Siegerjustiz ist ein politisches Schlagwort. Es beschreibt die meist nach einem Krieg durch eine Siegermacht vollzogene Gerichtsbarkeit und Rechtsprechung, die gegebenenfalls von den Besiegten als benachteiligend empfunden wird.
Nachkriegsjustiz
In Deutschland und Österreich wurden durch die Kirchen, Juristen, Presse und Parteien in den Nachkriegsjahren die Nürnberger Prozesse, Fliegerprozesse und andere von Gerichten der Alliierten durchgeführte Gerichtsverfahren gegen Angehörige der Achsenmächte als „Siegerjustiz“ abgelehnt. Der Vorwurf der Siegerjustiz wurde von den Strafverteidigern der angeklagten Repräsentanten der nationalsozialistischen Führung öffentlichkeitswirksam benutzt, um den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen die Rechtmäßigkeit abzusprechen. In einem Schreiben an Kardinal Josef Frings, Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz, verteidigte der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay 1946 das „War Crimes Program“ und betonte, die Kriegsverbrechertribunale seien „in der Hoffnung errichtet worden, dass die Welt ihren Beitrag zum Frieden anerkennen würde und dass sie ein Abschreckungsmittel für künftige Angreifer darstellen möchten“.
Die alliierte Nachkriegsjustiz wurde als Rückkehr zu einer Rechtsordnung begrüßt, aber auch vielfach als „Siegerjustiz“ empfunden. Mit dem Begriff war eine aufgezwungene, nicht gesellschaftskonforme Einstellung und Blickrichtung gemeint. Dabei zeigte sich, dass die im Zuge der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz entwickelten Formen der Strafrechtslehren vom politisch-gesellschaftlichen Kontext in besonderem Maße abhängig waren und deutliche Tendenzen zur Negation der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bestanden. Der Stellvertreter des amerikanischen Chefanklägers bei den Nürnberger Prozessen, Robert Kempner, äußerte sich gegenüber diesen Tendenzen: „Es gibt in der Welt überhaupt nur Siegerjustiz … nur Siegerjustiz.“ (1976 in Marcel Ophüls’ Dokumentarfilm The Memory of Justice, dt.: Nicht schuldig?) Zu den Autoren, die in jüngeren Publikationen von Siegerjustiz der Alliierten sprechen, gehört der umstrittene Historiker und ehemalige Professor an der Universität der Bundeswehr München, Franz Wilhelm Seidler.
Zu Beginn der 1990er Jahre entstanden nach dem Kalten Krieg die internationalen ad-hoc Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda. Mit dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 wurde dann die Grundlage für den permanenten Gerichtshof in Den Haag geschaffen. Im Rückblick präsentieren sich die als „Siegerjustiz“ geschmähten Nürnberger Prozesse als Geburtsstunde des Völkerstrafrechts, das Individuen für Staatshandeln strafrechtlich verantwortlich macht und Regierungsimmunität ablehnt.
DDR-Aufarbeitung
Auch die Aufarbeitung der Vergangenheit der Deutschen Demokratischen Republik wird zuweilen als „Siegerjustiz“ bezeichnet, insbesondere hinsichtlich des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes. Die höchstrichterliche Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland stützte sich bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit hierbei zum einen auf die Radbruchsche Formel, nach der Recht, das gegen wesentliche Grundprinzipien verstoße, zu Unrecht würde, und zum anderen auf eine rechtsstaatliche Interpretation des Rechtes der DDR, die sich von der faktischen Auslegung durch die DDR-Justiz unterscheidet.
Geschichtskultur
Der Begriff Geschichtskultur hat sich im deutschen Sprachraum seit den späten 1980er Jahren als Sammelbegriff für vielfältige Erscheinungsformen von Geschichte und dem Umgang mit derselben im gesellschaftlichen Leben etabliert.
Geschichtspolitik
Geschichtspolitik ist die aus politischen Gründen formulierte, d. h. parteiische Interpretation von Geschichte – verbunden mit dem Versuch, eine breite Öffentlichkeit von dieser Interpretation zu überzeugen, um politische Ziele zu erreichen. Der Begriff „Geschichtspolitik“ wurde 1986 vom Historiker Christian Meier während des Historikerstreits geprägt.
Propaganda
Propaganda (von lateinisch propagare‚ „weiter ausbreiten“, „ausbreiten“, „verbreiten“) bezeichnet in ihrer modernen Bedeutung zielgerichtete Versuche, politische, religiöse oder weltanschauliche Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern. Die verschiedenen Seiten einer Thematik nicht darzulegen sowie die Vermischung von Information und Meinung charakterisieren dabei die Propagandatechniken. Dies steht im Gegensatz zu pluralistischen und kritischen Sichtweisen, welche durch unterschiedliche Erfahrungen, Beobachtungen und Bewertungen sowie einen rationalen Diskurs geformt werden.
Techniken der Propaganda und Manipulation
Techniken der Propaganda und Manipulation sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
- emotionalisierende Suggestion
- Appell an Grundbedürfnisse, Instinkte und Urängste
- Instrumentalisierung von Werten, Mythen und Traditionen einer Gesellschaft
- mangelnder Bezug zur Realität
- Vereinfachung, Verkürzung oder Auslassung von Fakten und Sachverhalten und deren Kontexten
- Mängel rationaler Analyse, mangelhafte Logik, schwache Kohärenz
- Vermeidung oder Ausschaltung von Multiperspektivität, Pluralismus, Widerspruch, Zweifel und Diskurs
- Anwendung des Freund-Feind-Schemas auf Meinungen, Informationen, Personen, Tabuisierung anderer Meinungen
- Anspruch auf allgemeine Geltung, dogmatische Ausschließlichkeit
- Glaubhafte Abstreitbarkeit
Berichterstattung der Schweizer ‘Express Zeitung’
28 Ausgabe, September 2019
Eine alte Weisheit besagt, dass die Wahrheit im Krieg als erstes stirbt. Oder dass die «herrschende Geschichtsschreibung» immer die «Geschichtsschreibung der Herrschenden» ist. Die zwei Weltkriege machen da keine Ausnahme: Dass der Erste Weltkrieg und der Versailler Vertrag wesentliche Faktoren für die Machtergreifung Hitlers waren, ist zwar unbestritten, doch meist unerwähnt bleibt die Tatsache, dass Deutschland nicht nur keine «Alleinschuld» an diesem ersten Krieg trug, sondern die Alliierten schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts das Ziel verfolgt hatten, einen Krieg gegen Deutschland vom Zaun zu brechen. Das besiegte Deutschland wurde daraufhin unverhältnismässig hart behandelt, was die verarmten und verzweifelten Deutschen in die Arme Hitlers trieb. Es folgte mit dem Zweiten Weltkrieg die schlimmste Tragödie in der deutschen Geschichte: Massenbombardements, Vertreibungen und Hungersnöte rafften Millionen dahin. Das Ausmass der Grausamkeiten, die den Deutschen damals widerfuhren, wird in der offiziellen Geschichtsschreibung, welche sich auf die Hauptschuld Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg stützt, nur äusserst selten akkurat dargelegt. Wohl um den als Herrschaftsinstrument dienenden Mythos, die Deutschen seien zu dieser Zeit das alleinige «Tätervolk» gewesen, nicht bröckeln zu lassen.
( https://ulis-buecherecke.ch/pdf_zur_geschichte_deutschlands/100_jahre_krieg_gegen_deutschland.pdf )
Immer doch schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten
- Immer doch schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten. Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge. Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge. [ Bertolt Brecht 19?? ]
- Geschichte wird von Siegern geschrieben. [ Winston Churchill 19?? ]
- Was ist Geschichte anderes als eine vereinbarte Fabel. [ Napoleon Bonaparte 17?? or 18?? ]
- Immer schreiben Sieger die Geschichte der Besiegten. [ Gotthold Ephraim Lessing Schweizer Rundfunksender Sender Beromünster 12.05.1940 ]
Der Satz “Der Sieger schreibt die Geschichte” besagt, dass die Perspektive und Interpretation historischer Ereignisse oft von denjenigen bestimmt wird, die den Krieg gewonnen haben. Diese Sichtweise kann dazu führen, dass die Geschichten der Verlierer und die Umstände, die zum Krieg führten, verzerrt oder sogar ganz ausgelöscht werden. Es ist ein gängiger Ausdruck, der die Macht der Sieger bei der Gestaltung des kollektiven Gedächtnisses und der Geschichtsschreibung hervorhebt.Obwohl der Satz oft als Zitat von Winston Churchill oder Napoleon Bonaparte genannt wird, ist seine genaue Herkunft ungeklärt. Dennoch hat er sich als eine treffende Beschreibung der Art und Weise etabliert, wie Geschichte oft konstruiert wird.
„Der Sieger schreibt die Geschichte“ bzw. „Die Geschichte wird vom Sieger geschrieben“ ist ein Ausdruck, welcher häufig rückblickend auf die vorhandenen Quellen, Überlieferungen und Berichte bezüglich historischer Ereignisse genannt wird. Obwohl sein Ursprung bis heute nicht geklärt ist, besitzt es wesentlichen Einfluss auf die allgemeine Sicht sowie den Umgang mit Geschichte. Denn die häufig einseitigen Vermerke sorgen letztendlich dafür, dass Geschichte als politisches Instrument verwendet und der Aussage eine negative Interpretation zuteilwird.
Was bedeutet: Der Sieger schreibt die Geschichte
Der Ausdruck bezieht sich vor allem auf den Krieg. Der Gewinner einer kriegerischen Auseinandersetzung dominiert, nach Kriegsende, die eroberte Kultur. Regierung, Gesetze oder Sprache werden vom Sieger ins eroberte Land getragen und dort kultiviert. Die Umstände, welche zum Krieg führten – werden demnach auch vom Sieger erzählt. Ebenfalls erzählt der Gewinner den geschichtlichen Verlauf des Krieges und wie es zum Kriegsende kam.
Letztendlich erzählt bzw. schreibt der Sieger die gesamte geschichtliche Epoche nieder, wodurch die Stellungnahme des Verlierers überhaupt nicht betrachtet wird. Der Gewinner schreibt demnach seine eigene Geschichte, welche allerdings von späteren Generationen als Wahrheit empfunden wird.
Woher kommt das Zitat: Der Sieger schreibt die Geschichte
Der Ursprung des Zitats „Der Gewinner schreibt die Geschichte“ ist bis heute nicht geklärt. In den meisten Fällen wird die Aussage Winston Churchill, dem ehemaligen Premierminister von Großbritannien, zugeschrieben. Jedoch handelt es sich nur um eine Annahme, da ebenfalls andere Quellen vorhanden sind. Beispielsweise könnte Churchills Aussage von Herman Göring inspiriert worden sein. Der ehemalige deutsche Politiker behauptete im Zuge des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland: „Wir werden entweder als die größten Staatsmänner der Welt oder als ihre schlimmsten Bösewichte in die Geschichte eingehen.“
Gleichzeitig könnte das Zitat bereits einige Jahrhunderte alt sein. Hierbei wird es oft Napoleon Bonaparte zugeordnet, wobei ebenso historische Belege fehlen. Ob der Ursprung der Aussage noch weiter in der Vergangenheit zurückliegt, lässt sich nicht feststellen. Heute wird sie dennoch gerne im Zusammenhang mit historischen Ereignissen jeglicher Größe und jeglicher Herkunft in Verbindung gebracht.
Historische Belege für die Siegererzählung
Da der Ursprung der Aussage noch immer unklar ist, existieren weder wissenschaftliche noch historische Belege. Folglich kann nur angemaßt werden, wer letztendlich der Urheber des Zitats ist. Allerdings bringt die (Welt-)Geschichte zahlreiche Beispiele, in welche sich die Annahme bewahrheitet hat.
Ein Paradebeispiel ist der Fall von Konstantinopel im Jahr 1453. Zahlreiche griechische Gelehrte wanderten nach dem Vorfall in den Westen aus, da im Wesentlichen das Ende des Byzantinischen Reiches markiert war. Als Folge berichteten sie äußerst voreingenommen, sodass die überlieferten Quellen von der Brutalität der Osmanen zeugten. Bis 1832 diente diese Tatsache als Propagandamaterial in der westlichen Welt. Erst mit dem griechischen Unabhängigkeitskrieg änderte sich die allgemeine Meinung in Bezug auf die Osmanen.
Deutlich kontroverser ist die Darstellung des Vietnamkriegs. Obwohl hier nicht der Sieger die Geschichte schreibt, da die USA den Krieg verloren haben, zeigt sich eine Tendenz in den vorhandenen Quellen. Die Geschichte der Verlierer wird in zahlreichen Berichten überliefert, welche überwiegend aus Amerika stammen. Überlieferungen aus Vietnam trotz des Siegs befinden sich noch heute in der Unterzahl.
Heutige Auslegung einer Siegergeschichte
Die Aussage hinter dem Zitat „Der Sieger schreibt die Geschichte“ bezieht sich auf die Tatsache, dass Geschichtsschreibung häufig erlogen ist. Während der Gewinner bestimmte, was überliefert und geschrieben wird, ist der Verlierer in den meisten Fällen nicht mehr in der Lage, über seine Niederlage zu berichten. Folglich handelt es sich meist um einseitige Anmerkungen bzw. Überlieferungen mit einer subjektiven Sichtweise. Der Verlierer muss stets mit den vorhandenen Konsequenzen leben, da er sich nicht bzw. nicht mehr rechtfertigen kann.
In Betracht auf die heute vorhandene Geschichtsschreibung und den Umgang mit historischen Quellen besitzt das Zitat eine negative Sicht. Der Sieger stellt sich in vielen Überlieferungen und Berichten besonders gut und positiv da. Er hat den Gegner und sein Herr erfolgreich geschlagen, indem er eine bestimmte Strategie angewandt hat. Als Folge konnte er die gegnerische Bedrohung und die Übernahme des Landes verhindern, sodass er sich als Retter sieht. In zahlreichen Fällen werden die Gegner als besonders brutal, oft aber ebenso als feige und schwach beschrieben.
Wie das eigene Herr vorgegangen ist, welche Mittel die eigenen Soldaten eingesetzt haben, um den Sieg zu erringen und wie der jeweilige Herrscher tatsächlich war – dies alles lässt sich aus den einseitigen Quellen kaum erschließen. Hier zeigt sich gleichfalls das Problem der Quelleninterpretation. Analysiert ein Sympathisant die vorliegenden Quellen, kann sich die Darstellung der Verlierer drastisch verändern. Aus einem mutigen und edlen Helden des Gegners kann beispielsweise ein treuloser und diabolischer Feldherr werden.
Ergänzend zeigt sich aufgrund des Zitats ein Mangel an historischen Quellen. Der Sieger besitzt bzw. besaß größere Macht und war dadurch in der Lage, den Zugriff auf Quellen zu kontrollieren. Zugleich konnte er ihre Darstellung verbreiten und die vorhandene Deutung durchsetzen. Dadurch hatte er generell eine größere Chance, das vorliegende Deutungsmuster sowie die herrschende Meinung zu prägen. Die Besiegten besaßen zwar auch diese Möglichkeit. Jedoch gelang es ihnen nur in seltenen Fällen. Aus diesem Grund ist heute eine Vielzahl an einseitigen Quellen überliefert, welche zu einer negativen Ansicht bezüglich der Aussage führt.
Heutzutage wird der Ausdruck oft von Neonazis verwendet, um die Verbrechen der NS-Diktatur zu überspielen bzw. die allgemeine Darstellung der Epoche zu entkräften. Es existiert der Mythos, dass die Alliierten Siegermächte die deutschen Verbrechen falsch oder übertrieben darstellen, um Deutschland nachträglich zu schädigen.
Geschichtspolitik und Geschichtsinterpretation
Wie historische Ereignisse bzw. die Geschichte im Allgemeinen interpretiert werden, hängt wesentlich mit dem Vorhandensein der Geschichtspolitik zusammen. Unter Geschichtspolitik wird die Inanspruchnahme von Geschichte für politische Zwecke verstanden. Sie verfolgt das Ziel, Geschichte in einen Sinnzusammenhang zu setzen. Ebenfalls sollen historische Ereignisse in der Gegenwart beleuchtet, begründet und angegriffen werden. Als Folge soll sich die Sicht in die Zukunft auf eine bestimmte Weise lenken lassen.
Mit welchen Methoden Geschichtspolitik eingesetzt wird, hängt von der Verwendung der vorhandenen Mittel ab. Da diese äußerst unterschiedlich gestaltet sind, lassen sich auch Aussagen wie „Der Sieger schreibt die Geschichte“ dafür benutzen. Verfälschungen von historischen Ereignissen, das Auslöschen aus der Erinnerung, Mythenbildung oder die Aufklärung sowie die Herstellung von Verständnis in Zusammenhang mit einer Perspektivenvielfalt können verwendet werden.
Als Beispiel dienen historische Ereignisse wie etwa der Kolonialismus. Sein Geschichtsablauf wurde hauptsächlich bis ganz aus der Perspektive der Sieger abgebildet. Wie die Ureinwohner Amerikas diese Phase erlebten, ist kaum überliefert. Im damaligen Kontext konnten diese Berichte eingesetzt werden, um ein negatives Bild der Ureinwohner zu erschaffen und den Kolonialismus als gerechte sowie gute Sache zu schildern.
Nachträgliche Verfälschungen
Unterdessen lässt sich Geschichtspolitik als Propagandamittel einsetzen. Diesbezüglich traf der amerikanische Publizist Walter Lippmann eine gelungene Annahme, welche häufig zitiert wird: „Erst wenn die Kriegspropaganda der Sieger Eingang in die Geschichtsbücher der Besiegten gefunden hat (und von der nachfolgenden Generation auch geglaubt wird), erst dann wird unsere Umerziehung erfolgreich gewesen sein.“
Sobald ein historisches Ereignis in Lehrbüchern festgehalten wurde, lässt sich dieses als Mittel benutzen. Somit werden eine entsprechende Sichtweise und notwendiges Wissen bezüglich vorhandener Quellen, Überlieferungen und Interpretationen benötigt, damit die künftigen Generationen nicht von der einseitigen Geschichtsschreibung beeinflusst werden. Die Sicht der Gewinner zeigt nur eine Seite der jeweiligen Ereignisse, wodurch wiederum Verfälschungen und Beeinflussungen wesentlich leichter eintreten können.
Wie objektiv kann der Sieger die Geschichte schreiben?
Die Geschichtsschreibung liefert nicht nur Anhaltspunkte auf die Vergangenheit, sondern schildert diese so, dass daraus ein nationales Bewusstsein entsteht.
In vielen Kulturen und Nationalstaaten werden historische Ereignisse so ausgeschmückt, dass sich ein Nationalstolz bei der Bevölkerung ergibt. Denn über ein kollektives Geschichtsbewusstsein, welches durch die gemeinsame Vergangenheit eines Volkes geformt und definiert wird – entsteht eine nationale Identität. Diese gemeinsame Identität ist eine Befürwortung dieser Vergangenheitsschilderung, wodurch ein Wir-Gefühl bzw. Gemeinsamkeitsgedanke entsteht.
Wie dieses Gemeinschaftsgefühl ausgefüllt wird, liefert mitunter die Geschichte. Fühlt sich ein Volk als Held der Geschichte sind damit Nationalstolz verknüpft. Wurde ein Volk in der Geschichte häufig besiegt, war unterlegen oder das Staatsterritorium mehrfach geteilt worden, ergibt sich ein historisches Unterlegenheitsgefühl.
Wird eine Nation für ein bestimmtes Negativereignis der Geschichte verantwortlich gemacht, entsteht eine Schuldkultur oder Schamkultur hinsichtlich der eigenen Geschichte. Diese Geschichtserzählungen werden transportiert, in Erzählungen, Sagen und seit der Moderne auch in Film und Fernsehen übertragen.
So ist bspw. die Unabhängigkeitserklärung ein Dokument, wonach die Menschen in den USA ihre Freiheit erkämpften. Dieser Freiheitskampf wird in Film und Fernsehen gern gezeigt und trägt zum amerikanischen Patriotismus bei. In Russland ist es der Große Vaterländische Krieg, in welchem man Nazideutschland besiegte.
Und in Deutschland ist es die Wiedervereinigung oder die Völkerschlacht bei Leipzig, bei denen man das Unrecht der Vergangenheit überwinden konnte. Diese historischen Ereignisse sind geschehen und bewirkten mitunter einen Wendepunkt in der nationalen Geschichte. Aber was daraus gemacht wurde, welche Informationen (z.B. Heldengeschichten) angeknüpft und aufbereitet werden – hat etwas mit dem bereits etablierten Geschichtsbewusstsein der Nation zu tun.
Ein Beispiel neuerer Geschichte ist der Vietnamkrieg, welcher im amerikanischen Film als Tragödie der US-Soldaten dargestellt wird. Einige Vietnam-Veteranen erhielten Auszeichnungen, wurden zu Helden und werden gefeiert. Die Napalm-Abwürfe über der vietnamesischen Bevölkerung, den Angriffskrieg, den Hunger, die Seuchen und das Leid, welche die Amerikaner mitbrachten – wird im US-Fernsehen normalerweise nicht gezeigt. Auch wurden die Amerikaner niemals des Kriegsverbrechens oder des Verbrechens gegen die Menschlichkeit beschuldigt, wodurch das nationale Geschichtsbewusstsein nicht beschädigt wird.
Dabei stellt sich die Frage, wie objektiv die Geschichtsdarstellungen sind und ob Geschichtsquellen wirklich ausreichen – um eine Vergangenheit ausreichend zu rekonstruieren. Alle Naturwissenschaften haben den Vorteil, dass sie auf empirischen Daten basieren. Das heißt, ein Phänomen wird untersucht, indem eine Reihe von Experimenten stattfinden, in denen Daten gesammelt werden. Oftmals werden in diesen Experimenten zwei Gruppen gebildet, welche sich lediglich im Untersuchungsmerkmal unterscheiden. Da die eine Gruppe ein anderes Merkmal als die Kontrollgruppe hat, kann es – falls das Untersuchungsmerkmal – eine Bewandtnis hat – zu unterschiedlichen Ausprägungen kommen, wodurch ein Zusammenhang festgestellt werden kann.
Die Geschichtswissenschaft kann nicht auf empirische Daten zugreifen und muss deshalb sehr sorgfältig mit gesicherten Quellen umgehen. Es müssen Echtheit, Verfasser und dessen Absichten festgestellt werden. Erst dann kann eine Quelle analysiert und interpretiert werden.
Nach der Quellenkritik wird die neu und als sicher angesehene Quelle als Mosaikstück in die bisherige Geschichtsschreibung eingesetzt. Durch den neu gewonnenen Erkenntnisstand müsste das nationale Geschichtsbewusstsein neu ausgerichtet werden, was allerdings meistens unmöglich ist. Denn die bisher transportierten Darstellungen der eigenen Geschichte sind verhärtet. Durch die permanente Konfrontation im Film, Fernsehen, Geschichtsunterricht, Museen und Ausstellungen – wird das eigene Geschichtsbild immer weiter gefestigt und kann durch neue Erkenntnisse kaum noch ins Wanken geraten.
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