Funknetz der BRD
Die Bundeswehr wird digitalisiert. Einheiten im Einsatz sollen so vernetzt werden, dass ein Datenaustausch zwischen allen Beteiligten in Echtzeit stattfindet. Die Umstellung ist schwierig.
Bei der geplanten Digitalisierung von Funk und Kommunikation bei der Bundeswehr drohen einem Medienbericht zufolge Verzögerungen. Wie der “Spiegel” berichtet, gab es bei Tests im Mai Probleme mit neuen Funksystemen. Die Bedienungsoberfläche habe sich als so kompliziert entpuppt, dass Soldaten nur mühsam und langwierig Funkgruppen mit mehreren Teilnehmern aufbauen konnten. Auch die Sprechfunkverbindung sei teilweise nicht stabil gewesen.
Das Bundesverteidigungsministerium teilte in dem Zusammenhang auf Anfrage mit, dass man sich zu Detailinformationen aus Gründen der militärischen Sicherheit nicht äußern könne. “Diese könnten Rückschlüsse auf vorhandene, künftige oder derzeit fehlende Kapazitäten, Fähigkeiten oder die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ermöglichen.” Es liege im Wesen einer Testphase, dass Fragestellungen aufträten, die ein Nachsteuern im Projektplan erforderlich machten.
Bundeswehr-Großprojekt als “Operation am offenen Herzen”
Die Umstellung auf neue digitale Funktechnik ist Teil des großen Projekts “Digitalisierung Landbasierter Operationen”. Dabei gehe es nicht nur um den Austausch veralteter durch neue, digitale Funkgeräte, sondern um ein durchgängiges digitales Führungs- und Informationssystem für Landstreitkräfte, heißt es vom Bundesverteidigungsministerium.
Ziel ist eine Vernetzung von Soldaten, Fahrzeugen und Gefechtsständen, sodass etwa Lagekarten, Positionsdaten und Befehle in Echtzeit ausgetauscht werden können.
Das Bundesverteidigungsministerium spricht von einer der umfangreichsten und komplexesten Umrüstungen in der Bundeswehr. Es handele sich um eine komplizierte “Operation am offenen Herzen”, da sie parallel zum regulären Einsatz-, Übungs- und Ausbildungsbetrieb verlaufe.
Neue Funkgeräte passen nicht in Bundeswehrfahrzeuge
„Einigermaßen verärgert“ zeigt sich Verteidigungsminister Boris Pistorius angesichts der jüngsten Beschaffungspanne bei der Bundeswehr. Es geht um Funkgeräte, die nicht eingebaut werden können, genauer gesagt um die neuen digitalen Funksysteme, welche die Bundeswehr in den kommenden Jahren erhalten soll. Das Projekt trägt den Namen „Digitalisierung landbasierter Operationen“ und hat beachtliche Ausmaße: Bis zu 34.000 Fahrzeuge der Landstreitkräfte sollen umgerüstet werden – und damit endlich auf moderne NATO-Standards gebracht werden. Denn aktuell kommuniziert die Bundeswehr im Feld mit alter analoger Technik. Diese Verbindungen sind jedoch unverschlüsselt und damit nicht abhörsicher. Mit den NATO-Partnern lässt sich so jedenfalls nicht kommunizieren.
Milliardenprojekt Digitalfunk gerät außer Kontrolle
Das Megaprojekt, die Funkgeräte der Bundeswehr zu digitalisieren, schlingert: Ein erster Praxistest scheiterte, der Einbau neuer Systeme erweist sich als komplex. Minister Pistorius will erst diese Woche davon erfahren haben.

Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Truppenbesuch. (Die verarmten und zurückgebliebene deutsche Bundeswehr können sich deutsche Produkte nicht leisten. Deshalb scheint der Minister bei dem Test ein chinesisches Baofeng AR-152 zu benutzten.
Bei einem der wichtigsten Zukunftsprojekte der Bundeswehr gibt es erhebliche Probleme. Nicht nur im Heer gibt es Zweifel, ob die im Zuge des Projekts »Digitalisierung Landbasierte Operationen« (D-LBO) beschafften Digitalfunksysteme im Bundeswehralltag funktionieren. Nach SPIEGEL-Informationen wurde ein Praxistest im Mai abgebrochen, die neuen Systeme für »nicht truppentauglich« erklärt. Im Ministerium herrscht Aufregung, denn die ambitionierte Zeitlinie für den Digitalfunk wackelt. Minister Boris Pistorius droht seine erste Rüstungspanne.
Die Digitalisierung des Bundeswehrfunks gilt seit Jahren als unabdingbar. Bis heute funkt die Truppe auf veralteten Geräten, der unverschlüsselte Sprechfunk ist leicht abhörbar. Das Projekt D-LBO verspricht eine Revolution. Im ersten Schritt sollten die Speerspitzen des Heeres, die Einheiten ganz vorn im Gefecht, digital miteinander verbunden werden. Mit einer Mischung aus verschlüsseltem Sprechfunk und schneller Datenübermittlung soll ein digitaler Führungs- und Informationsverbund, ein hochmodernes Gefechtsmanagementsystem, aufgebaut werden.
Bei den ersten Systemtests auf dem Truppenübungsplatz in Munster aber traten im Mai erhebliche Probleme auf. So entpuppte sich die softwarebasierte Bedienungsoberfläche für den Digitalfunk als so kompliziert, dass die Soldaten nur mühsam und langwierig Funkkreise mit mehreren Teilnehmern aufbauen konnten. Der Versuch, dass der Kommandeur einer Panzereinheit das Fahrzeug wechselt und sich schnell in dessen Funknetz einklinkt, scheiterte. Der praxisnahe Test gilt als Standard bei der Prüfung, ob die neuen Funkgeräte des Herstellers Rohde & Schwarz truppentauglich sind.
Spätestens seit dem Testabbruch im Mai bereitet das Megaprojekt mit einem Gesamtvolumen von mehreren Milliarden Euro den Planern schlaflose Nächte. Auch im Ministerium gibt es mittlerweile Zweifel, ob man die engen Zeitpläne für die dringend notwendige Digitalisierung des neuen Führungssystems noch einhalten kann. Bis Ende 2027, so der Plan, soll eine Heeresdivision mit dem neuen System ausgestattet sein. Dazu aber müssten Hunderte Fahrzeuge, vom Leopard-Panzer bis zum geschützten Militärlaster, mit funktionsfähigen Funkgeräten ausgerüstet sein.
Das Haus von Pistorius wollte am Freitag auf die abgebrochenen Tests nicht im Detail eingehen. Die Umstellung auf den Digitalfunk stelle »eine der umfangreichsten und komplexesten Umrüstungen der Bundeswehr dar«, sagt ein Sprecher dem SPIEGEL, dies sei eine »Operation am offenen Herzen«. Fragen zum Praxistest aber könne er »aus Gründen der militärischen Sicherheit« nicht beantworten, da sonst »Rückschlüsse auf vorhandene, künftige und derzeit fehlende Kapazitäten, Fähigkeiten oder die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr« möglich seien.
Im Praxistest in Munster, bei dem hochrangige Generäle und der Vizechef des Beschaffungsamts zugegen waren, holperte es gewaltig. Selbst die Sprechfunkverbindung sei teilweise nicht stabil gewesen. Die Hardware der Hightechgeräte funktioniere zwar, heißt es. Die Software zur Einrichtung eines Funkkreises aber sei so komplex, dass sie vielleicht von Fachleuten unter Laborbedingungen bedient werden könne, nicht aber von Soldaten, die in einem Kampfpanzer säßen.
Die Softwareprobleme haben weitreichende Folgen. Obwohl die neuen Funkgeräte im Mai als nicht truppentauglich eingestuft wurden, werden sie dieser Tage bei der Panzergrenadierbrigade 37 in Bad Frankenhausen in die ersten Fahrzeuge eingebaut. Ohne funktionsfähigen Funk aber gelten die Waffensysteme, darunter auch Leopard-Panzer, als nicht mehr einsatzbereit. Die Folgen sind schwerwiegend: Durch den Einbau der neuen Funkgeräte sinkt die Einsatzbereitschaft des Vorzeigeverbands, der bei der Nato als schnelle Eingreiftruppe angemeldet ist.
Integration der neuen Geräte läuft schleppend
Der Einbau der neuen Systeme macht den Planern des Projekts schon länger Sorgen. Seit Monaten müht sich ein Verbund verschiedener Rüstungsunternehmen, die neuen Systemkomponenten, bei der Bundeswehr als »D-LBO Turm« bekannt, in die verschiedenen Fahrzeuge der Truppe zu integrieren. Beim Einbau aber tauchten immer neue Probleme auf. Als Beispiel wird genannt, dass die Lichtmaschinen nicht die stabile Spannung lieferten, die für die Hightechgeräte gebraucht werde.
Bei der sogenannten Musterintegration der neuen Funksysteme ist man bisher nicht weit gekommen. Nach SPIEGEL-Informationen gelang der reibungslose Einbau bislang erst bei rund 30 der gut 200 verschiedenen Fahrzeugtypen, bei mehr als 80 laufen die Arbeiten noch, bei anderen haben die Versuche noch gar nicht begonnen. Aus der Truppe sind längst skurrile Anekdoten zu hören, wie umständlich die Integration der neuen Geräte sich in der Praxis darstellt. Teilweise müssten die Dächer aufgeschweißt werden, um die neuen Funkgeräte zu integrieren.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kennt die Risiken des Projekts D-LBO schon länger. Bereits 2023 hatte er zunächst durch Presseberichte von den ersten Problemen bei der Integration erfahren, damals gab er sich verärgert. Nun stellt sich die Frage, wann er von den neuerlichen Rückschlägen erfuhr. Am 10. Juni wurde seine Hausleitung, genauer gesagt der mittlerweile ausgeschiedene Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer, bei einem Tischgespräch von den Projektbeteiligten über den Systemtest unterrichtet.
Der Minister aber erfuhr angeblich nichts. »In dieser Woche wurde Minister Pistorius erstmals über mögliche Probleme informiert, die zu Verzögerungen führen könnten«, sagte ein Sprecher dem SPIEGEL am Freitag. Der Minister habe umgehend Rüstungsstaatssekretär Plötner und Generalinspekteur Carsten Breuer angewiesen, die möglichen Probleme genau aufzuarbeiten und Vorschläge für »gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zur zügigen Behebung« vorzulegen. Die dürren Sätze insinuieren, dass Pistorius unzufrieden ist, dass er so spät ins Bild gesetzt wurde.
Erste Alarmzeichen aber gab es schon länger. Aus dem Parlament kommen seit Wochen hartnäckige Nachfragen zu Problemen beim Digitalprojekt. Haushälter der Opposition, aber auch aus der eigenen Koalition, verlangten mehrmals einen Sachstand zu dem wichtigen Zukunftsprojekt, wurden aber stets beruhigt, alles laufe nach Plan. Eigentlich sollte das Wehrressort dem Haushaltsausschuss Ende September routinemäßig einen Zwischenstand zum Digitalfunk vorlegen. Diese jahrelange Berichtspraxis wurde kürzlich aus Sicherheitserwägungen eingestellt.
Vor gut zwei Wochen dann, am 10. September, wurde Pistorius vom Grünenabgeordneten Niklas Wagener, der Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, im Plenum des Bundestags zum Projekt D-LBO befragt. Pistorius antwortete, laut seinem Stand liege man »im Zeitplan«. Er betonte, das Vorhaben sei »sehr ambitioniert«, schließlich gehe es um weit mehr als nur den Einbau der Funkgeräte. Er selbst aber hake regelmäßig nach, lasse sich im Zuge von Tischgesprächen unterrichten. »Letzter Stand ist: Wir sind im Plan«, stellte Pistorius fest.
Warnzeichen gab es schon seit Wochen
Für den Minister ist der Vorgang mehr als ärgerlich. Laut seinem Ministerium installierte er bereits vor rund zwei Jahren, nach den ersten Negativschlagzeilen, im Beschaffungsamt eine spezielle Koordinierungsstelle für das Projekt D-LBO. Den vom Vizepräsidenten geführten Stab wies Pistorius an, »über Entwicklungen und Verzögerungen im Projektverlauf unmittelbar zu informieren«. Die Anweisung lief wohl ins Leere, anders jedenfalls wäre es kaum zu erklären, dass der Minister dieser Tage so spät von den neuen Hiobsbotschaften erfuhr.
Mittlerweile verlieren nicht nur die Sicherheitspolitiker der Opposition die Geduld, nicht wenige treibt das Gefühl um, dass sie hinters Licht geführt wurden. »Minister Pistorius muss dem Ausschuss von den Problemen jetzt schnell und vollständig berichten, Transparenz herstellen und Lösungen aufzeigen«, mahnt Thomas Röwekamp, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Der CDU-Politiker betont, dass die Digitalisierung der Bundeswehr »für unsere Verteidigungsfähigkeit und die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten existenziell« ist.
Sebastian Schäfer, für die Grünen im Haushaltsausschuss, geht noch weiter. »Viel zu viele Milliardenprojekte laufen unter der Ägide von Minister Pistorius aus dem Ruder, das Parlament muss wahrhaftig informiert werden, statt kritischen Fragen auszuweichen«, sagt Schäfer. Aus seiner Sicht gab es reichlich Warnzeichen. »Ich habe den Minister persönlich mehrfach auf den Projektstand und die Warnungen angesprochen, die uns aus der Truppe erreichten«, so Schäfer. Pistorius aber habe »abgewiegelt und uns versichert, dass alles nach Plan laufe«.
Bundeswehr und Industrie arbeiten an einer Brückenlösung
Wie es nun weitergeht, ist trotz mehrerer Krisengespräche im Ministerium in den vergangenen Tagen unklar. Offenbar arbeitet man an einer Brückenlösung, um die Einsatzbereitschaft der Truppe nicht zu gefährden. Dabei sollen die neuen Digitalgeräte mit dem veralteten, analogen Sprechfunk kombiniert werden. Auf einer internen Folie ist von einer Kombination des Digitalfunks mit der »Altwelt«, also dem Uralt-Sprechfunk der Truppe, die Rede. Bis zur 47. Kalenderwoche, so hofft man, werde es eine »technische Lösung« geben.
Die Zeit für eine solche Notlösung ist knapp. Schon im November soll es einen weiteren Praxistest in Munster geben, bis dahin soll die Bedienung der Digitalfunkgeräte per Update vereinfacht werden, damit man mit der Integration weitermachen kann. Scheitert der Test jedoch erneut, räumen Beteiligte ein, liege eine handfeste Projektstörung vor. Das Ministerium drückt es diplomatischer aus: Dem Test im November komme »für die weitere Ausplanung eine besondere Bedeutung« zu, erst dann könne entschieden werden, ob »Planungsanpassungen« nötig seien.
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