Chaostage

Chaostage

Als Chaostage werden Treffen von Punks in verschiedenen Städten bezeichnet, die mit Aufrufen zu Gewalt und Zerstörung im Vorfeld und großer medialer Aufmerksamkeit einhergehen. Die ersten Chaostage fanden 1983 in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover statt und richteten sich gegen eine geplante Punker-Kartei der Polizei. Bei den seitdem mehr oder weniger regelmäßig stattfindenden Chaostagen kam es – besonders bei den Chaostagen 1995 – immer wieder zu heftigen Ausschreitungen und Straßenschlachten mit der Polizei. Dabei beteiligten sich neben Punks zum Teil auch Autonome und andere linke und linksradikale Gruppen, HooligansSkinheads sowie andere erlebnisorientierte und gewaltbereite Jugendliche und Erwachsene.

Mittlerweile wird der Begriff Chaostage auch in anderen Bezügen verwendet.

Die Chaostage in anderen Ländern

Niederlande

1997 wurden in Amsterdam die einzigen nennenswerten Chaostage in den Niederlanden organisiert. Diese wurden im Internet und in Amsterdam selbst mit ausgehängten Plakaten angekündigt. Es gab Aufrufe zu Aktionen wie dem violetten Anstreichen des Palastes auf dem Dam-Platz und dem Niederbrennen von Polizeistationen, was zunächst zu Unruhen führte.Keine der angekündigten Maßnahmen wurde letztlich umgesetzt. Die Chaostage wurden von deutschen Autonomen anlässlich des Euro-Gipfels 1997 eigens von Hannover nach Amsterdam verlegt. Die Chaostage fanden um den 13. Juli desselben Jahres statt. Es waren viele ausländische Besucher anwesend, vor allem Deutsche.

Ungefähr einhundertfünfzig bis dreihundert Besucher richteten am Abend des 13. Juli in der Amsterdamer Innenstadt Verwüstungen an, obwohl die Veranstaltung am selben Tag noch ruhig begonnen hatte. Die Demonstrantengruppe, bestehend aus Punks, Anarchisten, Autonomen und anderen Jugendlichen, zerstörte unter anderem Fahnenmasten, Autoscheiben sowie die Fenster des französischen Konsulats. Anschließend zog die Gruppe vom Nieuwmarkt zur Utrechtsestraat mit der Absicht, zu Fuß zum Frederiksplein zu gehen, wo am 14. und 15. Juli das Eurotop stattfand. Die Amsterdamer Polizei reagierte mit dem Einsatz von Polizisten in Zivil und Bereitschaftspolizisten, die an diesem Tag mindestens vierzehn Demonstranten festnahmen. Mehrere Zeugen und Quellen geben an, dass die Polizei hart reagierte. Später erklärte die Polizei, es habe 17 Festnahmen gegeben, Zeugen schätzten die Zahl jedoch auf rund 50. Die Gruppe verteilte sich erneut in kleinere Gruppen zum Nieuwmarkt, zum Weteringplantsoen und zum Museumplein. Später am Abend wurden Gruppen von Demonstranten, die unterwegs waren, von der Polizei eskortiert.

Diese Demonstration der Chaostage war Teil des größeren „Euromars“, einem Protestmarsch in Amsterdam gegen den Euro-Gipfel. Die Organisatoren des Marsches forderten von der Europäischen Union eine sozialere Politik. Viele dieser Demonstranten kamen aus Westeuropa, insbesondere aus Spanien, Frankreich und Deutschland. Die Punks und Radikalen demonstrierten vor allem gegen die Europäische Union selbst, die ihrer Meinung nach einen „europäischen Machtblock“ bilden wollte.

Die Ereignisse in Amsterdam sind kaum mit den deutschen Chaostagen zu vergleichen. Während die traditionellen Chaostage mehrere Tage dauerten, dauerten die Amsterdamer Chaostage 1997 nur einen Tag.Der damalige Kommandeur der Friedenseinheit, einer Spezialeinheit der Polizei, die für die Demonstrationen und Proteste rund um den Euro-Gipfel eingesetzt wurde und auch als Delta-Einheit bekannt ist, war überrascht von der Tatsache, dass im Vergleich zu anfänglichen Erwartungen im Umfeld der Tage des Chaos und der organisierten Proteste im Anschluss an den Euro-Gipfel so wenig los war.Die Aufmerksamkeit für die Veranstaltung ließ nach dem massiven und schnellen Polizeieinsatz und aufgrund der zahlreichen anderen Demonstrationen, die im weiteren Verlauf der Woche in Amsterdam stattfanden, nach. Zudem waren vergleichsweise wenig Punks anwesend, dafür überwiegend linksradikale Aktivisten. Anders als in der deutschen Fassung spielte Musik in diesen chaotischen Tagen keine Rolle.

Vereinigte Staaten

In den USA gab es mehrere Pläne für Chaos Days, von denen jedoch nur die Ausgabe 1995 in San Francisco erfolgreich war, obwohl sie die Erwartungen nicht erfüllte.

In den USA wurden nach dem Vorbild der deutschen Chaos Days 1995 etwa zeitgleich mit den Chaos Days in Hannover, nämlich vom 4. bis 6. August, die „Chaos Days USA“ in der San Francisco Bay Area im US-Bundesstaat Kalifornien veranstaltet.Diese Tage des Chaos erwiesen sich als erfolglos. Gründe hierfür waren laut einem internationalen Punk-Magazin „schlechte Werbung und noch schlechtere Organisation, der Mangel an Solidarität innerhalb der Punk-Bewegung und die Tatsache, dass im Vorfeld keine Aktivitäten geplant waren“.

Bereits 1995 gab es Planungen für die American Chaos Days 1996, die in Eugene, Oregon stattfinden sollten. Es war die Rede von etwa sechzig Konzerten von Bands, die sowohl Punk als auch andere Genres spielten, und es würde punkbezogene „Workshops“ geben. Diese Tage des Chaos sollten vom 2. bis zum 10. August desselben Jahres stattfinden und wurden im Voraus als das größte Punk-Treffen in Nordamerika aller Zeiten beschrieben. Dies wurde letztlich abgesagt. Die Veranstaltung wurde in modifizierter Form unter dem Namen „Resist and Exist“ fortgeführt.Es kamen etwa 500 bis 1.000 Punks.Die Ende der 1990er Jahre in Eugene im Rahmen der internationalen Demonstration Carnival Against Capital abgehaltenen Proteste und Demonstrationen wurden zwar manchmal als Chaostage bezeichnet, hatten damit allerdings nichts zu tun.

Frankreich

Obwohl in Frankreich keine Chaostage wie in anderen Ländern veranstaltet wurden, wurde nach dem Vorbild der frühen deutschen Chaostage von 1982 und 1983 ein Punkfestival organisiert und als „Chaosfestival“ beworben. Dies fand am 20. Oktober 1984 in Orléans statt. Das Festival war eine einmalige Veranstaltung der Organisation/Plattenfirma Chaos Productions, die zu diesem Anlass ihr zweijähriges Jubiläum feierte. Die Bands, die auf dem Festival spielten, waren die lokalen französischen Punkbands Sub Kids, Kidnap, Collabos, Reich Orgasm, Komintern Sect, Trotskids und Camera Silens, von denen die meisten beim Label Chaos spielten. Obwohl das Festival nicht noch einmal stattfand und es auch nicht zu tagelangem Chaos kam, stimulierte das Festival die lokale Punkbewegung in Frankreich zu dieser Zeit.

Kritik

Aus konservativ-bürgerlicher Sicht wurden die früheren Chaosperioden lediglich als Aufstände, Gewalt und Vandalismus betrachtet. Politische Ziele wären in den Protesten kaum noch zu erkennen und die politischen Demonstrationen wären lediglich ein Vorwand für Gewalt. Gegner dieser Auffassung weisen darauf hin, dass es sich bei den Vandalen und Gewalttätern, die während der Chaostage anwesend waren, nicht um „echte“ Punks gehandelt habe, sondern um Randalierer, die nur der Gewalt wegen gekommen seien.

Auch aus alternativen und linken Bewegungen kam Kritik. Kritisiert wurde an den Chaostagen unter anderem die sogenannte „Bürgerschreck-Mentalität“, die den einfachen Bürgern Angst einjagte. Auch die Chaostage wurden wegen ihres vermeintlichen Mangels an Inhalt und Strategie kritisiert. Die Veranstaltungen zogen oft gewalttätige Jugendliche an, die mit den politischen Ideen der Chaostage nichts zu tun hatten, aber auch Punks, die nur wegen der Musik und des kulturellen Erlebnisses zu den Chaostagen kamen und kein Interesse an der Durchsetzung politischer Ziele hatten.

Kritik an den Medien

Viele Teilnehmer, Punks und andere Sympathisanten behaupten, die nationalen Medien hätten in diesen Tagen des Chaos überreagiert und die Ereignisse voreingenommen geschildert. Dies hatte teilweise einen selbstverstärkenden Effekt, weil aufgrund gewisser Sensationsberichterstattungen junge Menschen nach medialer Berichterstattung zu den Chaostagen mit der puren Absicht zu randalieren anreisten. Medien bezeichneten die Chaostage in den 90er Jahren als vergleichbar mit einem „Bürgerkrieg“ und warfen den Punks teilweise nazistische Äußerungen vor.

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