte sich deshalb südwestlich in Richtung Tsitsihar.
Ungefähr zur gleichen Zeit begannen kleinere, unabhängige Partisanengruppen in der ganzen Provinz Heilongjiang japanische und mandschurische Einrichtungen zu überfallen. Die zur Eindämmung der Unruhen entsandten Truppen der Kaiserlich Mandschurischen Armee wagten es entweder nicht, die unmittelbare Umgebung der Eisenbahnlinien, an denen sie vorrückten, zu verlassen, oder sie liefen direkt zu den Partisanen oder den Truppen Mas über. Diese Truppenabwesenheit führte dazu, dass sich besonders entlang der Chinesischen Osteisenbahn Banditenbanden wieder zusammenfanden und Städte und Dörfer überfielen.
Um die Kontrolle wieder zu erlangen, begann die japanische Armee eine von April bis Juli 1932 andauernde Operation zur Niederwerfung Ma Zhanshans. Die Japaner rückten entlang der Eisenbahnstrecken Harbin-Hailung und Tsitsihar-Keshan vor, um den Vormarsch von Mas Truppen zu stoppen. Wo dies möglich war und die Gelegenheit bestand, spalteten sich die japanischen Truppen auf, um kleinere Einheiten von Mas Armee einzukesseln und so zu zerschlagen. Als die Japaner mit dieser Taktik immer erfolgreicher waren, befahl General Ma am 8. Juni 1932 seinen Truppen, sich dem Feind nicht mehr offen zu stellen und Guerilla-Taktiken anzuwenden. Lediglich seine persönliche Garde von 1.000 Mann kämpfte weiterhin als fest organisierter Verband. Diese lose Taktik ohne wirkliche Befehlshaber sorgte jedoch dafür, dass viele der Freiwilligen sich aus dem Widerstand zurückzogen und einfach zu ihren Familien zurückkehrten. Die verbliebenen Truppen konnten den Japanern nur noch geringen Widerstand leisten, und nachdem auch seine Leibgarde bis Juli auf wenige Männer zusammengeschrumpft und Ma nur knapp einer japanischen Einkreisung entkommen war, tauchte er vorerst unter.
Revolten der Freiwilligenarmeen südlich von Harbin
Ende April zerstörte eine Truppe von ungefähr 3.000 chinesischen Soldaten unter General Li Hai-ching etwa 105 Kilometer südlich von Harbin die Trasse der Chinesischen Osteisenbahn. Sie entfernten Schienen und Balken, beschädigten den Bahndamm und kappten eine parallel verlaufende Telegraphenlinie. Ein Zug aus Harbin, welcher an der zerstörten Stelle halten musste, wurde von ihnen ausgeplündert, bevor sie sich beim Nähern japanischer Truppen zurückzogen.
Im östlichen Mandschukuo brannten die Truppen Wang Delins drei kleinere Bahnhöfe nieder und plünderten die Stadt Suifenhe nahe der sowjetischen Grenze. Diese Angriffe wurden zu Beginn jedoch auch den Soldaten Li Hai-chings zugeschrieben. Aufgrund dessen zogen die Japaner im Mai 1932 Einheiten aus dem relativ ruhigen Süden der Provinz Fengtian ab und starteten gemeinsam mit mandschurischen Soldaten eine Strafexpedition gegen Lis Hauptquartier, wo sie einen Großteil seiner Truppen aufreiben konnten.
Die Abwesenheit der Truppen führte jedoch dazu, dass der chinesische General Tang Juwu die Zeit für reif hielt, gegen die Obrigkeit zu rebellieren. Er hatte im Geheimen etwa 20.000 Soldaten ausgerüstet und kreiste mit diesen nun die japanische Garnison in der Stadt Tonghua ein. Als Entsatz geschickte mandschurische Einheiten konnten Tangs Armee weder schlagen noch bedeutend schwächen, jedoch entschied er nach den ersten Zusammenstößen die Belagerung abzubrechen, da er weitere feindliche Verstärkungen befürchtete. Er blieb mit seiner immer noch schlagkräftigen Armee jedoch ein steter Bedrohungsfaktor für die Stadt Mukden und die japanischen Versorgungswege nach Korea und lieferte sich sowohl mit der japanischen Kwantung-Armee als auch der mandschurischen Fengtian Provinzarmee dauerhafte Scharmützel. Tang profitierte dabei wie viele andere Freiwilligenarmeen davon, dass der Sommer 1932 einen Höhepunkt im Widerstandsgeist der mandschurischen Bevölkerung bildete, sodass sich vielerorts mehr Freiwillige meldeten als mit Waffen ausgerüstet und versorgt werden konnten.
Ebenfalls im Mai gelang es einer Abteilung der Kirin Selbstverteidigungsarmee von etwa 15.000 Soldaten unter Feng Zhanhai, die Nachschublinien südlich und östlich Harbins zu unterbrechen. Als Reaktion hierauf wurden zwei parallele japanisch-mandschurische Operationen von Juni bis Juli 1932 durchgeführt um Fengs Truppe zu zerschlagen. Dieses Ziel konnte zwar nicht vollständig erreicht werden, allerdings zog sich Feng als Resultat mit den Resten seiner Truppe nach Westen zurück und stellte so für Harbin keine Gefahr mehr dar.
Im August traten die Flüsse Nen Jiang und Sungari über die Ufer und überschwemmten ein Gebiet von über 30.000 km² in der Umgebung Harbins. Die Überschwemmung stoppte sowohl die Operationen der Japaner als auch die der Freiwilligenarmeen, welche im Sommer 1932 ihrem Höhepunkt entgegen strebten. Da im Zuge der Flut jedoch große Teile der Ernte, welche durch die andauernden Kämpfe bereits geringer ausfallen würde, vernichtet wurden, kamen die Freiwilligenarmeen unter großen Druck. Die sich anbahnende Hungersnot entzog ihnen die Unterstützung der Bevölkerung und Überfälle zur Nahrungsbeschaffung ließen die öffentliche Meinung umschwenken.
Niederlage der Freiwilligenarmeen
Im Zuge der Flut überquerten mongolische Banditengruppen die Grenze und überfielen isolierte Orte wie die kleine Stadt Tongyu. Die Bevölkerung war entweder von den Freiwilligenarmeen enttäuscht, dass sie nichts gegen die Banditen unternahm, oder rechnete ihnen selbst die Überfälle zu. Als es einer mandschurischen Truppe, die am 20. August entsandt wurde, am 31. August die Stadt Tongyu zurückzuerobern, wurde die zivile Haltung gegenüber den Freiwilligenarmeen sogar vielerorts offen feindselig.
Eine am 2. September durch die mandschurische Kiringarde gestartete Operation gelang es, die schon im Rückzug befindlichen Truppen Feng Zhanhais nahezu komplett zu zerschlagen. Hierdurch war die operative Organisation der Freiwilligenarmeen fast vollständig zerschlagen und ihre Möglichkeit zu koordinierten Angriffen vorerst nicht mehr vorhanden.
Su Bingwens Revolte
Im äußersten Westen Heilongjiangs, an der sowjetischen Grenze, hatte der General Su Bingwen es bisher vermieden, sich und seine Truppen offen auf die Seite Mandschukuos oder Ma Zhanshans zu stellen und war so bisher von beiden Seiten unbehelligt geblieben. Hierdurch konnten die Bauern in dem von ihm kontrollierten Gebiet im Spätsommer ungestört ihre Ernte einbringen und schufen so eine Versorgungsgrundlage für spätere Operationen.
Als die Japaner Ende September 1932 begannen, ihre Truppen nach Süden zu verlegen um die dortigen Industrieanlagen vor den Freiwilligenarmeen zu schützen, stellte Su Bingwen sich am 27. September offen auf die Seite der Aufständischen und nahm hunderte japanische Siedler und die Soldaten isolierter japanischer Stützpunkte als Geiseln. Anschließend bewegte er sich mit seinen Truppen, die sich Heilongjiangs Nationale Befreiungsarmee nannten, ostwärts um sich mit den versprengten Truppenresten Ma Zhanshans zu vereinigen.
Dieser hatte sich nach der Zerschlagung seiner Truppen durch die Japaner in die Xing’an-Berge am Amur zurückgezogen und versucht, seine Armee zu reorganisieren. Als er von Sus Revolte erfuhr, verließ er die Berge und vereinigte sich im Bezirk Longmen mit Su.
In Heilongjiang waren jedoch im Zuge der Überschwemmungen im Sommer nicht genügend Nahrungsmittel vorhanden um größere Truppenteile zu versorgen und aufgrund der schlechten Infrastruktur konnte Su Bingwen nicht genügend Nahrungsmittel aus seinem Gebiet heranschaffen. Daher nahm die Revolte zunehmend die Form eines Raubzuges von Stadt zu Stadt an um die Kornkammern der Bauern zu plündern.
Mitte Oktober eroberten Mas Soldaten die Stadt Antachen westlich Harbins und zwangen die Einwohner dazu, ihnen umgerechnet 50.000 Dollar und sämtliche Pferde auszuhändigen, bevor sie weiterzogen. Am 26. Oktober griffen sie die Stadt Laha, 110 Kilometer nördlich Tsitsihars an. Als sie erkannten, dass sich eine japanische Garnison in der Stadt befand, bombardierten sie diese durch ihre verbliebene Artillerie und zerstörten dabei auch einen Großteil der Stadt selbst.
Einen ersten Eindruck von der Stärke der Truppen Su Bingwens und Ma Zhanshans erhielten die Japaner am 8. November, als der Unteroffizier Iwakami in Tsitsihar ankam und davon berichtete, wie etwa 4.000 Aufständische seine gesamte Einheit bei Yi’an aufgerieben hatten.
Als Reaktion hierauf entsandten die Japaner etwa 30.000 Soldaten ihrer 14. Infanteriedivision und Kavalleristen der mandschurischen Hsingan-Armee. Am 28. November kam es zu einem ersten Zusammenstoß der Truppen nahe Tsitsihar. Parallel bombardierten japanische Flugzeuge Mas Hauptquartier, welches dieser in Hailar aufgeschlagen hatte. Am 3. Dezember griffen die Japaner die Stadt direkt an und zwangen Ma und Su, sich aus ihr zurückzuziehen. Sie überquerten am 5. Dezember beide die sowjetische Grenze während sich viele ihrer Truppen in kleinen Gruppen in die Provinz Jehol zurückzogen.
Abschließende Operationen im östlichen Mandschukuo
Durch das Zusammenziehen japanischer Truppen gegen Su und Ma in Westen, kam es ein letztes Mal zu größeren Aufständen in anderen Gebieten Mandschukuos. Banditengruppen mit über 1.000 Mann und größere Einheiten der Roter-Speer-Gesellschaft führten massive Angriffe auf Eisenbahnlinien und japanische sowie mandschurische Garnisonen durch. Im Zuge dieser Überfälle eroberte eine Miliz der Roter-Speer-Gesellschaft am 15. September 1932 die Kleinstadt Pingdingshan. Als die Japaner die Stadt am nächsten Tag zurückeroberten, kam es zum so genannten Massaker von Pingdingshan,[1] bei dem über 3.000 Zivilisten getötet wurden und das nur ein Einwohner der Stadt überlebte.
Währenddessen gelang es den Japanern im Westen im Verlauf des Oktobers, die letzten Reste der Truppen Li Hai-chings, bestehend aus etwa 3.000 Soldaten, welche erneut in Heilongjiang eingefallen waren, zu stellen und zu zerschlagen. Die versprengten Reste flohen wie später auch die Truppen Si Bingwens und Ma Zhanshans in die Provinz Jehol.
Mitte Oktober gelang es den Japanern schließlich auch im Osten Mandschukuos, die Initiative endgültig zurückzugewinnen. Sie schätzten die Truppen Tang Juwus im südlichen und östlichen Fengtian auf etwa 30.000 Mann und entsandten daher am 11. Oktober eine Armee aus sieben Brigaden der mandschurischen Fengtian-Armee, zwei japanischen Kavalleriebrigaden und einer gemischten Brigade. Ausgehend vom Distrikt Tungpientao attackierten sie Tangs Truppen in der Nähe von Tonghua und Huanren und konnten Tang schließlich einkreisen. Es gelang ihm zwar zu entkommen, allerdings verlor er in der Folge die Kontrolle über größere Teile seiner Truppen, die sich langsam auflösten. Bei der Eroberung von Tonghua und Huanren am 16. und 17. Oktober erlitten die japanisch-mandschurischen Truppen Verluste in Höhe von etwa 500 Mann, während die Aufständischen 270 Tote und etwa 1.000 Gefangene hinnehmen mussten.
Im Anschluss wandten sich dieselben Truppen bis zum November dem Gebiet zwischen Mukden, Xinjing und Kirin zu, in welchem sich noch Guerilla-Einheiten Wang Delins aufhielten. Diese leisteten jedoch keinen ernsthaften Widerstand und ihre Reste zogen sich in Richtung Huinan und Siping zurück.
Vom 6. bis zum 20. November säuberten etwa 5.000 mandschurische Soldaten den Distrikt Ki Feng-lung von letzten Widerstandsnestern. Bei dieser Operation kamen neben Einheiten der Fengtian- und Kirinarmee auch erstmals die Jing’an-Guerillaeinheit (Jing’an youjidui), eine spätere Spezialeinheit der Kaiserlich Mandschurischen Garde zum Einsatz.
Vom 22. November bis zum 5. Dezember kam es wiederum zu einer erneuten Unternehmung gegen die Truppen Tang Juwus. Neben der Jing’an youjidui wurden auch chinesische Milizen aus der Nähe der koreanischen Grenze auf Seiten Mandschukuos eingesetzt. Neben zahlreichen Toten konnten etwa 1.800 Mann aus Tangs Truppe gefangen genommen werden. Viele von ihnen traten später in die Kaiserlich Mandschurische Armee ein, um der Gefangenschaft zu entkommen. Diese Operation markierte das Ende der Armee Tang Juwus.
Am 24. Dezember attackierte die japanische 10. Division Guerillaeinheiten nördlich des Flusses Mudanjiang. Am 5. Januar 1933 ergab sich der General Kuan Chang-ching mit seinen Freiwilligen bei Suifenhe den Japanern. Am 7. Januar konnte Mishan zurückerobert werden, bevor sich General Li Du mit seinen Truppen am 9. Januar über die Grenze in die Sowjetunion absetzte, was die Operationen nördlich des Mudanjiang beendete.
Bis Ende Februar 1933 waren die meisten größeren Freiwilligenarmeen zerschlagen, hatten sich in kleine Guerillaeinheiten aufgelöst oder waren in die Sowjetunion geflohen.
Folgen
Dies war nicht das Ende der Freiwilligenarmeen an sich. Viele kämpften in kleinen Guerillaeinheiten weiter, die sich jedoch in ihrem Handeln oft nicht sonderlich von den Shanlin genannten Banditengruppen unterschieden. Tatsächlich hatten die meisten Einheiten ehemalige Banditenführer als Befehlshaber, deren Erfahrung im Guerillakampf und im Überleben in der Wildnis im harten mandschurischen Winter dafür sorgten, dass diese Truppen noch auf Jahre hinaus eine stete Bedrohung für die japanischen und mandschurischen Truppen darstellte.
Dies und die Unzuverlässigkeit der Kaiserlich Mandschurischen Armee führten dazu, dass die Japaner dazu gezwungen waren, dauerhaft starke Verbände in der Mandschurei zu stationieren, wodurch einer der gewünschten Haupteffekte der Gründung Mandschukuos, die Stabilisierung der Region und Sinisierung des Konflikts, nicht erreicht wurde. Außerdem wurde so die Kwantung-Armee gestärkt, deren selbstständiges Handeln in Tokio mit Argwohn betrachtet wurde. Zwar führte die Kaiserlich Mandschurische Armee durchaus eigene Anti-Partisanen Operationen durch, wie eine erneute Befriedungsmission im Oktober und November 1933 in Kirin, an der über 35.000 mandschurische Soldaten beteiligt waren, doch die Japaner vertrauten diesen Truppen so wenig, dass sie bei solchen Einsätzen stets eigene Einsatzgruppen in Bereitschaft hielten und häufig auch den Oberbefehl übernahmen.
Viele der Truppen die ins unbesetzte China oder in die Sowjetunion geflohen waren, spielten auch später noch eine Rolle im Kampf gegen die Japaner. So wurden die Soldaten Feng Zhanhais später als reguläre Division in die Nationalrevolutionäre Armee aufgenommen und kämpften im Zweiten Sino-Japanischen Krieg. Tang Juwu wurde später Kommandeur eines Korps der Nordöstlichen Vereinten Antijapanischen Armee und kämpfte mit einer kleinen Truppe nach Ausbruch des Zweiten Sino-Japanischen Krieges hinter den japanischen Linien, wo er am 18. Mai 1939 getötet wurde. Su Bingwen diente im Generalstab der Kuomintang-Regierung und führte Truppeninspektionen durch. Aufgrund seiner zeitweiligen Kooperation mit den Japanern wurde Ma Zhanshan erst nach Ausbruch des Zweiten Sino-Japanischen Krieges begnadigt und diente als Frontkommandeur. Ab August 1940 wurde erneut zum chinesischen Gouverneur der noch unter mandschurischer Kontrolle befindlichen Provinz Heilongjiang erklärt und behielt diese Position bis Kriegsende.
Die in Mandschukuo verbliebenen Kommandeure erwartet häufig ein grausames Schicksal sofern sie den Kampf nicht einstellten. Wang Fengge wurde 1937 gefangen genommen und gemeinsam mit seiner Frau und seinem Kind hingerichtet. Wu Yicheng, ein ehemaliger Offizier Wang Delins, kämpfte mit einer kleinen Anzahl an Gefolgsleuten bis 1937, bevor auch er starb. Als Kong Xianrong, ein weiterer Offizier Wangs den Kampf einstellen wollte, übernahm seine Frau gemeinsam mit Yao Zhenshan den Befehl über seine Truppen und leistete bis zum Frühjahr 1941 Widerstand, als ihre Gruppe gemeinsam mit ihren Anführern vernichtet wurde.
Kommunisten und die Nordöstliche Vereinte Antijapanische Armee 1934–1942
Frühe Konflikte mit den Antijapanischen Armeen
Nach der japanischen Invasion der Mandschurei 1931 bildete die Kommunistische Partei Chinas eine Reihe kleiner Guerilla-Gruppen, welche sowohl die Japaner bekämpfen als auch die soziale Revolution in der Mandschurei voranbringen sollten. Diese Gruppen wurden dabei im Vergleich zu den Antijapanischen Freiwilligenarmeen bewusst klein gehalten, damit sie besser verdeckt operieren konnten.
Vor allem zu Anfang wurden die Freiwilligenarmeen von den Kommunisten als gefährliche Feinde wahrgenommen. Sie trauten ihnen nicht und fürchteten, die Japaner könnten einen vermeintlichen Rückzug der Freiwilligenarmeen auf das Gebiet der Sowjetunion als Vorwand benutzen, diese anzugreifen, was eine Gefahr für die sowjetische Unterstützung der chinesischen Kommunisten bedeutet hätte. Aus diesen Gründen warb die Kommunistische Partei im Geheimen unter den Freiwilligen dafür, ihre Offiziere zu ermorden und an der sozialen Revolution teilzunehmen.
Trotzdem schloss sich eine nicht geringe Zahl an Mitgliedern der Partei den Freiwilligenarmeen an und gelangte innerhalb derselben in führende Positionen wie beispielsweise Li Yanlu und Zhou Baozhong, die es in der Nationalen Befreiungsarmee des Chinesischen Volkes Wang Delins hohe Ränge erreichten.
Dies und eine latente Unterstützung der Freiwilligenarmeen durch die Komintern seit 1935 sorgten dafür, dass die Partei mit der Zeit ihre Politik änderte. Sie fürchtete, im antijapanischen Widerstandskampf irrelevant zu werden und so nach und nach sämtliche Unterstützung in der Mandschurei zu verlieren. So wurde nach und nach das Ziel der sozialen Revolution demjenigen der Vertreibung der Japaner von chinesischem Gebiet hintangestellt.
Nach der Niederlage der meisten Freiwilligenarmeen im Verlaufe des Jahres 1934 sammelte die Partei viele der verbliebenen Kämpfer – insgesamt besaßen die noch nicht besiegten Freiwilligenarmeen zu dieser Zeit noch schätzungsweise 50.000 Kombattanten – und organisierte sie zusammen mit den verbliebenen kommunistischen Guerilla-Truppen zur zentral geführten Nordöstlichen Vereinten Antijapanischen Armee unter dem Oberbefehl von Zhao Shangzhi. Diese neue Armee war offen für alle, die sie in ihrem Kampf gegen die Japaner unterstützen wollten und es gelang mit der Zeit auch, einige der Shanlin-Banden zu rekrutieren.
Die Vereinte Armee
1935 änderte die Partei ihre offizielle Politik und begann die Vereinte Front zu bilden. Ihre Armee gliederte daraufhin die meisten noch verbliebenen antijapanischen Gruppen in der Mandschurei und einige koreanische Widerstandskämpfer, unter ihnen auch der spätere nordkoreanische Diktator Kim Il-sung, in ihre Truppen ein. Im Verlaufe des Jahres 1935 wurde so eine Truppe von ungefähr 40.000 Kämpfern aufgebaut. Diese gliederte sich in die 1. Marscharmee in Fengtian unter Yang Jingyu, die 2. Marscharmee in Kirin unter Zhou Baozhong und die 3. Marscharmee in Heilongjiang unter Li Zhaolin. Das Ziel dieser Armeen lag darin, über das Land verteilt kleine Widerstandsnester zu bilden, um so die Verwaltung des Landes zu stören, und nach Beginn des Zweiten Sino-Japanischen Krieges 1937 darin, möglichst viele japanische Truppen zu binden, damit diese nicht ins chinesische Kernland entsandt werden konnten. Besonders in den Jahren 1936 und 1937 waren sie hiermit sehr erfolgreich und führten die Verwaltung teilweise an den Rand eines Zusammenbruchs.
Von Oktober 1936 bis März 1937 führte die noch junge Mandschurische Armee daher eine Operation mit 16.000 Soldaten gegen die 1. Marscharmee durch. Dies war die erste eigenständige Operation der Mandschurischen Armee ohne japanische Unterstützung. Trotz eigener schwerer Verluste konnte sie im Verlauf der Kampagne mehr als 2.000 Aufständische töten, darunter einige hohe Offiziere. Diese und weitere Operationen führten dazu, dass die gesamte Zahl der Aufständischen, welche 1936 noch ungefähr 30.000 betragen hatte, im Jahr 1937 nur noch bei schätzungsweise 20.000 Mann lag.
Von November 1937 bis zum März 1939 wurde eine Reihe noch größerer Operationen mit insgesamt 24.000 mandschurischen Soldaten gegen die 2. Marscharmee im Gebiet zwischen den Flüssen Amur, Sungari und Ussuri durchgeführt. In der zweiten Jahreshälfte 1938 begann die japanische Armee Truppen im östlichen Fengtian zu konzentrieren um die Reste der 1. Marscharmee zu zerschlagen. Diese hatte sich als die stärkste der drei Armeen mit einer breiten Unterstützungsbasis in der Bevölkerung erwiesen, und die Japaner sahen in ihrer Vernichtung den Schlüssel zur Zerschlagung der Vereinten Armee.
Bereits vor dem Beginn der Operation im September 1938 war die Zahl der feindlichen Soldaten auf geschätzte 10.000 gesunken, was eine Folge der jahrelangen Kämpfe und der zunehmend effektiver geplanten japanischen und mandschurischen Operationen war. Anfang Januar 1940 gelang es schließlich, die Reste der 1. Marscharmee einzuschließen und ihr Anführer Yang Jingyu starb am 23. Februar 1940, als er mitsamt seinem Führungsstab aus dem Kessel zu fliehen versuchte und dabei von einem seiner Offiziere verraten wurde.
Nach der Vernichtung der stärksten kommunistischen Truppe begann der Widerstand auseinanderzubröckeln und viele Kämpfer, unter ihnen Kim Il-sung, flohen zwischen 1940 und 1942 ins sowjetische Sibirien. Im November 1941 floh Li Zhaolin mit den Resten seiner 3. Marscharmee in die Sowjetunion und am 12. Februar 1942 wurde schließlich Zhao Shangzhi, der letzte höhere kommunistische Befehlshaber in der Mandschurei, vom japanischen Militärgeheimdienst festgenommen und starb später an den dabei erlittenen Verletzungen. Dieses Datum wird als das Ende der Operationen zur Befriedung Mandschukuos angesehen.
Sowjetische Invasion der Mandschurei
Die sowjetische Invasion der Mandschurei und der Inneren Mongolei im August 1945 führte zusammen mit dem ersten Atombombeneinsatz zum Ende des Zweiten Weltkriegs und war Teil des Sowjetisch-Japanischen Kriegs. Dieser letzte Angriff der Sowjetunion besiegelte die endgültige Niederlage des kaiserlich japanischen Heeres im Pazifikkrieg. Für den von drei Fronten gleichzeitig durchgeführten Feldzug wurde ab den 1980er Jahren alternativ vom US-amerikanischen Militärhistoriker David Glantz die Bezeichnung Operation Auguststurm geprägt.
Nach dem Japanisch-Sowjetischen Grenzkonflikt von 1939 war diese an den Grenzen des japanischen Vasallenstaates Mandschukuo durchgeführte militärische Aktion gegen das Kaiserreich Japan eine militärische Fortsetzung, die von der Sowjetunion betrieben wurde. Im Kampf gegen die japanische Kwantung-Armee eroberte und besetzte die Rote Armee im August und September 1945 die Mandschurei und Mengjiang, Korea, die Präfektur Karafuto (Südsachalin) und die Kurilen.
Vorgeschichte
Auf der im Februar 1945 tagenden Konferenz von Jalta hatte der sowjetische Staatsführer Stalin dem Drängen der Westalliierten nach einem Bruch des Neutralitätsabkommens mit Japan von 1941 nachgegeben und vereinbart, dass der Eintritt der Sowjetunion in den Pazifikkrieg drei Monate nach dem Kriegsende in Europa beginnen sollte.
Ab März 1945 begann die STAWKA, Streitkräfte aus Europa nach Fernost zu verlegen: Die Oberkommandos der Karelischen Front (Merezkow) und der 2. Ukrainischen Front (Malinowski) waren ausersehen, das Hauptquartier der Fernostfront zu verstärken und als 2. Fernost- und Transbaikalfront die Operationen zu organisieren. Nach dem Ende des Kriegs gegen das Dritte Reich wurden auch die 5., 39. und 53. Armee sowie die 6. Garde-Panzerarmee nach Fernost verlegt. Viele dieser Großverbände hatten jene Kampferfahrungen, die im schwierigen Operationsgelände der Mandschurei benötigt wurden. Einige hatten im sumpfigen Gelände Kareliens gekämpft, andere im Gebirge der Karpaten. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl von Artillerie-, Pionier- und Panzerregimentern nach Osten verlegt. Ab März bis August 1945 rollten etwa 20 bis 30 Züge pro Tag auf der transsibirischen Eisenbahn nach Osten und beförderten diese und andere Verstärkungen an die Fernostfront.
Gemäß den Ergebnissen der Konferenz von Jalta begannen am 30. Juni die Verhandlungen zwischen der Regierung der UdSSR und China. Die Verhandlungen endeten erst am 14. August mit der Unterzeichnung eines Union- und Freundschaftsvertrages, der im vornherein die territorialen Verhältnisse zwischen beiden Staaten nach Beendigung der Kämpfe festlegte. In der Nacht des 8. August teilte der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow dem japanischen Botschafter Satō Naotake mit, dass sich die Sowjetregierung ab dem 9. August im Krieg mit Japan befinde.
Truppen
Sowjetunion
Für die Gesamtleitung der Operationen an den Grenzen von Mandschukuo wurde das Oberkommando im Fernen Osten eingerichtet, als Oberbefehlshaber mit dem Hauptquartier in Chabarowsk wurde Marschall Alexander M. Wassilewski bestimmt, dem zusätzlich auch die Pazifikflotte (Admiral I. S. Jumaschew) unterstellt wurde. Die gesamten Streitkräfte der Roten Armee umfassten etwa 80 Divisionen mit 1,5 Millionen Soldaten, über 5000 Panzer (u. a. 3700 T-34), über 28.000 Artilleriegeschütze und 4.300 Flugzeuge. Etwa ein Drittel der sowjetischen Kräfte machten Unterstützungs- und Nachschubeinheiten aus.
Für die Offensive wurden drei neue Fronten der Roten Armee organisiert:
- Transbaikalfront, Marschall Rodion J. Malinowski (in der Inneren Mongolei und an der Westgrenze von Mandschukuo):
- 17. Armee (Danilow)
- 36. Armee (Lutschinski)
- 39. Armee (Ljudnikow)
- 53. Armee (Managarow)
- 6. Gardepanzerarmee (Krawtschenko)
- 12. Luftarmee (Chudjakow)
- sowjetisch-mongolische mechanisierte Kavalleriegruppe Plijew (Mongolische Revolutionäre Volksarmee)
- 1. Fernostfront, Marschall Kirill A. Merezkow (an der Ostgrenze von Mandschukuo):
- 1. Rotbanner-Armee (Beloborodow)
- 5. Armee (Krylow)
- 25. Armee (Tschistjakow)
- 35. Armee (Sachwatajew)
- 9. Luftarmee (Sokolow)
- 10. Mechanisiertes Korps
- 2. Fernostfront, General Maxim A. Purkajew (an der Nordgrenze von Mandschukuo):
- 2. Rotbanner-Armee (Terjochin)
- 15. Armee (Mamonow)
- 16. Armee (Tscheremisow)
- 10. Luftarmee (Schigarjew)
- 5. Besonderes Schützenkorps
- Tschugujewsk-Gruppe
- Amur-Flottille
Die sowjetischen Marinekräfte der Pazifikflotte umfassten 12 größere Schiffe, 78 U-Boote, zahlreiche Amphibienfahrzeuge, die an den Kämpfen beteiligte Amur-Flottille bestand aus Kanonenbooten und zahlreichen kleineren Schiffen.
Japan
Die japanische Kwantung-Armee unter General Yamada Otozō war der strategisch–operative Verband, der den Vormarsch der Roten Armee stoppen sollte. Sie war als eine der Hauptarmeen des Japanischen Kaiserreiches der wichtigste Teil der japanischen Besatzungsarmee in der Mandschurei und Korea. Die Kwantung-Armee umfasste mehr als 600.000 Mann, welche über 1.215 Panzerkampfwagen (meist Panzerwagen und leichte Panzer), 6.700 (leichte) Geschütze und 1.800 meist veraltete und zur Ausbildung genutzte Flugzeuge verfügten. Sie gliederte sich im Wesentlichen aus drei Regionalarmeen, einer unabhängigen Armee, zwei Eisenbahnregimentern und zwei Luftflotten:
- 2. Luftflotte
- 15. selbständiges Geschwader
- 101. selbständiges Ausbildungsgeschwader
- 5. Luftflotte
- 13. Fliegerdivision
- 105. selbständiges Ausbildungsgeschwader
- 5. Luftwaffen-Nachrichteneinheit
- Festland-Eisenbahntruppen
- 3. Eisenbahnregiment
- 4. Eisenbahnregiment
1. Regionalarmee (General Kita Seiichi, im nordöstlichen Mandschukuo)
- 3. Armee (Generalleutnant Murakami Keisaku)
- 79. Division (Generalleutnant Sadamasa Ota)
- 112. Division (Generalleutnant Jikizo Nakamura)
- 127. Division (Generalleutnant Ryutaro Koga)
- 128. Division (Generalleutnant Yoshishige Mizuhara)
- 5. Armee (Generalleutnant Shimizu Noritsune)
- 124. Division (Generalleutnant Masatake Shiina)
- 126. Division (Generalleutnant Kazuhiko Nomijo)
- 135. Division (Generalleutnant Hitomi Yoichi)
- 122. Division (Generalleutnant Akashika Tadashi)
- 139. Division (Generalleutnant Tominaga Kyoji)
4. Armee (Generalleutnant Uemura Mikio, im nördlichen Mandschukuo)
- 119. Division (Generalleutnant Shiozawa Kiyonobu)
- 123. Division (Generalleutnant Kitazawa Teijiro)
- 134. Division (Generalleutnant Izeki Jin)
- 149. Division (Generalleutnant Sasaki Toichi)
- 80. selbständige gemischte Brigade
- 131. selbständige gemischte Brigade
- 135. selbständige gemischte Brigade
- 136. selbständige gemischte Brigade
3. Regionalarmee (General Ushiroku Jun, im südwestlichen Mandschukuo)
- 30. Armee (Generalleutnant Iida Shojiro)
- 39. Division (Generalleutnant Shinnosuke Sasa)
- 125. Division (Generalleutnant Tatsuo Imari)
- 138. Division (Generalleutnant Tsutomu Yamamoto)
- 148. Division (Generalleutnant Motohiro Suemitsu)
- 44. Armee (Generalleutnant Hongo Yoshio)
- 63. Division (Generalleutnant Kishikawa Kenichi)
- 107. Division (Generalleutnant Abe Koichi)
- 117. Division (Generalleutnant Suzuki Hiraku)
- 9. unabhängige Panzer-Brigade
- 108. Division (Generalleutnant Iwai Torajiro)
- 136. Division (Generalleutnant Makamura Torn)
- 79. selbstständige gemischte Brigade
- 130. selbständige gemischte Brigade
- 134. selbständige gemischte Brigade
- 1. selbständige Panzerbrigade
17. Regionalarmee (Generalleutnant Kozuki Yoshio, verantwortlich für Korea)
- 34. Armee (Generalleutnant Kushibuchi Senichi)
- 59. Division (Generalleutnant Fujita Shigeru)
- 137. Division (Generalleutnant Akiyama Yoshisuke)
- 133. selbständige gemischte Brigade
Keine Kampfbeteiligung:
- 58. Armee (Generalleutnant Nagatsu Sahishige)
- 96. Division (Generalleutnant Yoshiro Tamada)
- 111. Division (Generalleutnant Tamio Iwasaki)
- 121. Division (Generalleutnant Yoshito Masai)
- 108. selbständige gemischte Brigade
- 109. selbständige gemischte Brigade
- 120. Division
- 150. Division
- 160. Division
- 320. Division
- 127. selbständige gemischte Brigade
Jede Regionalarmee der Kwantung-Armee bestand aus ein oder zwei Armeen und mehreren, dem Regionalarmeekommando direkt unterstellten Divisionen und selbstständigen gemischten Brigaden. Zusätzlich wurden die Japaner durch die 40.000 Mann starken Mandschukuo-Verteidigungskräfte, die sich aus acht schlecht ausgerüsteten und unzureichend ausgebildeten chinesischen Divisionen zusammensetzten, unterstützt. Korea, das nächste Ziel des Fernöstlichen Kommandos der Sowjets, wurde von der 17. Regionalarmee verteidigt.
Die japanische Marine trug nichts zur Verteidigung der Mandschurei bei, von deren Besetzung sie immer aus strategischen Gründen abgeraten hatte. Der Großteil der japanischen Kräfte bestand aus deutlich weniger Soldaten als vorgesehen und der Hauptteil ihrer schweren Geräte war für den Pazifikkrieg abgezweigt worden.
Der Großteil der verfügbaren Industrie und Rohstoffe Chinas lag in der Mandschurei. Die japanischen Einheiten konnten es allerdings nicht mit der Roten Armee aufnehmen, welche deutlich besser ausgerüstet und ausgebildet sowie taktisch überlegen war. Auch bestand diese zu einem nicht geringen Teil aus frischen Kräften, meist Rekruten. Das Armeehauptquartier gab Korea den Vorzug und die japanische Armee musste sich an der Nord- und Ostgrenze der Mandschurei in Position bringen, während die Westgrenze nur spärlich verteidigt wurde.
Der Feldzug
Am 9. August um eine Minute nach Mitternacht transbaikalischer Zeit begannen die Sowjets gleichzeitig mit drei Fronten ihre Angriffe an der westlichen, östlichen und nordöstlichen Grenze von Mandschukuo. Die sowjetische 9. und 12. Luftarmee bombardierten die militärischen Einrichtungen und Kommunikationsverbindungen der Japaner in Harbin, Changchun und Jilin (Kirin). Im Morgengrauen begannen die Stoßgruppen der Transbaikal-Front über die Ostgrenze der Mongolischen Volksrepublik und über das Große Hinggan-Gebirge in Richtung auf Mukden und Changchun, die Armeen der 1. Fernost-Front aus dem Amur– und Ussuri Abschnitt und aus der Region Primorje (die Küstenregion) in den Richtungen auf Harbin und Kirin anzugreifen. Der Feldzug wurde nach dem klassischen Zangenverfahren ausgeführt, wobei ein Gebiet von der Größe Westeuropas eingekesselt wurde.
Im Westen kämpfte sich die Rote Armee gemeinsam mit der Mongolischen Revolutionären Volksarmee über die Berge und die Wüsten der Mongolei voran, weit entfernt von ihren Versorgungslinien. Dies verwirrte die Japaner und sie wurden unvorbereitet überrascht. In den ersten 18 Stunden des Kampfes war der japanische Kommandant abwesend und der Kontakt zu anderen Einheiten brach kurze Zeit später ab; die japanische Armee hatte vermutet, die Invasion würde im Oktober beginnen und war deshalb nicht auf den Angriff der Sowjets vorbereitet. Zur gleichen Zeit sicherten sowjetische Luftversorgungstruppen Flugplätze und Stadtzentren beim Vormarsch der Bodentruppen; sie wurden auch dazu verwendet, Treibstoff an die Einheiten zu liefern, zu denen kein Bodenkontakt mehr möglich war.
Die im Norden operierende 2. Fernostfront unter General Purkajew spielte bei der Gesamtoperation eine unterstützende Angriffsrolle. Ihre Ziele waren die Städte Harbin und Qiqihar und die Verhinderung des geordneten Rückzugs – der im nördlichen Mandschukuo vorgelagerten japanischen 4. Armee – nach Süden. Nach Wassilewskis Planung führte die Transbaikal-Front den Hauptstoß an der Westgrenze von Mandschukuo mit der 6. Garde-Panzerarmee in allgemeiner Richtung auf Mukden (heute Shenyang) um in der südlichen Zentralmandschurei die Verbindung zu den gleichzeitig aus dem Osten angreifenden Truppen der 1. Fernost-Front herzustellen.
Nachdem die Truppen der 1. Fernostfront und der Transbaikalfront die Stadt Changchun erobert hatten, sollte die 2. Fernostfront die Halbinsel von Liaodong angreifen und Port Arthur einnehmen. Die Operationszone zwischen der Transbaikal- und der 2. Fernost-Front wurde am Zusammenlauf des Flusses Gasimur in den Argun festgelegt.
Offensive der Transbaikal-Front
Im Bereich der Transbaikal-Front gab es keine geschlossene Front, die Angriffskeile, welche gegen die japanische 3. Regionalarmee operierten, waren bis zu Hunderten Kilometern von ihren Nachbarn getrennt. Bei der Transbaikal-Front erzwang die 6. Garde-Panzerarmee mit dem 5. Garde-mechanisierten Korps (Generalmajor M. I. Saweljew) den Durchbruch im Lubei-Tutsuan-Distrikt und führte zur Überraschung der Japaner die gepanzerten Verbände über die Pässe des Großen Hinggan Gebirges. Der von Generaloberst Krawtschenko kommandierte Hauptstoß war links durch die 39. Armee (Generaloberst I. I. Ljudnikow), rechts durch die 17. Armee (Generalleutnant A. I. Danilow) gedeckt. Die 17. Armee sollte aus dem Raum Jugodsyr in Richtung Dabanshan vorstoßen. Die 39. Armee griff südöstlich von Tsari-Bulag an, umging die Region von Halun-Argun und versuchte die japanische Gruppierung bei Solun nach Südosten zu umfassen. Die 36. Armee, am linken Flügel der Transbaikal-Front eingesetzt, griff in zwei Richtungen an: rechts von Staro Tzueruaytui über den Fluss Argun auf Hailar und links aus dem Gebiet Otpor auf Zhalainor (Zalantun). Dazwischen hatten die Japaner zwei befestigte Räume etabliert, die umgangen wurden. Widerstand gab es zunächst nicht, erst bei der Annäherung an die Stadt Hailar brachen hartnäckige Kämpfe aus. Hier hatten die Japaner die Zugänge mit Minenfeldern, Drahtbarrieren, Panzerabwehrgräben und Steilhängen gesichert.
Die hartnäckigsten Kämpfe entbrannten im Abschnitt der 36. Armee des Generalleutnants A. A. Lutschinski. Während der ersten Phase versuchten zwei Stoßgruppen die japanische Verteidigung zu umgehen. Die erste Gruppe hatte in Richtung Hailar und die zweite Gruppe über den Großen Hinggan-Gebirge südlich der Straße Halung-Arshaan und gegen die befestigte Zone von Wuchakou vorzugehen. Die Verbände des 5. Garde- und 113. Schützenkorps (Generalleutnants N. N. Oleschew und I. S. Besugli) schritten von der südlichen Hochebene des Tamsag-Bulag entlang der kleinen Dörfer Dzurkin Harul am Fluss Seldschin Gol und Boto Nela am Fluss Urgen Gol vor, um die Linie Tihonera-Kakusupera zu erreichen. In der Hauptangriffsachse und an der Spitze der 36. Armee, die in Richtung auf Solun angesetzt war, operierte die 61. Panzerdivision, welche in zwei Tagen zügig 45 Kilometern vorstoßen konnte. Gleichzeitig führte das 94. Schützenkorps (Generalmajor J. I. Popow) der rechten Flügel einen sekundären Angriff vom nördlichen Kamm des Tamsag-Bulag zu den kleinen Weilern Koragan, Bain Chaumiao und Tappi Bancha und versuchten Hailar von Norden zu erreichen. Während der zweiten Phase griffen die beiden Angriffsgruppen der 36. Armee, Solun und Hailar an. Am Morgen des 11. August war es möglich, den Bahnhof, ein Kraftwerk und die Militärstadt Higlar zu besetzen. Am 13. August erreichten Truppen der 39. Armee die Städte Solun und Vanjao und betraten die zentrale Mandschurei. Auf der rechten Flanke der 36. Armee schuf der Kommandant am 14. August eine Kampfgruppe, die aus den 94. und 293. Schützendivision und zwei separaten Artillerie- und Maschinengewehr-Brigaden bestand, um die sich haltenden Überreste der Japaner niederzuringen. Die Kämpfe in der befestigten Zone Hailar dauerten bis zum 17. August und endeten mit der vollständigen Zerstörung der japanischen Garnison, wovon noch über 3800 Mann gefangen wurden.
Am 14. August standen die Einheiten der 39. Armee, die entlang der Eisenbahn vorrückten, 40 km von der Stadt Baychen (Taoan) entfernt. Die 17. Armee besetzte Lam-Khure-Suma und richtete ihre Spitze nach Dabanshan und rückte bis 15. August weiter in Richtung Chifeng vor. Der rechten Frontflügel – die Mechanisierte Kavalleriegruppe Plijew – durchquerte völlig separat das Wüstengelände der Inneren Mongolei in Richtung auf Dolonor und die Große Mauer, wo die Verbindung zur rot-chinesischen 8. Marscharmee hergestellt werden sollte. Diese Kavalleriegruppe umfasste neben sowjetische Truppen (59. Kavallerie-Division, 43. Panzer-Brigade, 25. und 27. motorisierte Schützen-Brigaden) auch Truppen der verbündeten Volksarmee der Mongolischen Republik (5., 6., 7. und 8. Kavallerie-Division, 7. gepanzerte Brigade, 3. Artillerieregiment). Das größte Problem wurden dabei die eigenen Versorgungslinien. Diese Formationen unter Generaloberst Plijew und Tschoibalsan besiegten die japanischen Truppen im befestigten Gebiet von Halun-Arshan, besetzte Dolonnor und begannen am 15. August den Kampf um Zhangbei und Kalgan.
Nachdem sie das Große Hinggan-Gebirge überwunden hatten, besetzten am 17. August die Truppen der 36. Armee die Städte Boketu, Yalu und Zhalantun, am 19. August erreichten die vorn eingesetzte 205. Panzerbrigade die Stadt Qiqihar, der andere Flügel kämpfte derweil im befestigten Raum von Hailar. Vom 15. bis 17. August verteidigte sich die japanische Garnison des befestigten Gebiets Hailar weiterhin hartnäckig, trotzdem fiel die Stadt Hailar am 18. August an die Rote Armee. Der schnelle Vormarsch der 6. Garde-Panzerarmee führte dazu, dass ihre Nachschubwege extrem ausgedehnt waren (bis zu 700 km), Munition und Treibstoff konnten nicht mehr rechtzeitig nachgeliefert werden. Auf der Linie Lubei – Tuquan musste Krawtschenkos Panzertruppen fast zwei Tage lang anhalten, um ihre Versorgung zu gewährleisten. Kurzfristig wurde beschlossen, die vordersten mobilen Truppen mit Hilfe der Luftstreitkräfte zu versorgen. Am 15. August nahm die 6. Garde-Panzerarmee ihre Offensive in Richtung Shenyang und Changchun wieder auf, dahinter folgte jetzt die 53. Armee (Generaloberst I. M. Managarow) mit dem 18. Garde-, dem 49. und 57. Schützenkorps als zweite Staffel. Die mechanisierte Kavalleriegruppe Plijew kämpfte Mitte August bereits in der Gegend von Kalgan. Am 16. August wurde die 53. Armee in die 400 km breite Lücke eingeschoben, die durch den schnellen Vormarsch zwischen der 17. und 39. Armee entstanden war und sollte die Gegend von Kailu erreichen.
Offensive der 1. Fernostfront
Die 1. Fernostfront unter Marschall Kirill Merezkow bildete die östliche Hälfte der Zangenbewegung. Die vorderen Aufklärungsabteilungen der 1., 2. Fernost- und Transbaikal-Front überschritten am 9. August unter widrigen Wetterbedingungen (häufige und starke Regenfälle) die Staatsgrenze. Um die Taiga besser durchgängig zu machen, mussten eigene Spezialeinheiten für die Artillerie den Weg durch Waldabschnitte freimachen. Die Truppen der 35. Armee, nordöstlich des Chankasees angesetzt, überquerten die Flüsse Ussuri und Sungatscha und rückten am ersten Tag 10 Kilometer tief Richtung Mishan vor. Die sowjetischen Truppen umgingen die japanischen Garnisonen der am stärksten befestigten Räume, die beim ersten Angriff nicht genommen werden konnten. Sie wurden durch separate Einheiten blockiert, die durch Artillerie verstärkt wurden. Einzelne japanische Garnisonen widersetzten sich hier noch bis zum 26. August. Die mobilen Kräfte an der Front konnten trotz schwer überwindbarer Berggebiete und Waldflächen in zwei Tagen mit ihren Angriffskeilen bis auf 75 km Tiefe vorstoßen. Die Flugzeuge der 9. Luftarmee unterstützten die Bodentruppen, welche gegen die befestigten Räume Khutou, Pogranichnaya, Dunnin und andere Siedlungen stürmten. Bomberflugzeuge führten massive Angriffe auf die Städte Hutou, Changchun und Mudanjiang durch, die sowjetischen Kampfflugzeuge hatte die völlige Luftherrschaft. Das wichtigste Ziel der die 1. Fernostfront bestand darin, sich mit den Streitkräften der Transbaikalfront in Changchun und Jilin zu verbinden und die Masse der Kwangtung-Armee zu spalten und abzuschneiden. Die Streitkräfte der 1. Rotbanner- und 5. Armee rückten zügig 100 km tief in die Mandschurei ein und begannen den Angriff auf Mudanjiang. Sobald Mudanjiang erobert war, sollte die Truppe in Richtung der Städte Kirin, Changchun und Harbin vorrücken. Als sekundäres Ziel hatte die Front die Aufgabe mit ihrem linken Flügel (25. und 35. Armee) die japanischen Truppen am Rückzug nach Korea zu hindern und dann bis zum 38. Breitengrad auf die koreanische Halbinsel vorzudringen. Am linken Flügel führte die 25. Armee den Angriff in Richtung Hunchun und Antu, mit dem Ziel, anschließend die koreanischen Häfen Ranan und Seishin zu erobern; ein Teil dieser Streitkräfte nahm am 12. August den koreanischen Hafen von Racine ein.
Das 26. Schützenkorps und die 257. Panzerbrigade rückten am Fluss Mudanjiang vor und brachen in die Stadt Mudanjiang ein. Die Truppen der sowjetischen 5. Armee durchbrachen die stark befestigte japanische Verteidigung, nahmen die Stadt Mulin ein und entwickelten aus dem Osten die Offensive gegen Mudanjiang, das eine große operative und strategische Bedeutung hatte. Die Japaner hofften sich halten zu können, die Stadt als Wellenbrecher zu benutzen und so den Durchbruch der sowjetischen Truppen in die zentrale Mandschurei zu verhindern. Der Widerstand der japanischen Truppen war so stark, dass das 26. Schützenkorps gezwungen war, Teile der besetzten Stadt wieder zu verlassen und sich um 8–10 km zurückzuziehen. Das sowjetische Kommando gruppierte seine Streitkräfte um, der Angriff auf Mudanjiang wurde neu organisiert. Bis zum Abend des 14. August überschritten die sowjetischen Truppen auch den Fluss Mulin, die japanische 5. Armee erlitt schwere Verluste. Eine schnelle Überwindung des Großen Khingan, der Wüste der inneren Mongolei, und mehrerer großer Flüsse sowie der Einbruch der Roten Armee in die mandschurische Ebene konfrontierte das japanische Oberkommando mit der sich abzeichnenden Niederlage der Kwantung-Armee.
Kapitulation der Japaner
Die Kämpfe dauerten nur etwa eine Woche, bis zu Kaiser Hirohitos Gyokuon-hōsō (= die Rundfunkansprache zur bedingungslosen Kapitulation Japans) am 15. August, die für den nächsten Tag den Waffenstillstand in der Region anordnete. Am 18. August wurde per Funk der Befehl des Generals Yamada an die japanischen Truppen übermittelt, den Widerstand zu beenden, danach begannen die japanischen Truppen in vielen Abschnitten der Front zu kapitulieren. Auch im befestigten Gebiet Hailar hörte der japanische Widerstand auf, wo 3.823 Soldaten und Offiziere kapitulierten.
Am Morgen des 19. August landete ein sowjetisches Flugzeug mit der Sondermission unter Oberst I. T. Artjomenko auf dem Militärflugplatz Changchun und machte sich in Begleitung seines Stabes auf den Weg in das Hauptquartier der Kwantung-Armee. Um 11 Uhr landete eine 500 Mann starke Luftlandetruppe unter dem Gardemajor P. N. Avramenko und sicherte denselben Flugplatz. Nach kurzen Verhandlungen mit Vertretern der Roten Armee unterzeichnete General Yamada die Kapitulationsurkunde der Kwantung-Armee. Außerdem sprachen auf Ersuchen des sowjetischen Kommandos General Yamada und der Premierminister von Mandschukuo Jing-hui im Radio mit der Bevölkerung und verkündeten die Kapitulation. Die sowjetischen Truppen waren zu diesem Zeitpunkt schon weit nach Mandschukuo vorgestoßen, kämpften jedoch weiter und drangen nun, nahezu widerstandslos, in das Kerngebiet Mandschukuos vor, wo sie am 20. August Mukden, Xinjing und Qiqihar einnahmen. Zur gleichen Zeit wurde das Gebiet von Mengjiang von der Roten Armee und ihren mongolischen Verbündeten erobert und Hohhot rasch eingenommen. In Mukden wurde am 19. August der sich auf der Flucht befindliche und abgedankte Kaiser Puyi von Mandschukuo von sowjetischen Luftlandetruppen gefangen genommen.
Landungen in Korea, auf Sachalin und den Kurilen
Am 18. August wurden zur Vorbereitung des Vormarsch der sowjetischen Bodentruppen einige amphibische Landungen durchgeführt: drei im Norden Koreas, eine in Sachalin und eine auf den Kurilen. Dies hatte zur Folge, dass – zumindest in Korea – die Bodentruppen der Sowjets beim Angriff auf dieses Gebiet bereits von anderen sowjetischen Einheiten erwartet wurden. In Sachalin und auf den Kurilen führte dies zu einer unmittelbaren Errichtung sowjetischer Souveränität.
Am 21. August wurde Dalian und am 22. August Port Arthur durch die 22. Garde-Panzerbrigade (Oberst Ivan K. Ostapenko) des 5. Garde-mechanisierten Korps im Zusammenwirken mit Luftlandetruppen besetzt. Der Vormarsch auf dem Landweg durch Korea wurde kurz vor dem Yalu-Fluss, dem geographischen Beginn der Halbinsel Korea, abgebrochen, da die Luftversorgung hier endete. Die Truppen der 25. Armee unter General Tschistjakow konnten kurzfristig die Kontrolle im Norden der Halbinsel ausüben. Das Ziel, die gesamte Halbinsel zu erobern, wurde jedoch unerreichbar, als amerikanische Truppen am 8. September bei Incheon landeten.
Auch die Insel Hokkaidō wurde nicht erobert, obwohl sowjetische Pläne dies vorgesehen hatten.
Kriegsverbrechen
Viele japanische Siedler nahmen sich das Leben, bevor die Sowjets ihre Gebiete eroberten. Mütter wurden von der japanischen Armee gezwungen, ihre Kinder zu ermorden, bevor sie sich selbst töteten. An der Ermordung der Kinder beteiligte sich gelegentlich auch die japanische Armee selbst. Verwundete Soldaten wurden zurückgelassen.[2]
Britische und US-amerikanische Berichte sagten aus, dass die sowjetischen Truppen, die die Mandschurei eroberten, die Menschen in Mukden terrorisierten und ihre Häuser niederbrannten. Die sowjetische Regierung hätte drei Tage der Vergewaltigung und der Plünderung gestattet. Die kommunistische Partei Chinas soll sich bei den Sowjets über die Vergewaltigungen und Plünderungen beschwert haben.[3][4][5][6][7]
Konstantin Asmolow vom Center for Korean Research of the Russian Academy of Sciences weist diese Vorwürfe zurück. Dokumente über Gerichtsverfahren gegen Plünderer und andere Gewalttäter zeugen seinen Worten nach davon, dass das Ausmaß dieser Vorfälle im Gegensatz zu Deutschland wesentlich kleiner war.[8]
Ergebnisse
Die erfolgreiche sowjetische Operation in der Mandschurei führte zusammen mit den amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki (6. und 9. August 1945) den Japanern vor Augen, dass sie keine Möglichkeit hatten, ihre Niederlage im Zweiten Weltkrieg abzuwenden. Einige Historiker, besonders aus China und der ehemaligen Sowjetunion, sehen den Verlust der Mandschurei und den damit verbundenen totalen Machtverlust in China als einen entscheidenden Faktor bei der Kapitulation Japans, teilweise sogar als den Hauptgrund. Sie sind der Ansicht, dass die Japaner erst nach der überraschend schnellen Niederlage ihres letzten einsatzfähigen Armeeverbandes in der Mandschurei gegenüber den Alliierten kapitulationsbereit waren.
Die sowjetisch besetzte Mandschurei war später das Hauptquartier von Mao Zedongs Einheiten, die schließlich 1949 siegreich aus dem Chinesischen Bürgerkrieg hervorgingen. Der militärische Erfolg von Mao in der Mandschurei verhinderte aber auch, dass Stalins Truppen dort Stützpunkte erhielten, die ihnen von den westlichen Alliierten versprochen worden waren, da das gesamte Gebiet nun in den Besitz der Volksrepublik China überging. Allerdings bauten die sowjetischen Besatzer vor dem Verlassen des Gebietes die als wertvoll angesehenen Industrieanlagen der Mandschurei ab, nachdem solche Güter in der vom Krieg seit 1941 schwer in Mitleidenschaft gezogenen Sowjetunion dringend benötigt wurden.
Wie in der Konferenz von Jalta vereinbart, waren die Sowjets innerhalb von drei Monaten nach der deutschen Kapitulation in den Krieg eingetreten, weshalb ihnen Sachalin, die Kurilen, Port Arthur und Dalian überlassen wurden. Die Gebiete auf dem asiatischen Festland wurden 1955 der Volksrepublik China übergeben, die anderen Besitzungen sind bis heute Teil des Rechtsnachfolgers der Sowjetunion, der Russischen Föderation.
Benennung und militärhistorische Aufbereitung
Die militärhistorische Bezeichnung „Operation Auguststurm“ (im Original: Operation August Storm) entstand erst im Jahre 1983 durch den US-amerikanischen Armeehistoriker LTC David Glantz, der den Begriff im Titel einer Veröffentlichung über den Konflikt einführte. Die Militäroperation selbst wurde unter der offiziellen sowjetischen Bezeichnung Манчжурская стратегическая наступательная операция (Mantschschurskaja strategitscheskaja nastupatelnaja operazija, Mandschurische strategische offensive Operation) geführt. Militärhistorische Veröffentlichungen unter der gelegentlich verwendeten amerikanischen Bezeichnung weisen sich damit als frühestens 1983 veröffentlicht aus.
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